Was sind die Vor- und Nachteile von Verfahrenskostenhilfe?
Freitag, 04.08.2023 , geschrieben von iurFRIEND-Redaktion
Sehen Sie Schwierigkeiten, Ihre Scheidung bezahlen zu können, können Sie Verfahrenskostenhilfe beantragen. Dann übernimmt die Staatskasse im Idealfall vollständig die Kosten dafür. Ob die Vorteile einer Kostenübernahme eventuell durch Nachteile geschmälert werden, ist eine individuelle Frage. Sie sollten deswegen die Vor- und Nachteile von Verfahrenskostenhilfe (VKH) kennen und gegeneinander abwägen. Da nicht jeder Aspekt in Ihrer Situation relevant ist, entscheiden Sie letztlich selbst, was Ihnen wichtig erscheint. Im Zweifel stehen wir Ihnen jederzeit für ein Gespräch bereit.
Scheidung unter dem Vorbehalt der Verfahrenskostenhilfe
Schaubild
Beantragen Sie im Zusammenhang mit Ihrer Scheidung beim Familiengericht Verfahrenskostenhilfe, werden Sie daran interessiert sein, die Scheidung erst in die Wege zu leiten, wenn das Gericht Verfahrenskostenhilfe bewilligt hat. Der Anwalt wird den Scheidungsantrag dem VKH-Antrag also nur als Entwurf beifügen. Da Sie immer damit rechnen müssen, dass Ihr Antrag auf VKH abgelehnt wird, verlieren Sie wertvolle Zeit, wenn Sie Ihre Scheidung dann trotzdem durchführen möchten und bereit wären, die Verfahrenskosten aus eigener Tasche zu zahlen.
Ist hingegen ausgeschlossen, dass Sie die Verfahrenskosten aus eigener Tasche bezahlen können, ist VKH auf jeden Fall eine gute Option.
Anwälte bieten ihren Mandanten bisweilen an, die anwaltlichen Gebühren ratenweise zu zahlen. Sie sind dann nicht auf die VKH-Bewilligung angewiesen. Die Gerichtsgebühren müssen Sie allerdings im Regelfall aus eigener Tasche vorschießen. Besprechen Sie also mit Ihrem Anwalt, ob in Ihrem Fall eine Ratenzahlungsvereinbarung in Betracht kommt und Sie insoweit auf einen Antrag auf Bewilligung von VKH verzichten können.
Vorteile, wenn Sie in bestimmten Landkreisen oder in München wohnen
Wird VKH beantragt, gelten für vorhandene Barvermögen Freibeträge. So beträgt der Freibetrag für nicht erwerbstätige Antragsteller allgemein 552 €. Wohnen Sie allerdings im Landkreis Fürstenfeldbruck oder Starnberg, liegt der Freibetrag bei 582 €, im Landkreis München bei 569 € und in der Landeshauptstadt München bei 580 €. Auch die Freibeträge für andere Angehörige sind diesen Kreisen erhöht. Sie haben also unter Umständen bessere Aussichten, VKH bewilligt zu bekommen, als wenn Sie im übrigen Bundesgebiet wohnen.
Vorteil 2023: Schonvermögen wurde erhöht
VKH wird nicht bewilligt, solange Sie einsetzbare Vermögenswerte besitzen. Zu Ihrem Vorteil ist das ursprünglich geltende Schonvermögen in Höhe von 2.600 € auf 10.000 € erhöht worden (Stand 1.1.2023). Sie haben also wesentlich bessere Aussichten, VKH bewilligt zu bekommen als es früher der Fall war. Insoweit ist VKH aus wirtschaftlicher Sicht interessanter geworden.
Sie müssen Immobilien nicht in jedem Fall verkaufen
Die Bewilligung von VKH ist davon abhängig, dass Sie vorab eventuell vorhandene Vermögenswerte einsetzen, um die Verfahrenskosten für Ihre Scheidung zu bezahlen. Sind Sie Eigentümer einer Immobilie, brauchen Sie das Objekt nicht zu verwerten, wenn es sich um ein „angemessenes kleines Hausgrundstück“ handelt und es Ihnen im Übrigen nicht zuzumuten ist, auf das Haus zu verzichten. Sind Sie hingegen Eigentümer eines Mietobjekts, müssen Sie damit rechnen, dass Sie das Objekt verkaufen oder beleihen müssen, sofern der Verkauf oder die Beleihung dazu führt, dass Sie mit dem Verkaufserlös die Verfahrenskosten finanzieren können. Laufende Belastungen dürfen Sie allerdings gegenrechnen.
Teilzahlungen von VKH und ihre Vorteile
VKH ist eine staatliche Fürsorgeleistung. Sie müssen damit rechnen, dass Sie die von der Gerichtskasse zunächst verauslagten Gebühren wieder an die Gerichtskasse erstatten müssen, wenn Sie mit Ihrem Einkommen eine gewisse Grenze überschreiten. In Abhängigkeit von Ihrem Einkommen sind dann Teilbeträge in einer gesetzlich bestimmten Höhe in höchstens 48 Monatsraten an die Gerichtskasse zurückzuzahlen. In diesem Fall ist VKH eine Art Darlehensleistung des Staates, so dass Sie im Ergebnis Ihre Scheidungskosten doch aus der eigenen Tasche bezahlen müssen. Der Vorteil ist, dass Sie die Verfahrenskosten für Ihre Scheidung nicht zeitaufwendig ansparen oder über ein Bankdarlehen finanzieren müssen, Ihr Girokonto nicht zu überziehen brauchen und Ihre Scheidung sofort in die Wege leiten können.
Nun zu den Punkten, derer wegen Sie sich die Beantragung von VKH durch den Kopf gehen lassen können, sofern Sie sich zum Beispiel am Schwellenwert der Bewilligungsgrenze befinden.
Ihr Ehegatte erhält Kenntnis von Ihrem VKH-Antrag
Beantragen Sie VKH, informiert das Gericht auch Ihren Ehepartner über den Antrag und gibt Gelegenheit, zum Antrag Stellung zu nehmen. Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse werden zwar nicht mitgeteilt, wohl aber weiß der Ehegatte, dass Sie VKH beantragen und könnte sich befleißigt fühlen, Ihren Antrag oder Ihre vermeintlichen Angaben negativ zu bewerten und mit der Hoffnung zu verbinden, das Scheidungsverfahren zu torpedieren. Stellen Sie hingegen direkt den Scheidungsantrag ohne VKH zu beantragen, muss der Ehegatte direkt Stellung nehmen und kann das Scheidungsverfahren auf dem Umweg über die VKH-Stellungnahme nicht beeinflussen.
Formulare
Verfahrenskostenhilfe beantragen
Nutzen Sie die Möglichkeit der Verfahrenskostenhilfe, wenn Sie die Kosten für das Verfahren nicht alleine tragen können und auch keinen Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss haben.
Der größte Aufwand, um VKH zu beantragen, ist, das amtliche Formular auszufüllen und zwar so, dass das Gericht Ihre Angaben akzeptiert und möglichst keine Rückfragen anfallen. Über diese Angaben hinaus müssen Sie Ihre Einkommensverhältnisse nachweisen. Dazu benötigen Sie
die Lohn- und Gehaltsabrechnungen Ihres Arbeitgebers für die letzten drei bis zwölf Monate vor der Antragstellung,
wenn vorhanden, auch der letzte Einkommensteuerbescheid
oder die elektronische Lohnsteuerbescheinigung.
Fehlende oder verweigerte Angaben zur Art der Finanzierung des Lebensunterhalts schließt die VKH-Bewilligung aus.
Etwas schwieriger wird es, wenn Sie selbstständig tätig sind. Sie benötigen dann
eine aktuelle Einnahmenüberschussrechnung,
Jahresabschluss,
Einkommensteuerbescheid
oder eine Bilanz.
Beziehen Sie Einnahmen aus einem Mietobjekt oder aus Kapitalvermögen, sind entsprechende Nachweise zu führen. Bei Einnahmen aus Renten, Arbeitslosengeld, Krankengeld, Elterngeld, Ausbildungsförderung oder sonstigen Sozialleistungen ist der letzte Bewilligungsbescheid und die Unterlagen, aus denen sich die derzeitige Höhe der Leistungen ergibt, in Kopie beizufügen.
Auf der Passivseite dürfen Sie Abzüge geltend machen. Dazu gehören Steuern, Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung, Beiträge zur öffentlichen oder privaten Versicherungen sowie Fahrt- und sonstige Werbungskosten. Der damit oft verbundene Beschaffungsaufwand ist nicht zu unterschätzen. Wenn dann tatsächlich VKH bewilligt wird, hat sich der Aufwand natürlich gelohnt.
Rückzahlung der VKH: Wie lange wird Ihre Liquidität nach der Scheidung geprüft?
Sie können nachträglich bis zum Ablauf von vier Jahren ab der rechtskräftigen Scheidung zu Teilzahlungen herangezogen werden und zwar auch dann, wenn VKH zunächst ohne Ratenzahlung bewilligt wurde. Umgekehrt kommt eine Verringerung der festgesetzten Raten in Betracht, wenn sich Ihre Einkommensverhältnisse verschlechtern. Als „Verbesserung“ gilt, dass Ihre laufenden Einkünfte sich um monatlich mindestens 100 € brutto erhöhen. Eine einmalige Verbesserung von bis zu 100 € bleibt außer Betracht.
Gleichfalls sind Sie verpflichtet, den Wegfall und die Ermäßigung von im VKH-Antrag benannten Abzügen (Wohnkosten, Unterhalt, Zahlungsverpflichtungen oder besondere Belastungen) umgehend mitzuteilen, wenn die Entlastung nicht nur einmalig 100 € im Monat übersteigt. Einmalig anfallende Beträge von unter 100 € bleiben außer Betracht.
Außerdem müssen Sie jede Änderung Ihrer Anschrift unaufgefordert und unverzüglich mitteilen. Unterlassen Sie absichtlich die Information, riskieren Sie die Aufhebung der VKH- Bewilligung. Eine nur vergessene Mitteilung rechtfertigt die Aufhebung jedoch nicht.
Zugewinnausgleichszahlung hebt VKH-Bewilligung auf
Als wesentliche Verbesserung Ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse zählt auch der Umstand, dass Sie durch das Scheidungsverfahren wirtschaftliche Vorteile erlangen. Dies ist dann der Fall, wenn Sie eine Zugewinnausgleichszahlung erhalten oder der Ehegatte verpflichtet wird, Ihnen Unterhalt zu zahlen.
Alles in allem
Ob Verfahrenskostenhilfe für Sie Vor- oder Nachteile birgt, hängt von Ihren persönlichen Gegebenheiten und Interessen ab. Lässt sich Ihre Scheidung nur mit VKH bewerkstelligen, ist der Vorteil offensichtlich, egal ob mit oder ohne Ratenzahlung. Scheuen Sie jedoch den damit verbundenen Aufwand, kann sich VKH auch als nachteilig erweisen. Was in Ihrer Situation die beste Option sein kann, können Sie gerne mit unserem Scheidungsservice besprechen.