Was genau ist der Zugewinnausgleich bei der Scheidung?
Mit Ihrer Heirat leben Sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Sie können diesen Güterstand notariell ausschließen und die Gütertrennung vereinbaren. Haben Sie keine Gütertrennung vereinbart, steht mit der Scheidung der Zugewinnausgleich zur Debatte. Das während Ihrer Ehe aufgebaute Vermögen wird als gemeinsam erwirtschaftet betrachtet, ganz gleich Ihrer Position in der Ehe.
Beim Zugewinnausgleich geht der Gesetzgeber davon aus, dass alles, was Sie im Laufe Ihrer Ehe erwirtschaftet haben, von beiden Ehepartnern gemeinsam erwirtschaftet wurde. Die Arbeitsteilung in der Ehe spielt dabei eine große Rolle. Haben Sie in der Ehe den Haushalt geführt und die Kinder betreut, steht diese Leistung der Erwerbstätigkeit des Partners gleich. Hat ein Partner während der Ehe weniger Vermögen erwirtschaftet als der andere, hat er einen Anspruch darauf, am Vermögenszuwachs des anderen angemessen beteiligt zu werden. Oder umgekehrt: Derjenige Partner, der während der Ehe mehr Vermögen erworben hat, muss dem anderen die Hälfte des Mehrerwerbs abgeben.
Warum empfiehlt sich beim Zugewinnausgleich eine Scheidungsfolgenvereinbarung?
Gerade dann, wenn es um den Zugewinnausgleich bei der Scheidung geht, ist die Scheidungsfolgenvereinbarung genau das richtige Werkzeug, Ihre Ehe auch in wirtschaftlicher Hinsicht im gegenseitigen Einvernehmen auseinanderzusetzen. Sie schaffen klare Verhältnisse. Sie sind nicht darauf angewiesen, Ihr Recht auf Zugewinnausgleich gerichtlich einfordern oder sich gerichtlich dagegen verteidigen zu müssen.
Wenn es um den Zugewinnausgleich geht, ziehen sich Streitigkeiten oft über Jahre hinweg, in denen die Ehepartner über ihre Anwälte seitenlange Schriftsätze austauschen, sich gegenseitig Vorwürfe machen und sich letztlich meist doch, oft auf dringendes Anraten des Gerichts, auf irgendeinen Betrag X einigen. Die Ehepartner erreichen damit ein Ergebnis, das sie auch bereits früher mit einer einvernehmlichen Scheidungsfolgenvereinbarung hätten erreichen können.
Pauschalen Ausgleich vereinbaren
Bei der Entscheidung, wie Ihre Scheidung abgewickelt werden soll, einigen Sie sich mit Ihrem Ehepartner darauf, die finanziellen Angelegenheiten pragmatisch zu lösen. In einer Scheidungsfolgenvereinbarung vereinbaren Sie, dass Ihr Anspruch auf Zugewinnausgleich durch eine einmalige Zahlung von 10.000 EUR von Ihrem Ehepartner abgegolten wird. Diese Vereinbarung ermöglicht es Ihnen beiden, auf die komplexe und möglicherweise konfliktreiche Berechnung des während der Ehe erworbenen Zugewinns zu verzichten. So sparen Sie Zeit und Kosten für den Prozess und legen einen schnellen, klaren Weg für Ihre finanzielle Trennung fest, wodurch beide Seiten mit einem geregelten Verfahren voranschreiten können.
Mit einer Trennungs- oder Scheidungsfolgenvereinbarung zum Zugewinnausgleich schaffen Sie die Voraussetzungen für eine möglichst einvernehmliche Scheidung. Es geht nur noch darum, die Scheidung zu beschließen. Alles andere haben Sie bereits in der der Vereinbarung außergerichtlich geregelt.
Was können Sie in einer Scheidungsfolgenvereinbarung regeln?
Sie können alle Folgen der Scheidung, wie z.B. Zugewinn-, Versorgungsausgleich, Unterhalt und Sorgerecht, klären. So gelingt die Scheidung einvernehmlich!
Anfangsvermögen und Endvermögen ermitteln
Zu diesem Zweck wird das Vermögen, das jedem Partner bei Eingehung der Ehe gehört (Anfangsvermögen) und das Vermögen eines jeden Partners bei Beendigung der Ehe durch Scheidung (Endvermögen) einander gegenübergestellt. Verbindlichkeiten mindern den Zugewinn. Der Zugewinn ist also der Betrag, um den das Endvermögen eines Partners dessen Anfangsvermögen übersteigt. Daraus wird dann der Zugewinn in der Ehe errechnet.
Rechenbeispiel:
Mark | Clara |
Anfangsvermögen: 1.000 EUR | Anfangsvermögen: 500 EUR |
Endvermögen: 50.000 EUR | Endvermögen: 10.000 EUR |
Zugewinn: 49.000 EUR | Zugewinn: 9.500 EUR |
Mehrerwerb: 39.500 EUR | |
Zugewinnausgleichsforderung Clara: 19.750 EUR, nämlich 39.500 durch 2.
Ehepartner profitieren von sogenannten privilegierten Vermögenswerten nur bedingt. Darunter versteht man Schenkungen und Erbschaften während der Ehe. Da derartige Vermögenserwerbe nicht als Ergebnis gemeinsamer Wertschöpfung der Partner angesehen werden können, schließt der Gesetzgeber den Vermögenserwerb vom Zugewinn aus. Das Gesetz rechnet diese Werte nicht zum Endvermögen, das den Zugewinn erhöht, sondern behandelt die Vermögenswerte wie Anfangsvermögen, allerdings nicht zum Zeitpunkt der Eheschließung, sondern zum Zeitpunkt des Erwerbs. Dadurch wird der andere Ehepartner nur am Wertzuwachs während der Ehe, nicht aber am Vermögenswert selbst, beteiligt.
Welcher Stichtag zählt für den Zugewinnausgleich?
Da Sie das Anfangs- und Endvermögen berechnen müssen, kommt es darauf an, die Berechnungszeitpunkte klar zu definieren:
- So wird bei der Berechnung des Anfangsvermögens auf den Zeitpunkt Ihrer Heirat abgestellt.
- Stichtag für die Berechnung des Endvermögens ist der Zeitpunkt, in dem das Gericht den Scheidungsantrag dem Ehepartner förmlich zustellt. Vermögenszuwächse danach sind nicht mehr zu berücksichtigen.
Wie wird der Stichtag festgestellt, wenn wir uns lediglich trennen oder erst später scheiden lassen wollen?
Beschließen Sie, lediglich getrennt voneinander zu leben und zunächst von einer Scheidung abzusehen oder möchten Sie sich erst später scheiden lassen, leben Sie natürlich weiterhin im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Die Konsequenz ist, dass der Vermögenszuwachs in der Zeit der Trennung dem Zugewinnausgleich unterliegt. Stichtag für die Berechnung des Endvermögens wäre erst die Zustellung des Scheidungsantrags an Ihren Ehepartner.
Dieser späte Zeitpunkt des Stichtags dürfte nicht unbedingt in dem Sinne des Partners liegen, der im Zeitraum der Trennung höhere Vermögenszuwächse zu erwarten hat. Sie haben jetzt zwei Möglichkeiten:
- Sie vereinbaren sofort notariell Gütertrennung und heben den Güterstand der Zugewinngemeinschaft auf. Damit schließen Sie den Zugewinnausgleich aus oder
- Sie vereinbaren notariell, dass Sie jetzt getrennt leben und der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft fortbesteht. Da Sie derzeit keine Scheidung beabsichtigen, bestimmen Sie als Stichtag für die Berechnung eines eventuellen späteren Zugewinnausgleichsanspruchs den Zeitpunkt Ihrer Trennung mit genauem Datum. Das gleiche Vorgehen bietet sich natürlich auch an, wenn Sie in absehbarer Zeit die Scheidung einreichen wollen.
Das Problem bei der Dokumentation des Stichtags ist, dass Sie für den Fall, die Scheidung erst nach vielen Jahren durchführen zu wollen, vielleicht Schwierigkeiten haben, den Vermögensbestand an dem vereinbarten Stichtag zu rekonstruieren. Um solche Schwierigkeiten zu vermeiden, können Sie in der notariellen Vereinbarung Ihr jeweiliges Endvermögen genau beziffern. Oder Sie legen jetzt bereits fest, dass dem Partner zum Stichtag ein Zugewinnausgleich in einer bestimmten Höhe und einer bestimmten Art und Weise zusteht. Allerdings soll der Anspruch dann nicht bereits mit der Trennung, sondern erst im Fall der Scheidung fällig werden.
Was ist der modifizierte Zugewinnausgleich?
Sie brauchen den Zugewinnausgleich nicht vollständig auszuschließen und stattdessen Gütertrennung vereinbaren. Sie können Ihren Interessen besser Rechnung tragen, wenn Sie es beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft belassen und den Zugewinn lediglich modifizieren, also in Ihrer beider Sinne individuell gestalten. Sie treffen mit Ihrem Ehepartner dann Absprachen über die Höhe des Zugewinns oder die Vermögenswerte, die in den Zugewinnausgleich einbezogen werden sollen. All diese Absprachen modifizieren den vom Gesetz standardmäßig vorgesehenen Zugewinnausgleich.
Was kann ich im Hinblick auf den Zugewinnausgleich vereinbaren?
Sie können von der gesetzlichen Regelung, nach der der Zugewinn aufgeteilt wird, nach eigenem Ermessen in Absprache mit Ihrem Ehepartner abweichen und individuelle Vereinbarungen treffen. Sie brauchen den Zugewinnausgleich also nicht in der vom Gesetz vorgesehenen Höhe oder nach den vom Gesetz vorgesehenen Modalitäten durchzuführen.
Einigung erzielen durch Geben und Nehmen
Wenn Sie eine Absprache zum Zugewinnausgleich treffen, dürfen Sie die nachstehenden Gestaltungsvorschläge nicht isoliert betrachten. Sie stehen vielmehr im Zusammenhang mit Ihrer Scheidung insgesamt und eventuell über den Zugewinnausgleich hinaus zu regelnden Scheidungsfolgen. So könnte es sein, dass Sie auf den Zugewinnausgleich nur deshalb teilweise verzichten, weil Sie zum Ausgleich das Wertpapierdepot Ihres Ehepartners übertragen bekommen oder er sich verpflichtet, Ihnen einen besonders großzügigen Ehegattenunterhalt zu zahlen. So bedingt das eine das andere.
Vermögenswerte ausschließen
Ihr Ehepartner ist Unternehmer. Sie vereinbaren, dass sein betriebliches Vermögen aus der Berechnung des Zugewinns ausgeklammert wird. Sie vermeiden damit, dass der Betrieb oder Betriebsteile verkauft werden müssen, nur um den Zugewinnausgleichsanspruch zu bedienen. Die Regelung dient oft auch den Interessen der betroffenen Arbeitnehmer am Erhalt ihres Arbeitsplatzes. Zum Ausgleich können Sie sich beispielsweise auf eine pauschale Abfindung des Zugewinns einigen oder eine Immobilie übertragen.
Ihr Ehepartner ist Eigentümer eines vermieteten Mehrfamilienhauses. Der Wert des Hauses wäre eigentlich nach dem Ertrags- oder Verkehrswert zu beziffern. Über die Festsetzung des genauen Wertes könnten Sie sich trefflich streiten. Sie wären aller Wahrscheinlichkeit nach auf ein Sachverständigengutachten angewiesen, über dessen Inhalt und Ergebnis Sie wiederum streiten könnten. Statt eines Verkehrswertes von beispielsweise 500.000 EUR verständigen Sie sich, den Verkehrswert des Gebäudes auf lediglich 300.000 EUR festzusetzen und diesen Wert zur Maßgabe des Zugewinns zu bestimmen. Sie bewerten die Vermögenswerte des Anfangsvermögens oder Endvermögens demnach abweichend von den gesetzlichen Vorgaben.
> Immobilienbewertung
Quote individuell festlegen
Sie haben einen Zugewinnausgleich von 100.000 EUR errechnet. Statt der hälftigen Ausgleichsquote von 50.000 EUR vereinbaren Sie eine Ausgleichsquote von 30 % und erhalten 30.000 EUR als Zugewinnausgleich.
Pauschale Abfindung
Sie einigen sich auf eine pauschale Abfindung des Zugewinns. Diese kann höher oder niedriger sein als der Betrag, den Sie als Zugewinn errechnet haben:
Beispiel 1: Sie haben eine Zugewinnausgleichsforderung in Höhe von 100.000 EUR errechnet. Sie verständigen sich, dass der Zugewinnausgleich auf lediglich 60.000 EUR festgelegt wird.
Beispiel 2: Sie verzichten darauf, dass die Zugewinnausgleichsforderung in voller Höhe in Bargeld bezahlt wird und erklären sich einverstanden, dass Ihnen ausgleichend ein bestimmter Sachwert übertragen wird.
Ihre Zugewinnausgleichsforderung beträgt 100.000 EUR. Sie geben sich mit 50.000 EUR Bargeld zufrieden und erhalten dafür das Ihrem Ehepartner gehörende Ferienhaus auf Teneriffa zum Alleineigentum.
Ihre Zugewinnausgleichsforderung beträgt 100.000 EUR. Da der Ehepartner nicht liquide ist, akzeptieren Sie, dass er oder sie eine erste Rate in Höhe von 20.000 EUR per 01.01.2023 und jeweils vier weitere Raten alle halbe Jahre entrichtet. Würden Sie hingegen auf der sofortigen vollständigen Zahlung bestehen, würden Sie aller Wahrscheinlichkeit nach eine streitige Scheidung provozieren und die einvernehmliche Scheidung torpedieren. Ob Sie am Ende wirklich den vollen Betrag bekämen, stünde dann vielleicht auch noch in den Sternen.
Ratenzahlung akzeptieren
Sie akzeptieren, dass der Ehepartner die Zugewinnausgleichsforderung ratenweise erfüllt. Damit vermeiden Sie, dass der Partner in Liquiditätsschwierigkeiten gerät und Zugeständnisse verweigert.
Sie verzichten vollständig auf den Zugewinnausgleich. Diese Regelung macht wirtschaftlich meist nur Sinn, wenn Sie dafür besondere Gründe haben. Vielleicht sind Sie selber ausreichend vermögend oder Sie müssen registrieren, dass Ihr Ehepartner zwar auf dem Papier vermögend ist, faktisch aber keinerlei Liquidität zur Verfügung hat und sich solche auch wird kaum beschaffen können.
Welche Grenzen muss ich bei einer Vereinbarung über den Zugewinnausgleich beachten?
Der Gesetzgeber lässt Ihnen weitgehend freie Hand, Vereinbarungen über den Zugewinnausgleich zu treffen. Vereinbarungen dürfen aber nicht anstößig, unfair und unangemessen sein, sprich: sie dürfen nicht gegen die guten Sitten verstoßen. Sollte es nach Abschluss einer solchen Vereinbarung zum Streit kommen, unterwerfen die Gerichte Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarungen einer sogenannten Inhaltskontrolle. Das Gericht prüft also, ob sich aus einer Gesamtschau aller Umstände ein anstößiges Verhalten ergibt. Scheidungsfolgenvereinbarungen müssen insgesamt fair und gerecht sein. Sie dürfen keinen Ehepartner unangemessen benachteiligen.
In welcher Form kann ich Vereinbarungen über den Zugewinnausgleich treffen?
Scheidungsfolgenvereinbarungen sind rechtlich nur verbindlich, wenn Sie die Vereinbarung mit Ihrem Ehepartner notariell beurkunden lassen. Die notarielle Beurkundung soll die Partner vor übereilten Entscheidungen bewahren. Alternativ kann die Vereinbarung auch im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs durch Aufnahme in das gerichtliche Protokoll im Scheidungstermin getroffen werden. Bloß mündliche Absprachen oder eigenständig schriftliche Vereinbarungen sind rechtlich nicht verbindlich und lassen sich im Fall des Falles nicht zwangsweise vollstrecken.