Nachehelichen Unterhalt in vier Schritten berechnen
Zur Berechnung können Sie auch unseren kostenfreien Unterhaltsrechner nutzen:
Schritt 1: Wie viel verdienen Sie brutto?
Zunächst ist das Bruttoeinkommen beider Ehepartner festzustellen. Das Bruttoeinkommen ergibt sich bei Arbeitnehmern aus der Lohn- und Gehaltsabrechnung oder bei Selbstständigen aus Gewinn- und Verlustrechnungen, Bilanzen oder Einkommensteuerbescheiden. Bei Arbeitnehmern errechnet sich das Bruttoeinkommen aus dem durchschnittlichen Einkommen der letzten 12 Monate, bei Selbstständigen und Freiberuflern aus dem Durchschnittseinkommen der letzten 3 Jahre. Zum Bruttoeinkommen zählen u.a.:
- Lohn und Gehalt von Arbeitnehmern
- Fiktives Einkommen: Soweit der Unterhaltspflichtige es mutwillig unterlässt, zu arbeiten oder weniger arbeitet, als er müsste oder könnte, wird ihm ein entsprechendes Einkommen gedanklich („fiktiv“) zugerechnet.
- Sonderzahlungen des Arbeitgebers wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld
- Sachleistungen des Arbeitgebers (Dienstwagen, Kantinenessen)
- Abfindungen wegen eines gekündigten oder aufgelösten Arbeitsverhältnisses
- Arbeitslosengeld
- Einnahmen aus Vermietung von Immobilien
- Kapitalzinsen
- Einnahmen aus unternehmerischen Beteiligungen
- Renten (BfA, Betriebsrente)
- Steuererstattungen vom Finanzamt
- Kurzarbeitergeld
- Schlechtwettergeld
- BAföG bei Studierenden
- Wohnwert der im Eigentum stehenden, selbst bewohnten Immobilie (Ansatzpunkt ist die ortsübliche Miete)
Schritt 2: Wie viel verdienen Sie netto (bereinigt)?
Im zweiten Schritt der Unterhaltsberechnung sind vom zuvor festgestellten Bruttoeinkommen für beide Ehepartner diejenigen Ausgaben und finanziellen Verpflichtungen abzuziehen, die der Ehegatte jeweils regelmäßig aufbringen muss. Im Ergebnis ergibt sich das sogenannte bereinigte Nettoeinkommen eines jeden Ehegatten. Vom Bruttoeinkommen können u.a. abgezogen werden:
- Öffentlich-rechtliche Abgaben (Lohnsteuer, Grundsteuer für die eigene Immobilie)
- Sozialversicherungsabgaben (Krankenkasse, Rentenbeiträge)
- Angemessene Altersvorsorgeleistungen für die private Altersvorsorge. Altersvorsorgeleistungen sind mit bis zu 4% des Bruttoeinkommens abzugsfähig (BGH Az. XII ZR 211/02).
- Ist der Unterhaltspflichtige nicht sozialversicherungspflichtig (z.B. selbständig oder freiberuflich tätig) ist ihm ein Anteil von ca. 20 % seines Bruttoeinkommens für seine private Altersversorgung zuzuerkennen (BGH Az. XII ZR 67/00).
- Berufsbedingte Aufwendungen (mindestens 50 EUR und höchstens 150 EUR/Monat; höhere Aufwendungen nur gegen Nachweis, z.B. Fahrtkosten, Arbeitskleidung)
- Darlehensleistungen, die während der Ehe angefallen sind (z.B. Zinsen und Tilgungsleistungen für das Familienhaus)
- Fortbildungskosten
- Unterhaltspflichten gegenüber vorrangig unterhaltsberechtigten Kindern
Schritt 3: Wie hoch ist die Differenz beider Einkommen?
Ist das bereinigte Nettoeinkommen beider Ehegatten festgestellt und verdienen beide unterschiedlich viel, ergibt sich im dritten Schritt eine Differenz. Der Differenzbetrag, der sich daraus ergibt, dass ein Ehegatte mehr verdient als der andere, ist die Grundlage, um den nachehelichen Unterhalt zu berechnen.
Schritt 4: Wie viel Unterhalt ist zu zahlen?
Im vierten Schritt ist der Unterhaltsbedarf festzustellen. Beim nachehelichen Unterhalt wird auf die ehelichen Lebensverhältnisse abgestellt. Maßgebend ist der „Halbteilungsgrundsatz“, der eine Unterhaltsquote 50 zu 50 begründet. Diese Quote wird aber meist nur für Einkünfte aus Vermietung von Immobilien, Zinseinkünfte, Arbeitslosengeld und Renten angewendet, während bei Lohn und Gehalt der Anteil 45% zu 55% beträgt. Die Quote resultiert daraus, dass Arbeitnehmern ein Erwerbstätigenbonus von 0,1 zuerkannt wird. Der Bonus soll den unterhaltspflichtigen Ehegatten motivieren, auch fortan einer geregelten Arbeit nachzugehen.
Beispielrechnung für Geschiedenenunterhalt
Bitte beachten Sie: Die Musterrechnung kann lediglich die Grundzüge veranschaulichen. Für ein individuelles Ergebnis der Unterhaltshöhe empfiehlt sich eine rechtssichere Berechnung.
Herr Fröhlich ist Angestellter. Seine Ex-Frau ist nicht berufstätig und betreut zu Hause die beiden gemeinsamen Söhne im Alter von 1 und 8 Jahren. Folgende Einkünfte stehen Herrn Fröhlich zur Verfügung:
- Bruttogehalt/Monat Januar bis Oktober (10x3.000 EUR): 30.000 EUR
- Kurzarbeitergeld November, Dezember in Höhe von 80% des Nettogehalts: + 4.000 EUR
- Weihnachtsgeld: + 3.000 EUR
- Urlaubsgeld: + 1.500 EUR
- Nebenjob als Zeitungsausträger nach Feierabend (jährlich): +5.000 EUR
- Kapitalerträge aus Wertpapieranlage: +1.000 EUR
Unterhaltsrelevantes Bruttoeinkommen: 44.500 EUR / Jahr = 3.708 EUR / Monat
Davon werden folgende Ausgaben abgezogen:
- Einkommenssteuer: 5.884 EUR
- Berufsbedingte Aufwendungen: -500 EUR
- Altersvorsorge (Riester-Vertrag): -1.200 EUR
- Zinsleistungen für Darlehen: -1.800 EUR
#VAR4 = (41.000-5.884 EUR)/12
Unterhaltsrelevantes Nettoeinkommen: #VAR3 EUR/Jahr = #VAR4 EUR/Monat
Davon muss Herr Fröhlich den Kindesunterhalt zahlen:
#VAR5 = 12*(552 EUR-125 EUR)
#VAR6 = 12*(634 EUR-125 EUR)
Kindesunterhalt Kind, 1 Jahr, abzüglich hälftiges Kindergeld (12x(552 EUR-125 EUR): #VAR5 EUR
Kindesunterhalt Kind, 8 Jahre, abzüglich hälftiges Kindergeld12x(634 EUR-125 EUR): #VAR6 EUR
Nettoeinkommen abzüglich Kindesunterhalt: #VAR3-#VAR5-#VAR6 EUR/Jahr #VAR4-(552 EUR-125 EUR)-(634 EUR-125 EUR) EUR/Monat
#VAR7 = ((41.000-5.884 EUR)/12)-552 EUR-125 EUR)-(634 EUR-125 EUR)
Frau Fröhlich erhält 45% als nachehelichen Unterhalt, also monatlich:#VAR4-(552 EUR-125 EUR)-(634 EUR-125 EUR) x 0,45= (#VAR4-552 EUR-634 EUR+250 EUR)*0,45EUR
Abschließende Prüfung: Lebensbedarf des Unterhaltszahlenden
Der unterhaltspflichtige Ehegatte darf neben dem Erwerbstätigenbonus noch einen bestimmten Betrag für sich selbst beanspruchen: seinen persönlichen Selbstbehalt. Der Selbstbehalt soll den eigenen Lebensunterhalt gewährleisten und verhindern, dass der unterhaltspflichtige Ehegatte selbst zum Sozialfall wird und öffentliche Leistungen in Anspruch nehmen muss.Der Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Ehegatten beträgt derzeit bei Erwerbstätigkeit 1.600 EUR und bei keiner Erwerbstätigkeit 1.475 EUR.
Auskunftspflichten des Unterhaltsverpflichteten
Um den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt berechnen zu können, muss der unterhaltsberechtigte Ehegatte natürlich wissen, was der andere verdient. Der zur Auskunft verpflichtete Ehegatte wird naturgemäß versuchen, die Feststellung seiner Unterhaltspflicht zu verschleppen und nur zögerlich Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse erteilen.
Verweigert ein Ehegatte die Auskunft, kann das Familiengericht beim Arbeitgeber, Sozialleistungsträgern, Versicherungsunternehmen und Finanzämtern entsprechende Auskünfte einholen. Diese sind dann Grundlage für die Berechnung des nachehelichen Unterhalts.
In dringenden Fällen kann der auf Unterhalt angewiesene Ehegatte beim Familiengericht eine einstweilige Anordnung beantragen, in der die Unterhaltspflicht festgestellt wird (§ 246 FamFG). Zugleich kann er beantragen, den Antragsgegner zur Zahlung eines Kostenvorschusses für Anwalt und Gericht zu verpflichten. Der Gerichtsbeschluss kann dann gegen den unterhaltspflichtigen Ehegatten zwangsweise vollstreckt und der Kostenvorschuss in bar beigetrieben werden.