Unterschied von Umgangs- und Sorgerecht
Das Umgangsrecht ist strikt vom Sorgerecht zu unterscheiden. Das Sorgerecht steht bei Geburt eines gemeinsamen Kindes den miteinander verheirateten Eltern gemeinsam zu. Es ist das Recht der Eltern oder eines Elternteils, für das Kind Entscheidungen zu seiner Lebensführung zu treffen.
Vor allem: Das Sorgerecht besteht unabhängig vom Umgangsrecht und umgekehrt. Jeder Elternteil, ob er nun sorgeberechtigt ist oder nicht, hat ein Umgangsrecht mit seinem Kind. Umgekehrt hat das Kind ein Umgangsrecht mit jedem Elternteil, unabhängig davon, ob der Elternteil sorgeberechtigt ist oder nicht.
Streitfragen rund ums Sorgerecht gemeinsam klären
Beim Sorgerecht kommt es vornehmlich darauf an, dass ein Elternteil kurzfristig und effektiv Entscheidungen für das Kind treffen kann. Wenig schwerwiegende Alltagsentscheidungen kann der betreuende Elternteil allein vornehmen. Grundlegende Entscheidungen, die den Lebensweg des Kindes bestimmen, müssen Eltern aber im Interesse des Kindes stets gemeinsam besprechen und entscheiden. Dies bietet oft auch eine wesentlich bessere Basis, um positiv auf Kinder einzuwirken und späteren Vorwürfen des anderen Elternteils den Wind aus den Segeln zu nehmen. Zudem wird das Kind Entscheidungen, die beide Elternteile gemeinsam treffen, bereitwilliger akzeptieren und nicht einen Elternteil gegen den anderen auszuspielen versuchen.
Wie viel Besuchszeit erlaubt das Umgangsrecht?
Umgangsrecht bedeutet, gemeinsame Zeit miteinander zu verbringen. Wie viel ist damit jedoch gemeint? Umgang realisiert sich in regelmäßigen, zeitlich begrenzten
- Kontakten,
- Besuchen,
- gemeinsamen Wochenenden,
- Reisen
- oder sonstigen Unternehmungen von Kind und Elternteil.
Miteinander Umgang zu haben, bedeutet aber nicht nur die persönliche Begegnung. Auch den nicht betreuenden Elternteil anzurufen oder mit ihm Nachrichten auszutauschen ist Teil des Umgangsrechts.
Es liegt in der Natur der Sache, dass das Gesetz keine Regelung vorgibt, wie und wie häufig das Umgangsrecht ausgeübt werden darf. Sind sich die Eltern einig, ist alles möglich. Streiten sich die Elternteile, stellen viele Gerichte ihre Entscheidungen vornehmlich auf das Alter des Kindes ab. Je älter das Kind ist, desto länger kann der Kontakt am Stück dauern. Als Orientierungshilfe gilt:
- Das Umgangsrecht für kleine Kinder beschränkt sich auf den stundenweisen Kontakt einmal in der Woche. Sie sollen möglichst der engsten Bezugsperson (meist die Mutter) verbunden bleiben.
- Für Kinder ab ca. drei Jahren werden regelmäßige Übernachtungen gewährt.
- Schulkinder dürfen regelmäßig übernachten und dafür auch Ferientage nutzen.
Dabei kommt es darauf an, wie der Umgang des Vaters bzw. des nun weniger betreuenden Elternteils mit dem Kind während der Ehezeit ausgestaltet war, wie er in sich in der Trennungsphase dargestellt hat und wie sich der Elternteil aktuell um das Kind bemüht. War der Kontakt bisher nicht besonders intensiv, wird kein Familiengericht versuchen, den Kontakt zu intensivieren. Wer also plötzlich seine Liebe zum Kind „entdeckt“, muss sich darauf einstellen, dass der Umfang des Umgangsrechts dazu in Beziehung steht.
Umgekehrt kann ein Gericht einem Elternteil, das seine Pflicht zum Umgang verweigert, ein anderes Betreuungsmodell als aktuell auferlegen. Unter den Möglichkeiten dafür kann das Wechselmodell ausgewählt werden, in dem beide Eltern gleich viel Umgang und Sorge für ihr/e Kind/er übernehmen.
Übernachtungen beim anderen Elternteil
Die Gerichte befürworten es, wenn das Kind beim anderen Elternteil übernachtet. Übernachtungen festigen die Bindung zum umgangsberechtigten Elternteil, insbesondere dann, wenn die Wohnorte der Elternteile weiter voneinander entfernt liegen und das kurzzeitige Umgangsrecht allein dadurch erschwert würde (z.B. OLG Saarbrücken 6 UF 20/13: Alle zwei Wochen am Wochenende eine Übernachtung für 3 ½-jährigen Sohn).
Umgangsrecht des biologischen Vaters
Es gibt verschiedene Konstellationen, in denen die Kindesmutter nicht mit dem leiblichen Vater ihres oder ihrer Kinder zusammenlebt. Früher war es so, dass der biologische Vater nur ein Umgangsrecht hatte, wenn er mit dem Kind bereits eine enge persönliche Beziehung aufgebaut hatte. Verweigerte die Mutter den Umgang, war der Aufbau einer persönlichen Beziehung schwierig oder unmöglich.
Erst das Bundesverfassungsgericht konnte den Gesetzgeber dazu bewegen, die Rechte des biologischen Vaters anzuerkennen und gesetzlich zu regeln. Jetzt kommt es nicht mehr darauf an, dass der leibliche Vater bereits eine enge Beziehung zum Kind hat. Vielmehr genügt es seit 2013, dass er durch sein Verhalten zeigt, Verantwortung für das Kind übernehmen zu wollen und dieser Wunsch dem Kindeswohl dient.
Kind macht sich sowieso irgendwann „auf die Suche“
Hintergrund ist die einfache Weisheit der Psychologie, dass ein Kind naturgegeben am besten aufwächst und sich entwickelt, wenn Vater und Mutter gemeinsam an der Erziehung beteiligt sind. Wenn ein Elternteil dem Kind den anderen Elternteil vorenthält, ihn beispielsweise totschweigt, ist erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass das Kind früher oder später den „genetisch“ bedingten Drang verspüren wird, den Kontakt zu seinem anderen Elternteil zu suchen. Es liegt in der Natur des Menschen zu wissen, wo er seine Wurzeln hat. Eltern sollten stets daran denken, wenn sie ihr Kind zum Gegenstand ihrer umgangsrechtlichen Auseinandersetzungen machen.
Oft steht das Umgangsrecht auch im Zusammenhang mit Unterhaltspflichten. Wer vom biologischen Vater Unterhalt fordert, sollte ihm auch ein Umgangsrecht zugestehen und ihn damit motivieren, seine Unterhaltspflichten ernst zu nehmen. Will der vermeintlich biologische Vater ein Umgangsrecht beanspruchen, muss er beweisen, dass er tatsächlich der leibliche Vater ist. Bestreitet die Mutter die Vaterschaft, kann das Gericht anordnen, dass die Vaterschaft geklärt wird. Dazu hat die Mutter die Entnahme von Blutproben zu dulden.
Umgangsrecht dritter Personen
Bezogen auf das Vorkapitel genießt aber auch umgekehrt der rein rechtliche und nicht leibliche Vater (Stiefvater) ein Umgangsrecht mit dem Kind, sowie weitere Personen.
Stiefeltern leben mit dem Kind ihres Partners meist schon längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft. Sie stehen zu dem Kind meist in einem Stiefverhältnis oder haben es adoptiert.
Enge Bezugspersonen des Kindes haben ein Umgangsrecht mit dem Kind, wenn diese für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben und eine sozial-familiäre Beziehung besteht. Die Übernahme tatsächlicher Verantwortung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Person mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Notfalls kann das Familiengericht über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung auch gegenüber Dritten näher regeln.
Großeltern, Geschwister, Ziehväter und -mütter
Kinder wachsen im Idealfall in einem familiär-sozialen Milieu auf. Auch das Gesetz erkennt die Situation an. § 1685 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestimmt, dass Großeltern und Geschwister ein Umgangsrecht mit dem Kind haben, wenn damit dem Kindeswohl gedient ist. Ihnen gleichgestellt sind auch aktuelle Lebenspartner oder frühere Lebenspartner eines Elternteils sowie allgemein andere Personen, die mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben. In Betracht kommt beispielsweise die Amme, die das Kind vielleicht aufgezogen hat.
Was tun in Konfliktsituationen?
Dem Umgangsrecht und der Umgangspflicht steht die Pflicht der Eltern gegenüber, alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigen oder die Erziehung erschweren würde. Typisches Beispiel ist, dass ein Elternteil versucht, das Bild des Kindes vom anderen Elternteil so zu manipulieren, dass das Kind sich von diesem abwendet. Was kann man in solchen spannungsgeladenen Fällen machen?
Umgangspfleger als Mittler
Verletzt ein Elternteil seine Neutralität dauerhaft oder wiederholt, kann das Familiengericht auf Antrag des umgangsberechtigten Elternteils einen Umgangspfleger bestellen.
Ein solcher Umgangspfleger ist für die Ausgestaltung des Umgangsrechts verantwortlich und hat ein geregeltes und konfliktfreies Abholen und Zurückbringen des Kindes sicherzustellen. Er kann bestimmen, wann und wie lange sich das Kind bei welchem Elternteil aufhält. Um das Umgangsrecht durchzusetzen, kann er die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs verlangen und gerichtlich unter Zuhilfenahme eines Gerichtsvollziehers durchsetzen.
Familiengericht kann eine Umgangsregelung bestimmen
Streiten die Elternteile über den Umfang und die Ausgestaltung des Umgangsrechts, kann das Familiengericht auf Antrag des umgangsberechtigten Elternteils Umfang und Ausübung des Umgangsrechts näher regeln.
Dabei hat das Gericht auf die Wünsche des Kindes Rücksicht zu nehmen. Das Familiengericht muss akzeptieren, dass der umgangsberechtigte Elternteil vielleicht einen neuen Partner hat. Es kann dann nicht die Abwesenheit des neuen Partners anordnen, wenn sich das Kind beim umgangsberechtigten Elternteil aufhält.
Konflikt zwischen altem und neuem Partner flachhalten
Gerade der neue Partner ist oft Anlass für den betreuenden Elternteil, aggressiv zu reagieren und den Umgang zu verweigern. Im Interesse des Kindes sollte jedoch diese neue Lebenssituation akzeptiert und die persönliche Aversion nicht auf dem Rücken des Kindes ausgetragen werden.
Einschränkung oder Ausschluss des Umgangsrechts
Das Familiengericht kann das Umgangsrecht einschränken oder sogar ausschließen, wenn es dem Kindeswohl unabdingbar ist.
Fälle dieser Art sind der sexuelle Missbrauch des Kindes durch den umgangsberechtigten Elternteil. Auch eine starke, objektiv begründete Abneigung des Kindes gegen den umgangsberechtigten Elternteil oder die fortgesetzte negative Beeinflussung des Kindes gegenüber dem sorgeberechtigten Elternteil können Gründe darstellen.
Eine weitere Möglichkeit, die Ausübung des Umgangsrecht zu regeln, ist die Anordnung des Familiengerichts, das Umgangsrecht nur im Beisein eines neutralen Dritten, meist eines Mitarbeiters des Jugendamtes anzuordnen.
Vollstreckung umgangsrechtlicher Entscheidungen
Das Umgangsrecht ist einklagbar. Der beste gerichtliche Titel nutzt aber nichts, wenn der betreuende Elternteil das Umgangsrecht ständig hintertreibt. In diesem Fall muss der umgangsberechtigte Elternteil die umgangsrechtliche Entscheidung des Gerichts zwangsweise vollstrecken.
Voraussetzung dafür ist, dass die gerichtliche Verfügung „vollzugsfähig“ ist. Dazu muss sie konkrete Anweisungen gegenüber dem betreuenden Elternteil enthalten. Bestandteil der richterlichen Verfügung ist meist, dass Ordnungsmittel in Form von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft angedroht werden oder unmittelbarer Zwang angeordnet wird. Bevor Ordnungsmittel festgesetzt werden, muss der betreuende Elternteil angehört werden. Da eine Zwangsvollstreckung immer Ultima Ratio sein sollte, sieht das Gesetz ein gerichtliches Vermittlungsverfahren vor. Dabei versucht das Gericht zu vermitteln und Einvernehmen über die Ausübung des Umgangs zu erreichen. Soweit das Kindeswohl gefährdet erscheint, kann das Gericht das Umgangsrecht auch kurzzeitig einschränken oder gar ausschließen.
Gerichtsvollzieher können Vollstreckung verweigern
Es ist zu berücksichtigen, dass die zwangsweise Vollstreckung eines Umgangsrechts für das Kind eine extreme Konfliktsituation beinhaltet. Gerichtsvollzieher dürfen die Zwangsvollstreckung durchaus aus diesem Grunde verweigern (BVerfG 1 BvR 1620/08).
Jugendamt als Helfer in der Not
Jugendämter sind auch Servicebehörden. Sie bieten kostenlose Beratungen an und führen auch teilweise selbst Mediationen durch. In Betracht kommen auch Familienberatungsstellen bei Arbeiterwohlfahrt oder Caritas.
Bei der Mediation geht es um die friedliche Konfliktlösung unter Beteiligung eines neutralen Dritten. Gerade wenn es um Kinder geht, sind die emotionalen Fronten oft so verhärtet, dass kaum Kompromisse möglich erscheinen. Mediation führt nicht zu falschen oder richtigen Ergebnissen. Sie ist dann gut und richtig, wenn sie von beiden Parteien als fair und akzeptabel erlebt wird und letztlich erkannt wird, dass das Kindeswohl im Vordergrund steht. Diese Art der Konfliktbeilegung endet damit, dass das Vereinbarte schriftlich und rechtsverbindlich festgehalten wird.
Sind Sie bereit für eine Mediation?
Ob Sie sich schon sicher sind oder noch zögern, es lohnt sich auf jeden Fall, ein Erstgespräch zu führen. Unsere Checkliste hilft Ihnen bei den ersten Schritten.
Umgangsrechte bei Umzug ins Ausland
Zieht der betreuende Elternteil mit dem Kind ins Ausland, erweist sich das Umgangsrecht oft als unmöglich. Zunächst ist dabei zu berücksichtigen, dass das Sorgerecht eine deutlich stärkere Rechtsposition einräumt als das bloße Umgangsrecht. Die dadurch bedingten Nachteile müsse der umgangsberechtigte Elternteil im Interesse des Kindes hinnehmen. Der Auswanderungswunsch sei von den Familiengerichten im Grundsatz zu akzeptieren. (OLG Nürnberg 10 UF 1899/11).
Allerdings muss das Familiengericht die Folgen für das Kindeswohl umfassend gewichten und darf das natürliche Interesse des Kindes an einer fortdauernden Beziehung nicht ignorieren (BGH XII ZB 81/09).
Der Bundesgerichtshof stellt in Auswanderungsfällen auf folgende Aspekte ab:
- Bindungsstärke des Kindes zum umgangsberechtigten Elternteil
- Bindungskontinuität
- Kontinuität des Verwandten- und Freundeskreises am bisherigen Wohnort
- Erziehungseignung des umgangsberechtigten Elternteils
Weniger kommt es darauf an, ob der auswanderungswillige Elternteil triftige Gründe für seinen Auswanderungswunsch hat. Vermittelt er jedoch den Eindruck, er wolle durch den Umzug das Umgangsrecht torpedieren, kann dies durchaus Zweifel an seiner Toleranzfähigkeit und damit an seiner Erziehungseignung begründen (so auch OLG Koblenz 11 UF 149/10). Die Konsequenz kann dann darin bestehen, dass dem umgangsberechtigten Elternteil insoweit im Rahmen des Sorgerechts das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wird.