Warum sind Scheidungen in der Landwirtschaft oft eine finanzielle Herausforderung?
Sind Sie Landwirt oder mit einem Landwirt/-in verheiratet und lassen sich scheiden, hat der wirtschaftlich schwächere Partner grundsätzlich Anspruch auf Zugewinnausgleich und Ehegattenunterhalt. Der Partner, der den Hof auch nach der Scheidung fortführen möchte, steht oft vor der Herausforderung, dass er zur Finanzierung der scheidungsbedingten Ansprüche des anderen den Hof im ungünstigsten Fall verkaufen oder zumindest Teile davon verkaufen muss. Das Schicksal des Hofes ist dann ungewiss.
Wie kann ich bei meiner Scheidung alles richtig machen?
Bei der Scheidung kann es schnell zu Problemen oder Streit kommen. Wie vermeiden Sie gängige Fehler?
Da landwirtschaftliche Betriebe im Hinblick auf die Versorgung der Bevölkerung eine Art „systemrelevante“ Funktion haben, besteht das gesamtgesellschaftliche Bedürfnis, landwirtschaftliche Betriebe auch im Hinblick auf Scheidungen möglichst zu erhalten. Der Gesetzgeber hat Regelung getroffen, um dieses Ziel zu erreichen.
Auf der anderen Seite hat ein Partner, der in einen landwirtschaftlichen Betrieb einheiratet, oft das Nachsehen, wenn er/sie den Hof infolge der Scheidung verlässt. Vor allem dann, wenn der Partner oder die Partnerin unentgeltlich im Betrieb mitgearbeitet und auf den Fortbestand der Ehe vertraut hat, trägt er/sie das Risiko, bei einer Scheidung mittellos dazustehen. Wenn der Gesetzgeber denjenigen Ehepartner privilegiert, der den Hof nach der Scheidung fortführt, hat der andere oft das Nachsehen, wenn er/sie vermögensrechtlich benachteiligt wird.
Landwirtschaftliche Betriebe im Erbrecht
Das im Fall einer Scheidung geltende Recht lässt sich besser nachvollziehen, wenn Sie auch die Regelung kennen, nach der landwirtschaftliche Betriebe vererbt werden. Die Ziele sind nämlich die gleichen.
Erbengemeinschaften können keine Hoferben sein
Weil landwirtschaftliche Betriebe eine gesellschaftliche Aufgabe erfüllen, indem sie die Bevölkerung mit landwirtschaftlichen Produkten versorgen, gilt es, sie in ihrem Bestand zu erhalten und eine gewisse Größe zu bewahren. Verstirbt ein Landwirt, gilt es wie bei einer Scheidung gleichermaßen sicherzustellen, dass der landwirtschaftliche Betrieb möglichst so fortgeführt werden kann, wie er besteht.
Hinterlässt der Landwirt mehrere Erben in einer Erbengemeinschaft, würde die Erbauseinandersetzung dazu führen, dass die Erben zur Beschaffung von Liquidität den landwirtschaftlichen Betrieb oder Teile davon verkaufen und den Betrieb zerschlagen würden. Derjenige der Miterben, der den Betrieb vielleicht fortführen möchte, müsste einen Betrieb übernehmen, der möglicherweise nicht überlebensfähig wäre. Deshalb unterliegen landwirtschaftliche Betriebe einer besonders gesetzlich geregelten Erbfolge.
Höfeordnungen verdrängen allgemeines Erbrecht
In vielen Bundesländern gibt es hierfür spezielle Höfeordnungen, teils gelten auch das Landguterbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches und das Grundstücksverkehrsgesetz. Diese Regelungen schließen als Sonderrecht das allgemeine Erbrecht aus. Danach kann ein Hof immer nur einem Erben zufallen. Die Fortführung eines Hofes in Form einer Erbengemeinschaft ist regelmäßig ausgeschlossen und wäre nicht praxisgerecht.
Hoferbe ist vorrangig derjenige Miterbe, den der Hofeigentümer als seinen Erben bestimmt hat oder dem er den Hof im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen hat. Bestimmt der Hofeigentümer testamentarisch keinen Erben, erben vorrangig die Kinder des Erblassers und deren Abkömmlinge und im Nachgang der Ehepartner. Ziel ist immer, den landwirtschaftlichen Betrieb in seiner Gesamtheit zu erhalten und dem Nachfolger bzw. im Fall der Scheidung dem den Hof fortführenden Landwirt einen überlebensfähigen Betrieb zu überlassen.
Wie erfolgt der Zugewinnausgleich bei einem landwirtschaftlichen Betrieb?
Sind Sie verheiratet und haben keinen Ehevertrag abgeschlossen, leben Sie mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Kommt es zur Scheidung, steht der Zugewinnausgleich zur Debatte.
Während der Ehe bedeutet die Zugewinngemeinschaft, dass Ihr in die Ehe eingebrachtes Vermögen sowie das während der Ehe persönlich erworbene Vermögen Ihr alleiniges Eigentum bleibt. Auch Erbschaften und Schenkungen gehören allein Ihnen. Erst wenn es zur Scheidung kommt, wird der Vermögenszuwachs während der Ehe als Zugewinn ausgeglichen. Der Zugewinn wird ermittelt, indem die Differenz zwischen Ihrem Anfangsvermögen am Tag der Eheschließung und Ihrem Ehevermögen am Tag der Zustellung des Scheidungsantrags durch das Gericht an den Ehepartner ermittelt wird. Derjenige Ehepartner, der einen höheren Zugewinn erzielt hat, muss dem anderen die Hälfte seines Überschusses übertragen.
Um den Zugewinnausgleich zu beziffern, wird normalerweise auf die Verkehrswerte der Vermögenswerte abgestellt. Bei landwirtschaftlichen Betrieben ist das anders. Hier kommt es nicht auf den Verkehrswert an. Vielmehr bestimmt § 1376 Abs. 2 BGB, dass ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb mit dem Ertragswert anzusetzen ist. Grund ist, dass der Ansatz der Verkehrswerte zu überhöhten Zugewinnausgleichsansprüchen führen könnte, die die Existenz des Hofes gefährden könnten und im Hinblick auf Angebot und Nachfrage potentieller Übernahmekandidaten nicht unbedingt der Realität entsprechen.
Rechenbeispiel: Ertragswert
Wert Ihres Hofes zum Zeitpunkt der Scheidung 1,2 Millionen EUR
Verbindlichkeiten, die Sie zum Betrieb Ihres Hofes begründet haben: 500.000 EUR
Wert Ihres Hofes zum Zeitpunkt der Scheidung: 700.000 EUR
Wert Ihres Hofes zum Zeitpunkt der Eheschließung: 300.000 EUR
Wertzuwachs während Ihrer Ehe: 400.000 EUR
- Zugewinnausgleichsanspruch Ihres Ehepartners: 200.000 EUR
Wie wird der Ertragswert ermittelt?
Zur Ermittlung des Ertragswertes sind jeweils spezielle landesrechtliche Regelungen heranzuziehen. Grundlage ist der konkret erzielbare und kapitalisierte Reinertrag. Dazu wird auf die letzten fünf betriebswirtschaftlichen Abschlüsse sowie die ersten fünf Abschlüsse nach der Überlassung des Hofes nebst Eröffnungsbilanzen abgestellt. Bei Verbindlichkeiten darf nur der Aufwand für Zinszahlungen berücksichtigt werden. Ist der Verkehrswert niedriger als der Ertragswert, ist nur der Verkehrswert in Ansatz zu bringen. Verbindlichkeiten sind mit ihrem Nominalwert zu berücksichtigen (BGH FamRZ 2016, 1044).
Was sind die Voraussetzungen für den Ertragswertansatz?
Der Ansatz des Ertragswertes für die Bestimmung des Wertes eines Hofes privilegiert den Landwirt, der den Hof fortführt. Deshalb ist der Ansatz nur unter engen Voraussetzungen gerechtfertigt:
Es muss sich um einen schützenswerten landwirtschaftlichen Betrieb handeln
Dies bedeutet, dass der Hof leistungsfähig sein muss und Gewinne erwirtschaftet. Höfe, die nur geringe Gewinne abwerfen und eine schlechte wirtschaftliche Perspektive haben, sind nicht unbedingt schützenswert. Dies wiederum setzt voraus, dass der Betrieb geeignete Flächen besitzt und eine funktionsfähige Hofstelle mit entsprechenden Wirtschaftsgebäuden vorhanden ist, die einen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten Betrieb ermöglichen. Langfristig und dauerhaft verpachtete Landflächen sind gleichfalls nach der Ertragswertbewertung zu berücksichtigen.
Auch Nebenerwerbsbetriebe unterliegen der Privilegierung, wenn diese zu einem wesentlichen Teil zum Lebensunterhalt des Landwirts beitragen und in der Regel 20 % seines Gesamteinkommens darstellen.
Betrieb im Anfangs- und Endvermögen
Der Hof muss bereits zum Zeitpunkt Ihrer Eheschließung zum Vermögen desjenigen Ehepartners gehört haben, der zugewinnausgleichspflichtig ist. Gleichgestellt ist der Erwerb im Wege der Erbfolge oder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Außerdem muss der Betrieb zum Zeitpunkt der Scheidung noch vorhanden sein.
Wille zur Fortführung des Betriebs
Derjenige Ehepartner, der den Zugewinnausgleich schuldet, muss den Hof fortführen wollen. In Betracht kommt auch, dass ein Abkömmling (Kind, Enkelkind) den Hof fortführen oder den Betrieb wiederaufnehmen möchte. Dann gelten die allgemeinen Bewertungsgrundsätze, die in der Regel zum Ansatz des Substanz- oder Liquidationswertes führen (BGH FamRZ 1989, 1276). Ältere Landwirte, die keinen absehbaren Hofnachfolger haben, stehen hier oft vor echten Problemen.
Wann ist der Ansatz des Ertragswertes ausgeschlossen?
Der privilegierte Ansatz nach dem Ertragswert kommt nur in Betracht, wenn es sich um landwirtschaftliche Nutzflächen handelt, die typischerweise landwirtschaftliche Betriebe prägen. Daher kommen nicht in Betracht:
- Grundstücke, die zu Bauland oder Bauerwartungsland geworden sind
- Vermietete Immobilien
- Langfristig verpachtete Grundstücke, die beispielsweise bei der Nutzung als Golfplatz oder Campingplatz nicht betriebsnotwendig sind
- Landwirtschaftliche Nutzflächen, die der Landwirt nach der Eheschließung erworben hat. Diese sind mit dem Verkehrswert anzusetzen, es sei denn, die hinzugekaufte Fläche führt nur zu einer Betriebsvergrößerung bis zu 5% oder dient dem Ausgleich von verkauften betriebsnotwendigen Flächen oder ist zum Erhalt der Lebensfähigkeit des Betriebes erforderlich (BGH FamRZ 1991, 1166).
Hofladen oder Ferienwohnung mit Ertragswert berücksichtigen
Betreibt der Landwirt einen Hofladen oder eine Ferienwohnung, sind diese unselbstständigen landwirtschaftlichen Nebenbetriebe wiederum mit dem Ertragswert zu berücksichtigen. Ob dies auch für den Betrieb einer Fotovoltaik-, Biogas- oder Windkraftanlage zutrifft, erscheint fraglich. In diesen Fällen handelt sich oft um Gewerbebetriebe, die nicht im direkten Zusammenhang mit dem Betrieb des Hofes stehen.
Scheidung, wenn Sie Gütergemeinschaft vereinbart haben
Sie können in notarieller Form den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft ausschließen und stattdessen Gütergemeinschaft vereinbaren. Die Gütergemeinschaft ist neben der Zugewinngemeinschaft und Gütertrennung der dritte gesetzlichen Güterstand. Bei der Gütergemeinschaft wird das in die Ehe eingebrachte oder später erworbene Vermögen beider Eheleute zu deren gemeinschaftlichen Vermögen zusammengefasst. Es entsteht das sogenannte Gesamtgut. Auch der Hof wird dann Gesamtgut.
Die Gütergemeinschaft ist für den Landwirt, der den Hof nach der Scheidung fortführen möchte, vorteilhaft. Er kann den Betrieb nämlich im Scheidungsfall zurückverlangen. Nur die Wertsteigerung wird beim Zugewinnausgleich berücksichtigt. Allerdings erfolgt die Vermögensbewertung im Gegensatz zur Zugewinngemeinschaft nicht nach dem Ertragswert, sondern nach dem Verkehrswert.
Landwirte wählen oft die Gütergemeinschaft, wenn der landwirtschaftliche Betrieb von den Eltern auf Kind und Schwiegerkind gemeinsam übertragen wird. Das Gesetz regelt, dass der landwirtschaftliche Betrieb im Fall der Scheidung demjenigen Ehepartner erhalten bleibt, der den Betrieb in die Ehe eingebracht oder geerbt hat (§ 1477 Abs. II S. 2 BGB). Haben Sie also den Hof in die Ehe eingebracht oder während der Ehe von Ihren Eltern übertragen bekommen, können Sie den Betrieb im Fall Ihrer Scheidung zurückfordern. Im Gegenzug müssen Sie aber mit Ausgleichspflichten rechnen. Der Wertersatz ergibt sich aus der Wertsteigerung des Betriebs während der Ehe und ist zur Hälfte an den Ehepartner auszubezahlen.
Warum sollten Sie als Landwirt einen Ehevertrag abschließen
Sie können jederzeit, aus Anlass Ihrer Eheschließung, während der Ehe oder im Hinblick auf Ihre Scheidung ehevertraglich regeln, wie Sie Ihre Scheidung möglichst einvernehmlich abwickeln und die Scheidungsfolgen regeln. Kern Ihres Ehevertrages sollte eine Regelung zum Zugewinnausgleich und eine Unterhaltsregelung für den im Betrieb mitarbeitenden Ehepartner sein. Sie haben folgende Optionen:
- Sie regeln den Zugewinnausgleich pauschal. So könnten Sie für jedes Jahr Ihrer Ehe einen Kapitalbetrag festlegen, den der ausgleichsberechtigte Ehepartner bei der Scheidung beanspruchen kann.
- Sie vereinbaren, den Zugewinnausgleich vollständig auszuschließen.
- Sie nehmen nur den Hof aus dem Zugewinnausgleich heraus.
- Sie legen den Wert des Hofes von vornherein auf ein bestimmtes Anfangsvermögen und ein bestimmtes Endvermögen fest.
- Zum Ausgleich für den eventuellen Ausschluss des Zugewinnausgleichs schließen Sie zugunsten Ihres in den Hof einheiratenden Partners eine Kapitallebensversicherung oder eine private Rentenversicherung ab.
- Sie vereinbaren für den Fall der Trennung und Scheidung eine Unterhaltsregelung für den Partner, der in den Betrieb einheiratet und mitarbeitet.
- Gibt ein Ehepartner aus Anlass des Eintritts in den Hof seinen Beruf auf oder arbeitet unentgeltlich mit, kann für den Fall der Scheidung eine angemessene Abfindung vereinbart werden.
- Arbeitet der Ehepartner im Betrieb mit, könnten Sie den Ehepartner als Arbeitskraft fest beschäftigen, Lohn und damit Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung zahlen.