Warum wird begleiteter Umgang angeordnet?
Als Elternteile sind Sie verpflichtet, alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Beziehung oder den Umgang miteinander erschwert (§ 1684 I BGB). Es versteht sich, dass der Umgang mit dem Kind sehr persönlicher Natur ist und ein Elternteil die Möglichkeit haben muss, natürlich und unbefangen mit dem Kind umzugehen. Deshalb kann der vollständige Ausschluss des Umgangsrechts bei einem erziehungsungeeigneten Elternteil nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen gerechtfertigt sein (BVerfG FamRZ 2005, 173). Als „milderes“ Mittel steht daher der begleitete Umgang im Blickfeld. Der Umgang mit dem Kind findet dann nur in Anwesenheit einer Begleitperson statt.
Das Familiengericht muss im Detail prüfen, ob die Voraussetzungen für einen begleiteten Umgang vorliegen. Es kann sich nicht allein auf die ablehnende Haltung des betreuenden Elternteils stützen. Ergeben sich beim Umgang Probleme, muss das Familiengericht zunächst versuchen, die Beteiligten durch geeignete Vorgaben dazu anzuhalten, sich umgangsgerecht zu verhalten. Vornehmlich geht es darum, Handlungen eines Elternteils zu begegnen, die den Umgang erschweren. Missachtet der umgangsberechtigte Elternteil nachhaltig seine Loyalitätspflicht gegenüber dem Kind, muss er mit der Einschränkung des Umgangsrechts rechnen. Die wechselseitige Verpflichtung zu loyalem Verhalten besteht auch, wenn sich das Kind in der Obhut von Großeltern oder anderen Verwandten befindet.
Ungeachtet der Umgangsproblematik kann das Familiengericht jederzeit gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls treffen (§ 1666 BGB). Dazu gehört beispielsweise das Verbot gegenüber dem an sich umgangsberechtigten Elternteil, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält, aber auch Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder eigenmächtig ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen.
Gericht muss Gebot der Verhältnismäßigkeit beachten
Bei jeder gerichtlichen Maßnahme, die das Sorge- oder Umgangsrecht betrifft, muss das Familiengericht das Gebot der Verhältnismäßigkeit prüfen. So wäre das Grundrecht des umgangsberechtigten Elternteils (Art. 6 Grundgesetz, GG = Schutz der Familie) mit dem Gebot der Verhältnismäßigkeit verletzt, wenn das Familiengericht das Umgangsrecht vollständig ausschließen würde, ohne die Möglichkeit eines begleiteten Umgangs in Betracht zu ziehen. Reicht der begleitete Umgang als das mildere Mittel aus, um die Gefährdung des Kindeswohls zu verhindern, kommt ein vollständiger Ausschluss des Umgangs nicht in Betracht.
Was sind die Voraussetzungen für einen begleiteten Umgang?
Die Anordnung des begleiteten Umgangs in Anwesenheit einer dritten Person setzt voraus, dass der Schutz des Kindes die Maßnahme erfordert, um eine konkrete Gefährdung der körperlichen oder seelischen Entwicklung des Kindes, die bei einem unbegleiteten Umgang bestünde, abzuwenden (BVerG FamRZ 2010,1622). Die Anordnung hängt nicht davon ab, ob der umgangsberechtigte Elternteil mit dem begleiteten Umgang einverstanden ist.
Jugendamt kann, muss aber nicht zuerst kontaktiert werden
Sie sind nicht verpflichtet, einen Streit wegen des Umgangsrechts mithilfe des Jugendamtes außergerichtlich beizulegen, bevor Sie beim Familiengericht vorstellig werden. Trotzdem dürfte es sich regelmäßig empfehlen, das Jugendamt einzubeziehen. Berücksichtigen Sie dabei, dass auch das Familiengericht vor einer Entscheidung das Jugendamt beiziehen wird. Im Regelfall ist das Jugendamt nämlich immer anzuhören (§ 162 FamFG).
Welche Lebenssachverhalte rechtfertigen einen begleiteten Umgang?
Die Einschränkung des Umgangsrechts kann für den umgangsberechtigten Elternteil, aber auch für das Kind, eine erhebliche Belastung darstellen. Begleiteter Umgang ist deshalb auf schwerwiegende Fälle zu beschränken (BVerfG FamRZ 2008,494).
In der Praxis treten folgende Situationen auf:
- Spannungsverhältnis zwischen Kind und umgangsberechtigtem Elternteil: Hier geht es um Lebenssachverhalte, in denen das Kind bislang keinen oder seit längerer Zeit keinen Kontakt mehr zum Elternteil hatte, schwerwiegende Konflikte zwischen Kind und Elternteil bestehen, das Risiko psychischer Misshandlung besteht oder der Verdacht des sexuellen Missbrauchs begründet erscheint.
- Probleme in der Person des umgangsberechtigten Elternteils: Hier geht es um Fälle, in denen sich der Elternteil als erziehungsunfähig oder erziehungsungeeignet erwiesen hat oder alkohol- oder drogensüchtig oder in einer Justizvollzugsanstalt oder sonstigen Einrichtung inhaftiert ist.
- Probleme bei der Durchführung des Umgangs: Fälle, in denen der Umgang mit dem anderen Elternteil für das Kind eine starke psychische Belastung darstellt oder die Versorgung oder die Sicherheit des Kindes nicht gewährleistet erscheint.
- Risiko der Kindesentführung: Fälle, in denen es Anzeichen gibt, dass der umgangsberechtigte Elternteil den Umgang dazu missbrauchen könnte, das Kind zu entführen.
Welche Formen des begleiteten Umgangs gibt es?
Je nachdem, wie sich die Konfliktsituation darstellt, kommen in der Praxis vier Formen des begleiteten Umgangs in Betracht:
- Betreute Umgangsanbahnung: Zweck ist, bei einem längere Zeit unterbrochenen Kontakt zwischen Kind und umgangsberechtigten Elternteil den Kontakt wieder herzustellen oder erstmals anzubahnen. Die Anbahnung kann durch einen ersten schriftlichen Kontakt oder Telefonate erfolgen.
- Betreute Übergabe: Vielfach erweist sich die Übergabesituation, bei der der umgangsberechtigte Elternteil das Kind beim anderen Elternteil abholt, als Ansatz für einen eskalierenden Streit. Dadurch wird meist das Kind psychisch belastet. Die Situation artet oft in wechselseitigen Vorwürfen aus und wirkt sich in der Ausübung des Umgangsrechts nachhaltig negativ aus.
- Betreuter Umgang: Ist der umgangsberechtigte Elternteil nicht in der Lage, einen belastungs- oder konfliktfreien Umgang zu gewährleisten, kann das Familiengericht Schutzmaßnahmen anordnen. So kommt bei einer Sucht- oder Alkoholproblematik oder Verdacht des Kindesmissbrauchs der Umgang unter der Begleitung des Kinderschutzbundes oder durch Vorlage monatlicher ärztlicher Befunde in Betracht.
- Kontrollierter Umgang: Die nachhaltigste Form des begleiteten Umgangs ist der kontrollierte Umgang. Er kommt bei einem nachgewiesenen oder begründeten Verdacht auf eine Kindesgefährdung zur Anwendung, der durch die ständige Anwesenheit einer dritten Person begegnet werden soll.
Elternteil kann begleiteten Umgang nicht ablehnen
Lehnt der umgangsberechtigte Elternteil den begleiteten Umgang ab, kann er/sie das Umgangsrecht nicht wahrnehmen. Ein gerichtlicher Antrag auf Regelung des Umgangs mit dem Kind ohne den begleiteten Umgang wäre abzuweisen (BGH FamRZ 1994, 158).
Wie ist der Ablauf beim begleiteten Umgang?
Hat das Familiengericht einen begleiteten Umgang angeordnet, findet der Umgang nur in Anwesenheit einer Aufsichtsperson statt. Dazu muss das Familiengericht den Umgang selbst konkret nach Tag, Ort, Uhrzeit und Abständen konkret und ausführlich festlegen. Es darf die Bestimmung des Umgangs im Detail nicht Dritten, insbesondere nicht dem Begleiter, überlassen.
Wer kommt als Begleitperson in Betracht?
Ordnet das Familiengericht den begleiteten Umgang an, kommt als Begleitperson jede Person in Betracht, die das Vertrauen des Kindes besitzt oder vertrauenswürdig ist. Dazu gehören Verwandte, Freunde, Lehrkräfte, Nachbarn, Familientherapeuten, Träger der Jugendhilfe, das Jugendamt oder der Kinderschutzbund. Die Begleitperson muss bereit sein, die Aufgabe zu übernehmen. Sie kann nicht dazu gezwungen werden.
Was ist erlaubt beim begleiteten Umgang?
Beim begleiteten Umgang ist alles erlaubt, was die Elternteile nicht ausdrücklich als verboten vereinbart haben oder das Familiengericht selbst verboten hat. Erlaubt ist alles, was im Interesse des Kindes liegt, dem Kind gefällt und ihm nicht schadet. Soweit der Umgang in Begleitung einer dritten Person erfolgt, muss diese Person einverstanden sein. Die Begleitperson ist letztlich wie eine Aufsichtsperson, die darauf achtet, dass der Umgang dem Kind nicht irgendwie schadet. Im Interesse des Kindes sollte es möglich sein, den Umgang so wahrzunehmen, dass sich daraus für die Beteiligten keine Konflikte ergeben.
Langsam Vertrauen aufbauen
Nehmen Sie Ihr Umgangsrecht in begleiteter Form erstmals wahr, sollten Sie die Grenzen nicht ausreizen. Gehen Sie behutsam vor. Bauen Sie untereinander Vertrauen auf. Das braucht Zeit. Je mehr Vertrauen sich entwickelt, desto effektiver und konstruktiver wird der Umgang verlaufen
Wie lange und bis zu welchem Alter dauert ein begleiteter Umgang?
Das Gesetz kennt keine feste Altersgrenze, für wie lange oder bis zu welchem Alter des Kindes ein begleiteter Umgang angeordnet werden kann. Schließlich geht es immer darum, dass der Umgang nicht zum Nachteil des minderjährigen Kindes vonstattengeht. Letztlich hängt es vom Alter des Kindes und dessen Fähigkeit ab, mit der Situation umzugehen. Je jünger das Kind ist, desto eher wird sich ein begleiteter Umgang gebieten. Je älter das Kind wird, desto mehr wird die Notwendigkeit eines begleiteten Umgangs entfallen können.
Wer trägt die Kosten beim begleiteten Umgang?
Ordnet das Familiengericht einen begleiteten Umgang an, fallen die Kosten des Umgangs dem umgangsberechtigten Elternteil zur Last (BGH FamRZ 2014, 917). Dazu gehören
- Fahrtkosten, auch für die Abholung und das Zurückbringen des Kindes,
- Kosten für Verpflegung
- und Übernachtung der Begleitperson.
Einschränkungen können sich daraus ergeben, dass die Kostenbelastung für den Elternteil wirtschaftlich unzumutbar ist und die Ausübung des Umgangs praktisch unmöglich machen würde. In diesem Fall hat sich der umgangsgewährende Elternteil gegebenenfalls an den Kosten zu beteiligen (BVerfG FamRZ 2002,809).
Besuchskontakte nur mit Begleitung?
Übergangsweise kann der beaufsichtigte Kontakt helfen, die Beziehung zwischen Elternteil und Kind (wieder) aufzubauen und zu pflegen.
Sie brauchen nicht unbedingt eine gerichtliche Anordnung, in der der begleitete Umgang vorgegeben wird. Sie können sich untereinander jederzeit außergerichtlich verständigen. Eine außergerichtliche Verständigung der Elternteil untereinander, die Sie Ihrem Kind auch mitteilen, ist für viele Kinder wie ein Zauberwort, das den Konflikt vielleicht entschärft. Sie geben Ihrem Kind wieder Hoffnung, auch wenn es weiß, dass es die intakte Familie nicht mehr gibt.
Umgang in Scheidungsfolgenvereinbarung regeln
Eine begleitete Umgangsregelung lässt sich gut in eine Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung einbeziehen. Darin regeln Sie alle Rechte und Pflichten, die Sie im Hinblick auf Ihre Trennung und Scheidung geregelt wissen möchten. Es empfiehlt sich, dass Sie sich bei der Formulierung einer solchen Vereinbarung anwaltlich begleiten lassen. Letztlich sind derartige Vereinbarungen auch notariell zu beurkunden. Der Aufwand, den Sie in die anwaltliche Beratung investieren, ist im Verhältnis weitaus geringer, als wenn Sie sich im Nachhinein wegen unklarer oder rechtlich unwirksamer Formulierungen doch wieder streiten.
Besuchskontakte nur mit Begleitung?
Übergangsweise kann der beaufsichtigte Kontakt helfen, die Beziehung zwischen Elternteil und Kind (wieder) aufzubauen und zu pflegen.
(Hinweis: Wir bezeichnen die Elternteile als Elternteil A und Elternteil B)
Wir vereinbaren, dass Elternteil B alle 14 Tage Samstagnachmittag von 14:00 bis 18:00 Uhr den Umgang mit unserem gemeinsamen Kind C wahrnimmt. Der erste Umgang soll am … erfolgen. Der Umgang wird in den Räumlichkeiten des Patenonkels von C in der Mühlenstraße 25, Dortmund, in dessen ständiger Anwesenheit erfolgen. Der Patenonkel hat erklärt, den begleiteten Umgang zu unterstützen. Die Elternteile behalten sich ausdrücklich vor, eine gerichtliche Entscheidung über den Umgang herbeizuführen, falls der begleitete Umgang nicht erfolgreich umgesetzt werden kann.
Zusätzliche Option: Verläuft der begleitete Umgang problemlos, wird der Umgang nach drei Monaten unbegleitet im gleichen Zeitraum, nunmehr in der Wohnung des Elternteils B, fortgesetzt.
Zusätzliche Option: Beide Elternteile sind darüber einig, dass das positive Bild, das das Kind von jedem seiner beiden Elternteile hat, aufrechterhalten werden soll. Beide Elternteile werden ihr Verhalten zum Wohl des Kindes danach ausrichten und alles unterlassen, was dieses Bild beeinträchtigt.