Erbrecht des Ehepartners während der Ehe
Sie müssen unterscheiden, ob:
- Sie die Erbfolge nach der gesetzlichen Erbfolge beurteilen oder
- ob Sie oder Ihr verstorbener Ehepartner die gesetzliche Erbfolge in einem Testament abgewandelt haben.
Hinterlässt der verstorbene Ehepartner kein Testament und wurde kein Erbvertrag beurkundet, erbt der überlebende Ehepartner nach der gesetzlichen Erbfolge. Als überlebender Ehepartner sind Sie gesetzlicher Erbe. Sie haben ein Ehegattenerbrecht. Dieses gesetzliche Erbrecht entfällt, wenn der verstorbene Ehepartner die gesetzliche Erbfolge in einem Testament oder in einem Erbvertrag abweichend geregelt hat.
Wie verändert ein Testament die gesetzliche Erbfolge?
Hier kommt es auf die Art des Testaments und die genauen Regelungen an.
Sie wurden testamentarisch enterbt
Hinterlässt Ihr verstorbener Ehepartner - solange die Scheidung noch nicht im Raum steht - ein Testament, kann es sein, dass er/sie Ihnen das gesetzliche Erbrecht entzogen und eine andere Person zum Erben bestimmt hat. Sie wurden dadurch faktisch enterbt. Dennoch gehen Sie nicht leer aus. Als überlebender Ehepartner erhalten Sie den gesetzlichen Pflichtteil. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte Ihres gesetzlichen Erbteils. Um den Pflichtteil zu berechnen, müssen Sie zunächst im Hinblick auf Ihre Familienverhältnisse Ihren gesetzlichen Erbteil bestimmen. Auch Ihr Güterstand während der Ehe spielt eine Rolle. Allerdings entfällt auch Ihr Anspruch auf den Pflichtteil, sobald der verstorbene Ehepartner den Scheidungsantrag gestellt oder Ihrem Scheidungsantrag zugestimmt hat.
Sie wurden testamentarisch bedacht
Ihr verstorbener Ehepartner kann die gesetzliche Erbfolge auch insoweit abgeändert haben, als er Sie zusätzlich über Ihren gesetzlichen Erbteil hinaus bedacht oder Sie sogar als alleinigen Erben eingesetzt hat. Die gegenseitige Erbeinsetzung unter Ehepartnern wird landläufig auch als Berliner Testament bezeichnet. Kommt es zur Scheidung, ist die Frage zu beantworten, ob Sie auch dann noch erbberechtigt sind oder das Testament oder der Erbvertrag durch die Scheidung hinfällig geworden ist.
Wie sieht ein gemeinsames Testament für Ehepaare aus?
Möchten Sie ein gemeinsames Testament verfassen, haben Sie verschiedene Möglichkeiten. Dieses Muster behandelt die so genannte Einheitslösung.
Wann werden Testament und Erbvertrag durch die Scheidung hinfällig?
Dem Gesetz nach werden Testamente und Eheverträge nach der Scheidung grundsätzlich unwirksam (§ 2077 BGB). Die Gerichte unterscheiden jedoch und stellen auf den Zeitpunkt ab, wann Ihr verstorbener Ehepartner seinen letzten Willen niedergeschrieben hat.
Testament im Hinblick auf Ihre Ehe
Hat Ihr verstorbener Ehepartner das Testament aus Anlass Ihrer Verlobung, Ihrer Heirat oder während Ihrer bestehenden Ehe verfasst, gehen die Gerichte davon aus, dass Sie als überlebender Ehepartner mit der Scheidung Ihr Erbrecht verloren haben. Ansatzpunkt ist, dass Ihr Ehepartner Sie als Erbe im Testament bedacht hat, weil Sie verheiratet waren. Mit der Scheidung entfällt dieser Ansatzpunkt. Sie haben kein Erbrecht mehr.
Testament unabhängig von Ihrer Ehe
Anders ist es, wenn das Testament bereits vor der Ehe erstellt wurde oder anzunehmen ist, dass der Erblasser die Verfügung auch unabhängig vom Bestand Ihrer Ehe gewollt hatte. Dann soll es nach der Rechtsprechung auch nach der Scheidung fortbestehen bleiben. Die Gerichte gehen davon aus, dass Ihr Partner Ihre Person unabhängig davon, ob Sie verheiratet sind oder nicht, als Ehepartner absichern wollte. Das Testament würde in diesem Fall also unverändert auch nach der Scheidung fortbestehen bleiben.
Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Tag, an dem der Erblasser das Testament verfasst oder den Erbvertrag beurkundet hat. Sollten sich später Zweifel ergeben haben, gelten diese nur als Indiz dafür, dass der Erblasser seine Absichten möglicherweise geändert hat. Insoweit kommt es immer darauf an, wer was beweisen kann (OLG Zweibrücken NJW-RR 1998, 941).
Testament regelmäßig prüfen
Lassen Sie sich scheiden, empfiehlt sich darüber nachzudenken, ob Sie Ihr Testament so beibehalten wollen wie Sie es verfasst haben. Unabhängig davon, wie die Erbeinsetzung Ihres Ehepartners im Testament zu bewerten ist, sollten Sie klare Verhältnisse schaffen. Sie sollten möglichst ein neues Testament verfassen, das das frühere Testament ersetzt. Im neuen Testament können Sie dann Ihren geschiedenen Ehepartner erneut als Erben bedenken oder eben eine andere Person als Ihren Erben bestimmen. Das frühere Testament sollten Sie zur Sicherheit vernichten. Im neuen Testament sollten Sie auf das frühere Testament Bezug nehmen und ausdrücklich erklären, dass und aus welchem Grund Sie es verändert haben.
Auf welchen Zeitpunkt genau kommt es bei der Scheidung an?
Ihre Ehe ist aufgelöst, wenn der Scheidungsbeschluss rechtskräftig wird. Rechtskräftig wird der Scheidungsbeschluss, wenn Sie und auch Ihr Ehepartner im Scheidungstermin auf Rechtsmittel verzichtet haben oder beide Ehepartner innerhalb von einem Monat nach Zustellung des Scheidungsbeschlusses keine Rechtsmittel eingelegt haben.
Ihr testamentarisches Erbrecht entfällt jetzt aber nicht etwa erst mit der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses. Ihr Erbrecht entfällt bereits zu dem Zeitpunkt,
- in dem Ihr verstorbener Ehepartner bei Gericht die Scheidung beantragt und
- der Scheidungsantrag beim Familiengericht rechtshängig ist oder
- Ihr Ehepartner Ihrem Scheidungsantrag zugestimmt hat und
- die Voraussetzungen der Scheidung vorlagen.
Liegen diese Voraussetzungen vor, erben Sie nichts mehr, obwohl Ihre Ehe formal wegen der noch fehlenden Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses noch besteht.
Was ist Rechtshängigkeit?
Rechtshängig bedeutet, dass der scheidungswillige Ehepartner die Gerichtsgebührenrechnung bezahlt und das Familiengericht infolgedessen den Scheidungsantrag dem anderen Ehepartner förmlich zugestellt hat.
Zur Klarstellung:
- Hatte Ihr Ehepartner die Scheidung beantragt und verstirbt dann, erben Sie nichts mehr.
- Oder umgekehrt: Hatten Sie die Scheidung beantragt und hatte Ihr verstorbener Ehepartner Ihrem Scheidungsantrag zugestimmt, erben Sie gleichfalls nichts mehr.
- Bedingung ist jeweils, dass als Voraussetzung der Scheidung der Vollzug des Trennungsjahres dargelegt ist.
Scheidungsbeschluss aufbewahren
Sie sollten die Originalausfertigung des Scheidungsbeschlusses des Familiengerichts, mit dem Ihre Ehe als aufgelöst gilt, unbedingt aufbewahren. Nur so können Ihre Erben eventuell nachweisen, dass Ihr Ex-Partner vom Erbe ausgeschlossen ist. Sollte das Dokument nicht mehr auffindbar sein, können Sie sich beim Familiengericht eine weitere Ausfertigung ausstellen lassen. Auch der Scheidungsanwalt, der den Ehepartner möglicherweise vertreten hat, sollte noch eine Ausfertigung in seinen Akten haben.
Was ist, wenn mein Ehepartner verstirbt, bevor der Scheidungsantrag rechtshängig wird?
Angesichts der Voraussetzungen, unter denen die Scheidung das Erbrecht hinfällig macht, kommt es im Lebensalltag durchaus vor, dass ein Ehepartner einen Rechtsanwalt mit der Scheidung beauftragt hat, dann aber verstirbt, bevor der Scheidungsantrag beim Familiengericht rechtshängig wird. Genauso ist denkbar, dass Sie den Scheidungsantrag gestellt haben, Ihr Ehepartner aber verstirbt, bevor er gegenüber dem Familiengericht seine Zustimmung zum Scheidungsantrag erklären konnte. Dann besteht Ihr Erbrecht laut Testament fort. Sie hätten sprichwörtlich Glück im Unglück.
Lässt ein Versöhnungsversuch mein Erbrecht wiederaufleben?
Ihr Erbrecht wird im Regelfall bereits vor Ihrer rechtskräftigen Scheidung unwirksam, wenn Ihr Ehepartner die Scheidung beantragt oder umgekehrt Ihrem Scheidungsantrag zugestimmt hatte. Daran ändert auch nichts, wenn Sie das Scheidungsverfahren ruhen lassen, um in einer Mediation oder Paartherapie herauszufinden, ob Sie Ihre Ehe vielleicht doch noch fortführen wollen.
Das Oberlandesgericht Oldenburg (Az. 3 W 71/18) stellte dazu fest, dass die ursprünglich erklärte Bereitschaft eines Ehegatten zur Durchführung eines Mediationsverfahrens nach seinem Tod seine ursprünglich erklärte Zustimmung zur Scheidung nicht entfallen lasse und damit das Erbrecht ausgeschlossen bleibe. Die überlebende Ehefrau und die Adoptivtochter stritten um das Erbe. Beide hielten sich allein für erbberechtigt. Die Bereitschaft des Mannes, ein Mediationsverfahren durchzuführen, habe jedoch keine Auswirkung auf seine ursprüngliche Zustimmung zur Scheidung. In der Konsequenz erbte die Tochter allein.
Behalte ich nach der Scheidung meinen Unterhaltsanspruch?
Sind Sie geschieden, verlieren Sie zwar nach dem Tod Ihres Ehepartners Ihr Ehegattenerbrecht. Sie behalten aber Ihre Unterhaltsansprüche (§ 1586b BGB). Die bestehende Unterhaltspflicht des Erblassers geht auf die Erben als Nachlassverbindlichkeit über.
Unterhaltsanspruch bleibt bestehen
Ihr verstorbener Ehepartner schuldete Ihnen nach der Scheidung Ehegattenunterhalt, weil Sie infolge einer dauerhaften Erkrankung arbeitsunfähig sind. Die Erben müssen den Unterhaltsanspruch auch weiterhin erfüllen. Voraussetzung ist aber, dass die Voraussetzungen Ihres Unterhaltsanspruchs auch weiterhin fortdauern. Möglicherweise ist Ihre insoweit bestehende Bedürftigkeit durch den Erwerb von Versorgungsansprüchen oder Versicherungsleistungen infolge des Todes Ihres verstorbenen Ehepartners entfallen.
Erbrecht trotz Aufhebung?
Ihr in einem Testament oder in einem Erbvertrag bestimmtes Erbrecht wird gleichfalls unwirksam, wenn Ihr verstorbener Ehepartner zur Zeit seines Todes berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen und den Antrag gestellt hatte. Wegen der Aufhebung einer Ehe kommt es auf einen im Gesetz definierten Aufhebungsgrund an (§ 1314 BGB). Als Beispiel kommt die Scheinehe oder die Heirat unter Zwang in Betracht.
Kein Erbrecht bei aufgelöster Verlobung
Waren Sie lediglich verlobt, entfällt Ihr in einem Testament bestimmtes Erbrecht, wenn das Verlöbnis vor dem Tod Ihres Verlobten aufgelöst wird (§ 2077 Ab. II BGB).