Ist ein gemeinsamer Scheidungsanwalt sinnvoll?
Sie sind sich einig. Sie wollen geschieden werden. Ihr Ehepartner möchte gleichfalls geschieden werden. Sie streiten sich nicht über irgendwelche Scheidungsfolgen oder sind sich wegen Ihrer Rechte oder Pflichten im Hinblick auf Ihre Trennung und Ihre Scheidung vollkommen einig. Juristisch spricht man von einer einvernehmlichen Scheidung. Da das Gesetz vor den Familiengerichten den Anwaltszwang vorschreibt, können Sie Ihren Scheidungsantrag nur über einen Rechtsanwalt beim Familiengericht einreichen.
Dann erscheint es selbstverständlich naheliegend, wenn Sie gemeinsam mit Ihrem Ehepartner zu einem Rechtsanwalt gehen und ihn bitten, Ihre einvernehmliche Scheidung in die Wege zu leiten. Ihr Gedanke dabei könnte sein, dass Sie vermeiden wollen, einen zweiten Rechtsanwalt einzubeziehen. Sie befürchten, dass ein zweiter Anwalt Konflikte erzeugt und Ihre einvernehmliche Scheidung möglicherweise sogar gefährdet. Sie möchten unbedingt eine friedliche Lösung finden und Ihre einvernehmliche Scheidung so einfach wie möglich abwickeln.
Anwälte dürfen keine widerstreitenden Interessen vertreten
Gehen Sie gemeinsam zu einem Rechtsanwalt und wollen sich dort informieren oder gar beraten lassen, riskieren Sie, dass der Anwalt Sie im ungünstigsten Fall beide zurückweist und sich weigert, das Mandat zu übernehmen. Der Anwalt muss Sie nämlich als potentielle Gegner betrachten, auch dann, wenn Sie sich selbst nicht als Gegner fühlen. Anwälte müssen nämlich jeglichen Anschein von Interessenkonflikten vermeiden.
1 oder 2 Anwälte bei einer Scheidung?
Im Regelfall können Sie sich keinen gemeinsamen Anwalt nehmen. Das Gesetz sieht einen gemeinsamen Anwalt nicht vor. Dennoch: Sie können in gewissen Ausnahmefällen einen gemeinsamen Anwalt aufsuchen und sich mit diesem über die Abwicklung Ihres Scheidungsverfahrens informieren und beraten lassen. Insbesondere dann, wenn Sie das Trennungsjahr vollzogen und sämtliche Scheidungsfolgen in einer notariellen Vereinbarung beurkundet haben, dürfte jeglicher Interessengegensatz zwischen Ihnen und Ihrem Ehepartner ausgeschlossen sein. Gegenseitige Ansprüche kommen dann nicht mehr in Betracht.
Ihr Anwalt muss jedoch unmissverständlich klarstellen, dass er nur Sie oder Ihren Ehepartner anwaltlich vertreten darf. Auch wenn Sie gemeinsam vor dem Schreibtisch des Anwalts sitzen, kann nur ein Ehepartner in die Rolle des Mandanten schlüpfen. Nur wenn klar ausgesprochen ist, welcher Ehepartner Mandant des Anwalts wird und welcher Ehepartner nicht Mandant des Anwalts wird, kann der Anwalt für Sie oder Ihren Ehepartner tätig werden
Wie erkenne ich einen kompetenten Anwalt?
Die Wahl der richtigen anwaltlichen Vertretung ist wichtig - worauf sollten Sie bei der Suche also achten? Und wie können Sie den Anwalt wechseln, wenn Sie unzufrieden sind?
Wie verhält sich ein seriöser Anwalt, wenn wir ihn gemeinsam ansprechen oder aufsuchen?
Wenn Sie also mit Ihrem Ehepartner zu einem Rechtsanwalt gehen, darf er Sie allenfalls allgemein über die Abwicklung eines Scheidungsverfahrens informieren. Wenn Sie sich dann nach Maßgabe dieser Informationen zu einer Scheidungsfolgenvereinbarung entschließen, in der Sie alle mit der Scheidung verbundenen Rechte und Pflichten regeln und so Ihre Scheidung einvernehmlich abwickeln, darf der Anwalt ausnahmsweise Ihr Mandat übernehmen und Ihre Scheidung unter Einbeziehung Ihres Ehepartners abwickeln. Allerdings muss der Anwalt dazu bereits zu Anfang des Gesprächs ausdrücklich darauf hinweisen,
- dass er nur einen der Ehepartner anwaltlich beraten darf,
- dass er bei der gemeinsamen Beratung die Interessen eines Ehepartners nicht einseitig vertreten darf,
- dass er Sie nur im Hinblick auf einen Ausgleich Ihrer möglicherweise gegensätzlichen Interessen beraten kann,
- dass er den Scheidungsantrag nur im Namen eines Ehepartners als seinem Mandanten stellen und nur diesen Ehepartner im Scheidungsverfahren und im mündlichen Scheidungstermin vor Gericht vertreten darf und
- dass er dann, wenn die gemeinsame Information nicht zu einer Scheidungsfolgenvereinbarung führt und gegensätzliche Interessen zu Tage treten, das Mandat gegenüber beiden Ehepartnern niederlegen muss und dann keinen der Ehepartner mehr im Scheidungsverfahren vertreten darf.
Warum können wir uns im „Regelfall“ keinen gemeinsamen Anwalt nehmen?
Anwälte sind Interessenvertreter. Sie dürfen lediglich die Interessen einer Partei wahrnehmen. Die Interessenkollision kann sich potenziell daraus ergeben, dass Sie als Ehepartner grundsätzlich unterschiedliche und oft gegenteilige Interessen verfolgen. Auch wenn Sie sich wegen Ihrer Scheidung mit Ihrem Ehepartner einig sind und nicht miteinander streiten, darf Sie der Anwalt nicht so ohne Weiteres beide gemeinsam beraten oder gar vertreten.
Risiko Berufsverbot bei Interessenkonflikt
Anwälte, die beide Parteien beraten, machen sich des Parteiverrats strafbar und riskieren damit ein Berufsverbot (§ 356 StGB). Deshalb können Sie sicher nachvollziehen, dass Anwälte sehr vorsichtig agieren, wenn sie das Risiko sehen, in einen Interessenkonflikt hineingeraten zu können. Werden Sie also mit Ihrem Wunsch, Ihre Scheidung gemeinsam mit Ihrem Ehepartner bei einem Anwalt zu absolvieren, von diesem Anwalt abgewiesen, ist das nicht etwa schlechter Service, sondern eine reine Selbstschutzmaßnahme dieses Anwalts. Außerdem riskiert der Anwalt seinen kompletten Honoraranspruch, wenn er widerstreitende Interessen erkennt und die Beratung beider Ehepartner dennoch fortsetzt (BGH IX ZR 322/12).
Wieso ist mein Ehepartner ein potentieller Gegner?
Auch wenn Sie sich wegen der Abwicklung Ihrer Scheidung einig sind, sind Sie und Ihr Ehepartner dennoch potentielle Gegner. Ihr gegenseitiges Einvernehmen und Ihr friedlicher Umgang miteinander verschleiert genau diese Situation.
Wenn Sie zum Rechtsanwalt gehen, geht es nicht nur darum, dass Sie eine Auskunft darüber erhalten, wie das Gesetz das Scheidungsverfahren regelt. Sie dürfen nicht von der Vorstellung ausgehen, der Anwalt könnte nach Abwägung Ihrer beiderseitigen Interessenlagen den einzig richtigen Rechtsrat erteilen.
Vielmehr ist es so, dass der Anwalt Ihnen erläutert, wie die gesetzlichen Vorschriften auf Ihre Lebenssituation und Ihr Verhältnis als Ehepartner passen. Damit sind zwangsläufig Interpretationen der in diesen Vorschriften enthaltenen Begrifflichkeiten verbunden. Wenn Sie jetzt noch darauf vertrauen, dass dieser Anwalt Ihre Scheidung bestmöglich abwickelt, müssen Sie einkalkulieren, dass die Interessen Ihres Partners in den Hintergrund treten. Damit ist der Partner automatisch Ihr potentieller Gegner.
Nachträglicher Interessenkonflikt
Sie sind sich mit Ihrem Ehepartner wegen Ihrer Scheidung einig. Sie sind sich auch einig, dass Ihr Partner Ihnen wegen Ihrer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nachehelichen Ehegattenunterhalt zahlen soll. Ihr Anwalt wird Sie informieren, dass Sie diesen Lebensunterhalt nur so lange fordern können und der Ehepartner den Lebensunterhalt nur so lange zahlen muss, wie Ihre Lebenssituation den im Gesetz geregelten Unterhaltstatbestand (Unterhalt wegen Krankheit) erfüllt. Aus diesen Gegebenheiten heraus begründet sich automatisch ein Interessenkonflikt.
Wie vermeide ich einen Konfliktfall?
Sie können Ihr Ziel einer einvernehmlichen Scheidung positiv beeinflussen, indem Sie der anwaltlichen Beratung ein Mediationsverfahren vorschalten. Die Mediation ist ein Weg der friedlichen Konfliktlösung. Ein Mediator hat die Aufgabe, auch in einer schwierigen Lebenssituation Lösungswege aufzuzeigen und Konflikte zu neutralisieren. Gelingt es Ihnen im Wege einer Mediation, Ihre Scheidung im Ergebnis als einvernehmliche Scheidung abzuwickeln, schaffen Sie die Voraussetzung, gemeinsam einen Anwalt aufsuchen und mit Ihrer Scheidung beauftragen zu können.
Sind Sie bereit für eine Mediation?
Ob Sie sich schon sicher sind oder noch zögern, es lohnt sich auf jeden Fall, ein Erstgespräch zu führen. Unsere Checkliste hilft Ihnen bei den ersten Schritten.
Kann ich meinen Ehepartner an meinen Anwaltsgebühren beteiligen?
Wenn Sie sich einvernehmlich scheiden lassen, zahlt derjenige Ehepartner, der den Rechtsanwalt beauftragt und über den Anwalt den Scheidungsantrag beim Gericht einreicht, zunächst die Gerichtsgebühren und dann auch die Gebühren für den Rechtsanwalt. Da auch Ihr insoweit anwaltlich nicht vertretener Ehepartner davon profitiert, dass Sie den Scheidungsantrag gestellt haben, erscheint es meist fair, dass er/sie sich an den Kosten des Scheidungsverfahrens beteiligt. Idealerweise teilen Sie sich die Kosten für Gericht und Anwalt. Sie setzen damit Ihrer einvernehmlichen Scheidung sozusagen die Krone auf. Ein Anspruch darauf besteht aber nicht.
Welche Vorteile bietet nur 1 Anwalt bei der Scheidung?
Gelingt es Ihnen, sich im gegenseitigen Einvernehmen mit nur dem Anwalt des antragstellenden Ehepartners scheiden zu lassen, ermöglicht Ihnen das,
- möglichst viele, oft unnötige Gebühren für Gericht und Anwälte zu sparen,
- Ihre Scheidung zwar nicht von heut auf morgen, wohl aber in einem sehr überschaubaren Zeitraum abzuwickeln und
- Ihre Kraft und Energie in den Aufbau Ihrer neuen Lebensperspektiven zu investieren.
Online-Scheidung wählen
Ihre einvernehmliche Scheidung fördert auch die Situation, dass Sie Ihren Scheidungsantrag online in die Wege leiten können. Die Online-Scheidung hat den Vorteil, dass Sie keinen Rechtsanwalt mehr selbst recherchieren und vor Ort aufsuchen müssen. Sie kommunizieren nach Bedarf ausschließlich oder weitgehend online und brauchen dann bestenfalls noch im mündlichen Scheidungstermin persönlich in Erscheinung zu treten.
Wenn Sie sich einvernehmlich scheiden lassen und auf Streitigkeiten verzichten, könnten Sie einen Vorteil auch darin sehen, dass Sie Ihrem Ex-Ehepartner auch künftig zumindest in vielleicht freundschaftlicher Art und Weise verbunden bleiben. Sie wissen nie, ob und inwieweit Sie künftig möglicherweise aufeinander angewiesen sein werden. Geht es um die Erziehung Ihres gemeinsamen Kindes, sollten Sie Ihren Ex auch nach der Scheidung als Partner betrachten. Bedenken Sie, dass geteilte Verantwortung Entlastung mit sich bringt, die Sie in Ihrer Lebenssituation vielleicht gut gebrauchen können.