Verfahrenskosten- und Prozesskostenhilfe, wenn man eine Eigentumswohnung hat
Haben Sie selbst nur wenig Geld oder verdienen Sie kaum Geld, haben Sie wahrscheinlich Anspruch auf staatliche Verfahrenskosten- oder Prozesskostenhilfe. Sie können zusammen mit einem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskosten- oder Prozesskostenhilfe Ihren Scheidungsantrag beim Familiengericht einreichen. Wird Ihnen vom Familiengericht Verfahrenskostenhilfe bewilligt, übernimmt der Staat die Gebühren für die Gerichtskasse und Ihren Rechtsanwalt.
Scheidung ist kein Prozess, sondern ein Verfahren
Führen Sie ein familienrechtliches Verfahren, spricht das Gesetz von Verfahrenskostenhilfe. Auch Ihre Scheidung ist ein solches Verfahren. Die Bezeichnung "Prozesskostenhilfe" bedeutet inhaltlich das Gleiche und betrifft Verfahren, die vor Gericht als Prozesse geführt werden (z.B. Mietprozess, Schadensersatzprozess). Mit der Bezeichnung Verfahrenskostenhilfe will der Gesetzgeber verdeutlichen, dass Sie und Ihr Ehepartner sich vor dem Familienrichter nicht als Prozessparteien gegenüberstehen. Vielmehr sind Sie "Verfahrensbeteiligte", die das Ziel haben, ihre Ehe scheiden zu lassen und nicht unbedingt die Absicht haben, sich vor dem Gericht streitig auseinanderzusetzen. Demzufolge heißen Sie im Scheidungsverfahren auch nicht Kläger und Beklagte, sondern Antragsteller und Antragsgegner. Der Richter scheidet Ihre Ehe auch nicht durch ein Urteil, sondern durch einen Beschluss.
Sie dürfen Ihren Immobilienbesitz nicht verheimlichen
Möchten Sie für Ihr Scheidungsverfahren Verfahrenskostenhilfe beantragen, müssen Sie das amtliche Formular „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe“ benutzen und mit Ihren persönlichen Angaben versehen. In dem Formular werden Sie unter dem Buchstaben "G" befragt, ob Sie Eigentümer einer Immobilie sind. Haben Sie Immobilienbesitz, müssen Sie Größe, Anschrift oder die Bezeichnung im Grundbuch angeben sowie mitteilen, ob Sie alleiniger Eigentümer oder Miteigentümer sind und wie viele Wohneinheiten es im Haus gibt. Sie sollten auch Angaben zum Verkehrswert Ihrer Immobilie machen. Wichtig ist, dass Sie Ihre Angaben vollständig machen und nichts verschweigen.
Wann müssen Sie Ihre Immobilie verkaufen oder beleihen?
Anspruch auf Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe haben Sie nur, wenn Sie nach Ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht imstande sind, die Kosten des Scheidungsverfahrens aufzubringen, bzw. nur zum Teil oder nur in Raten. Insofern ist es Ihnen wirtschaftlich zuzumuten, eventuell vorhandene Vermögenswerte vorab für Ihr Scheidungsverfahren zu verwenden. Wohnen Sie im eigenen Haus, kommt es darauf an, ob Sie Ihr Haus verkaufen oder beleihen müssen.
Diese Frage wird vornehmlich dann relevant, wenn Ihre Wohnfläche so groß ist, dass es Ihnen zuzumuten ist,
- die unangemessen große Wohnung zu verkaufen und eine kleinere Wohnung zu kaufen
- oder auch in eine Mietwohnung umzuziehen.
Die Voraussetzung, unter denen es Ihnen zuzumuten ist, Ihre Immobilie zu verkaufen oder zu beleihen, hat die Rechtsprechung in einer Reihe gerichtlicher Entscheidungen herausgearbeitet. Das Gesetz selbst macht zwar auch Vorgaben. Diese sind für sich allein noch keine hinreichende Beurteilungsgrundlage, da die Umstände im Einzelfall immer zusätzlich berücksichtigt werden müssen.
Was steht im Gesetz, wann Sie Ihre Immobilie verkaufen oder beleihen müssen?
Beantragen Sie für Ihre Scheidung Verfahrenskostenhilfe, finden Sie in der Vorschrift des SGB XII § 90 Abs. II Nr. 8 erste Orientierungshilfen. Dort wird definiert, welche Vermögenswerte der Bürger bzw. die Bürgerin für seine Lebenshaltung verwenden muss, bevor er Sozialhilfe bewilligt bekommt. Diese Grundsätze werden auch herangezogen, wenn Sie Verfahrenskostenhilfe für einen Rechtsstreit oder eben Ihre Scheidung beantragen wollen. Geht es um Immobilien, darf die Bewilligung der Sozialhilfe und damit auch die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht davon abhängig gemacht werden, dass Sie ein "angemessenes kleines Hausgrundstück" selbst bewohnen. Ob Ihr Haus oder Ihre Wohnung angemessen ist, bestimmt sich nach folgenden Kriterien:
- Zahl der Bewohner
- Ihr Wohnbedarf allgemein
- Ihr Wohnbedarf, wenn Sie behindert, blind oder pflegebedürftig sind
- Grundstücksgröße
- Wohnungsgröße
- Zuschnitt und Ausstattung des Wohngebäudes
- Verkehrswert des Grundstücks
- Verkehrswert des Wohngebäudes
Wann kann ich Verfahrenskostenhilfe erhalten?
Verfahrenskostenhilfe ist eine staatliche Finanzierungshilfe, die Sie beantragen können, wenn Sie das Verfahren nicht selber finanzieren können.
Diese Kriterien lassen sich wie folgt konkretisieren:
Ausgezogener Ehepartner zählt noch als Bewohner
Ist Ihr Ehepartner aus der ehelichen Wohnung ausgezogen, zählt er oder sie bei der Berechnung der Wohnfläche trotzdem noch als Mitbewohner. Ist Ihre Wohnfläche größer als es eigentlich angemessen wäre, schaden abweichende Größenverhältnisse nicht, wenn die Wohnfläche aufgrund nachweisbarer Anforderungen der Baubehörde größer ist oder sich die Wohnfläche aufgrund der Raumaufteilung zwingend ergeben hat.
Sind Sie also Eigentümer eines kleinen Hausgrundstücks, brauchen Sie im Regelfall nicht zu befürchten, dass Sie die Immobilie verkaufen oder beleihen müssen, wenn Sie Verfahrenskostenhilfe beantragen. Selbst wenn Ihr Objekt zahlenmäßig nicht unter die Regelung des kleinen Hausgrundstücks fällt, muss Ihnen die Verwertung immer noch zuzumuten sein. Lässt sich das Haus in der augenblicklichen Situation nicht vermieten, nicht verkaufen und auch nicht beleihen, brauchen Sie es normalerweise nicht zu verwerten. Ist das Haus bereits mit einer Grundschuld belastet, muss der Verkehrswert die Belastung so weit übersteigen, dass eine Beleihung überhaupt in Betracht kommt und Sie über die notwendige Bonität verfügen, um ein Bankdarlehen zu erhalten.
Schonvermögen kann eine Rolle spielen, was noch?
Ansatzpunkt ist stets, ob Ihnen im Hinblick auf Ihre individuellen Gegebenheiten die Verwertung Ihres Immobilienbesitzes überhaupt möglich ist. Inwieweit Ihnen die Verwertung auch zuzumuten ist, hängt von den Umständen im Einzelfall an. Zentral ist also immer die Frage, ob die Verwertung möglich ist und ob sie zumutbar ist. Oft ist die Rede vom sogenannten Schonvermögen. Schonvermögen sind Vermögenswerte, die Sie nicht zur Finanzierung von gerichtlichen Rechtsstreitigkeiten verwenden müssen. Ihr Vermögen wird also geschont. Sie dürfen diesen Vermögenswert für sich behalten und brauchen ihn nicht zu verkaufen.
1.000 EUR Einkommen, Haus mit Hypothek : VKH bewilligt
Sind Sie Eigentümer eines Einfamilienhauses, sind Sie nicht verpflichtet, das Haus zu verkaufen, wenn Sie eine Wohnung selbst bewohnen und die andere Wohnung vermietet haben (OLG Hamm, Beschluss vom 17.12.2015, 2 WF 156/15). Im Fall des OLG Hamm war das Haus mit 100.000 EUR Hypotheken belastet. Der Eigentümer bestritt aus den Mieteinnahmen in Höhe von etwa 1.000 EUR seinen Lebensunterhalt und war ansonsten nur in geringem Umfang selbstständig tätig. Das Amtsgericht wies seinen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zurück. Er wollte damit die Scheidungskosten finanzieren. Das Wohnhaus sei kein Schonvermögen. Er müsse das Haus verkaufen oder, da der Verkehrswert die Höhe der Hypotheken übersteige, das Haus bei einer Bank beleihen. Der Mann erhob gegen den Beschluss des Amtsgerichts Beschwerde.
Das OLG Hamm gab ihm Recht und bewilligte ihm Verfahrenskostenhilfe, die er in Raten zurückzahlen musste. Zwar sei er verpflichtet, das Haus für die Finanzierung der Scheidungskosten einzusetzen, aber nur insoweit, als dieses möglich und zumutbar sei. Dies gelte auch für Vermögenswerte, die wie das Haus zwar nicht als Schonvermögen gelten, bei denen eine Verwertung aber schlecht möglich und ein Verkauf nicht zuzumuten sei.
Zur Begründung wies das OLG Hamm darauf hin, dass die Ehefrau noch als Miteigentümerin im Grundbuch eingetragen und aller Wahrscheinlichkeit nach einem Verkauf des Hauses nicht zustimmen würde, zumal sie damit die Scheidungskosten ihres Gatten mitfinanzieren würde.
Vor allem aber sei es dem Mann nicht zuzumuten, das Haus zu verkaufen. Da er das Haus selbst nutze und aus den Mieteinnahmen seinen Lebensunterhalt bestreite, würde er durch den Verkauf seine Lebensgrundlage verlieren. Auch komme die Beleihung durch Aufnahme eines Bankdarlehens nicht in Betracht. Da der Mann nur über ein geringes Einkommen verfüge, besitze er nicht die notwendige Bonität, um bei der Bank ein Darlehen zu beantragen. Selbst wenn er ein Darlehen bekäme, könnte er aufgrund seines Einkommens die Darlehensraten nicht zurückzahlen.
Sind Sie Eigentümer eines vollständig vermieteten Objekts, müssen Sie das Objekt im Regelfall verkaufen, wenn Sie damit die Verfahrenskosten für Ihre Scheidung bezahlen können. Auch hier kann sich die Frage stellen, ob ein Verkauf möglich und zumutbar ist.
Hat das Haus beispielsweise einen hohen baulichen Unterhaltungsstau oder sind die Verkaufsaussichten aufgrund von Angebot und Nachfrage vor Ort so schlecht, dass Sie das Haus nicht zum eigentlichen Verkehrswert verkaufen können, dürfte es Ihnen kaum zuzumuten sein, ausgerechnet jetzt das Haus verkaufen zu müssen. Da Sie auch die Option einer Beleihung prüfen müssen, ist Voraussetzung, dass Sie über die notwendige Bonität verfügen, um bei der Bank überhaupt Chancen auf die Bewilligung eines Darlehens zu haben.
Berücksichtigen Sie zudem, dass die vereinnahmten Mieten als Einkommen einzubeziehen sind. Sofern Ihnen die Mieten zur freien Verfügung stehen, müssen Sie diese grundsätzlich für Ihre Scheidung verwenden. Die Mieteinnahmen stehen aber dann nicht zur Verfügung, wenn Sie damit den Kapitaldienst für die Finanzierung des Objekts bedienen müssen.
Frau und Tochter mit DHH von 100m²: VKH verwehrt
Bewohnen Sie ein unangemessen großes Haus, müssen Sie das Haus zur Finanzierung Ihrer Scheidungskosten einsetzen. In einem Fall des OLG Hamm (Beschluss vom 10.7.2014, 9 W 34/14) bewohnte eine Frau gemeinsam mit der Tochter eine Doppelhaushälfte (DDH) mit einer Wohnfläche von 100 m². Sie war Miteigentümerin. Das Haus war nicht mit Hypotheken belastet. Die beantragte Verfahrenskostenhilfe wurde der Frau verweigert, da das Haus ihren angemessenen Wohnbedarf übersteige. Das Gericht beurteilte die Frage, welche Wohnungsgröße angemessen sei, nach den Vorschriften über die soziale Wohnraumförderung. Für das Land Nordrhein-Westfalen war insoweit festzustellen, dass
- eine Wohnungsgröße von in der Regel 50 m² für eine alleinstehende Person und
- für einen Haushalt mit zwei Personen zwei Wohnräume oder 65 m² Wohnfläche angemessen sei. Für jede weitere zum Haushalt gehörende Person erhöhe sich der Wohnbedarf um einen weiteren Raum oder um weitere 50 m² Wohnfläche. Wird die Wohnfläche um bis zu 5 m² überschritten, sei dies noch akzeptabel.
Für die Frau und ihre Tochter errechnete das OLG Hamm eine angemessene Wohnfläche von bis zu 70 m². Die von ihr bewohnte Doppelhaushälfte mit 100 m² Wohnfläche sei insoweit nicht mehr angemessen. Die Frau müsse ein Darlehen aufnehmen, um die Verfahrenskosten für ihre Scheidung zu finanzieren oder die ohnehin unbelastete Immobilie bei der Bank beleihen. Ob ihre Bonität dafür ausreichte, wurde im Verfahren wohl nicht thematisiert.
Wann kann ich Verfahrenskostenhilfe erhalten?
Verfahrenskostenhilfe ist eine staatliche Finanzierungshilfe, die Sie beantragen können, wenn Sie das Verfahren nicht selber finanzieren können.
Wann erhalten Sie überhaupt Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe?
Ihre Aussichten, Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bewilligt zu bekommen, sind gut, wenn:
- Sie aufgrund Ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage sind, die Kosten Ihres Scheidungsverfahrens zu finanzieren, oder nur zum Teil oder nur in Raten und
- die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es unter anderem, wenn Sie Ihren Scheidungsantrag vor Ablauf des Trennungsjahres bei Gericht einreichen und keinen Härtefall begründen können.
- Sie keine verwertbaren Vermögenswerte besitzen (Orientierungshilfe siehe SGB II).
- Sie keine Möglichkeit haben, von Ihrem Ehepartner einen Prozess- oder Verfahrenskostenvorschuss einzufordern. Trotz Ihrer Scheidung ist Ihr Ehepartner verpflichtet, Ihnen die Verfahrenskosten auch für Ihre Scheidung als Vorschuss zu gewähren. Dies gebietet die auch nach der Trennung fortbestehende eheliche Solidarität. Voraussetzung dazu ist, dass der Ehepartner finanziell leistungsfähig ist.
Rechtsschutzversicherung erstattet Kosten für Scheidung (3 Jahre Wartezeit)
Wenige Rechtsschutzversicherungen übernehmen die Gebühren für die anwaltliche Erstberatung bis einem Betrag von etwa 250 EUR. Die Verfahrensgebühren für Ihre Scheidung sind in der Regel nicht rechtsschutzversichert. Sie können jedoch nachgucken, ob es bei Ihrer Rechtsschutzversicherung eine spezifische Klausel dafür gibt.