Sie windet sich unter Schmerzen und bittet um Gnade, als ihr nur mit Damenstrümpfen bekleideter Mann versucht, sie aus Angst vor einer Scheidung mit Stromstößen umzubringen. Erst als sie beteuert, ihren Mann nicht verlassen zu wollen, bricht er den Mordversuch ab. Was ein 42-jähriger IT-Spezialist, der nun vor dem Hamburger Landgericht steht, seiner schlafenden Frau Ende Februar angetan hat, war nur ein besonders absurdes Beispiel für das keinesfalls seltene Phänomen ehelicher Gewalt.
Die vielen Gesichter häuslicher Gewalt
Nicht immer muss Gewalt in Paarbeziehungen derart offensichtlich und krass sein, auch wenn sie immer eine große Quelle für Leid ist. Die Website www.gewaltschutz.info vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend listet sieben Formen häuslicher Gewalt auf. Neben körperlicher und sexueller Misshandlung gehören hierzu auch psychische Gewalttaten wie Beschimpfungen, Demütigung, Bedrohung, Isolierung oder ökonomische Gewalt (finanzielle Kontrolle durch den Ehepartner).
All diesen Formen ist aber gemein, dass sie benutzt werden, um Macht und Kontrolle über den Partner zu erlangen. Dabei herrscht meist ein Ungleichgewicht: Der dominante Partner unterdrückt und quält den schwächeren.
Ob Gewalt aber nun physisch oder psychisch daher kommt – in beiden Fällen ist damit nicht zu spaßen. Das Erleben von Gewalt – umso mehr durch die Hand von geliebten Personen – kann das eigene Selbstbewusstsein oder sogar die Seele schwer schädigen.
Eheliche Gewalttäter schieben die eigene Schuld oft auf andere Faktoren wie Alkohol, eine schlimme Kindheit, beruflichen Stress oder im schlimmsten Fall sogar noch auf das Opfer. Leider stimmt ihm dieses oft genug in dieser krassen Fehleinschätzung zu und belastet sich selbst mit Vorwürfen, anstatt die Verantwortlichkeit beim Täter zu suchen.
Wenn der Täter dann sieht und realisiert, was er angerichtet hat, zeigt er oft – nicht zuletzt aus Angst vor einer drohenden Trennung - Reue, die das Opfer aber nur selten vor neuen Übergriffen schützt. Nach vielen Besserungsschwüren und Entschuldigungen ist man schnell wieder am Ausgangspunkt angekommen. Lässt die Frau sich nicht erweichen und droht mit Scheidung, werden auch gerne Druckmittel eingesetzt. Von weiterer Gewalt, über Geld, bis hin zur Erzeugung eines schlechten Gewissens.
In solchen Fällen ist auch der Spruch „Das Kind braucht einen Vater“ sehr beliebt. Aber dieses scheinbar starke Argument ist bei gewalttätigen Männern nichtig. Einen Vater, der seine Frau terrorisiert, den braucht niemand.
Wer Opfer von ehelicher Gewalt wurde, sollte sich nicht von halbherzigen Versöhnungsangeboten einlullen lassen. Nur wer eine längerfristige Therapie beginnt, hat in der Regel die Chance, von seiner Gewaltbereitschaft loszukommen. Opfer sind nicht immer Frauen. Aber meistens.
Das Vorkommen ehelicher Gewalt ist unabhängig von Faktoren wie Bildung, Einkommen, Geschlecht oder dem Alter. Trotzdem sind körperlich benachteiligte Personen wie alte Menschen oder Menschen mit Behinderungen allein aufgrund ihrer geringeren Körperkraft oder sogar Hilflosigkeit besonders gefährdet.
Quer durch alle Altersklassen zeichnet sich aber eine Tendenz mehr als deutlich ab: Die Opfer schwerer häuslicher Gewalt sind meistens Frauen. Laut einer Studie hat rund jede 4. Frau körperliche oder sexuelle Gewalt durch den Partner bereits ein- oder mehrmalig erleben müssen. Außerdem sind nach einer Statistik des BKA für das Jahr 2011, 49,2 Prozent aller getöteten Frauen ein Opfer ihres Partners. Bei diesen Statistiken muss man aber berücksichtigen, dass viele Opfer aus Scham schweigen.
Einem besonderen Risiko sind anscheinend erfolgreiche Frauen ausgesetzt. Wahrscheinlich, weil sie ein Minderwertigkeitsgefühl bei Ihrem nicht so erfolgreichen Partner auslösen.
Gewalt zwischen Partnern wird aber nicht nur von Männern an Frauen verübt. Auch in homosexuellen Beziehungen kommt es zu gewalttätigen Vorfällen. Und so seltsam es manchem scheinen mag – auch Männer werden manchmal von ihrer Partnerin misshandelt.
In Deutschland waren bei Tötungsdelikten immerhin 6,9% der ermordeten Männer ein Opfer ihrer Partnerin. Laut dem Gewaltbericht des österreichischen Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen von 2002 herrscht bei weniger schweren Formen häuslicher Gewalt sogar eine ungefähre Gleichverteilung hinsichtlich der Geschlechter. Wenn Frauen gegen ihre Männer gewalttätig werden, benutzen sie meistens Waffen, um ihre geringere körperliche Kraft auszugleichen.
Bei schweren Gewalttaten sind männliche Opfer zwar stark unterrepräsentiert, aber dafür haben Männer oft ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn sie ihre Misshandlungen zur Anzeige bringen.
So schwer die Beherrschung hier auch fällt und so verständlich der Wunsch nach Vergeltung ist; Gegengewalt, die über Selbstverteidigung hinausgeht, sollte nur im äußersten Notfall angewendet werden. Besser sind juristische Methoden, die den Täter zwingen fern zu bleiben.
Gerade zur Vorbereitung einer Anklage kann auch räumliche Distanz sehr hilfreich sein. Weibliche Opfer können den Schutz von Frauenhäusern in Anspruch nehmen, von denen es in den meisten Städten eins oder auch mehrere gibt. Hier können sie sich frei von Druck und Drohungen Gedanken über weitere Schritte machen. Auch für Männer gibt es inzwischen erste Männerhäuser, in denen Frauen keinen Zutritt haben, wie zum Beispiel in Oldenburg, Berlin oder dem brandenburgischen Ketzin.
Um sich rechtlich zur Wehr zu setzen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Aufgrund des seit 2002 gültigen Gewaltschutzgesetzes kann gegen den Täter beispielsweise ein Annäherungsverbot, ein Aufenthaltsverbot oder sogar beides erlassen werden.
Doch als Gewaltopfer muss man nicht unbedingt ein langwieriges Gerichtsverfahren abwarten, um vor dem gewalttätigen (Ex-)Partner sicher zu sein. Die Polizei kann auch schon im Vorfeld ein Kontaktverbot gegen den Täter aussprechen, um das Opfer zu schützen, bis es gerichtliche Schritte einleiten kann.
Wir wünschen allen Opfern viel Kraft und Lebensmut. Und allen Anderen die Weisheit, eheliche Konflikte friedlich auszutragen. So viel Liebe muss sein!