Mid-Life Crisis. Sugar-Daddy. Mutterkomplex. Toyboy. Die Stichworte, die bei Beziehungen oder Ehen mit großem Altersunterschied fallen, sind vielfältig und nur selten schmeichelhaft. Besonders Frauen ernten eher Kopfschütteln als Neid, wenn sie sich einen Mann an ihre Seite holen, der 10, 20 oder sogar 30 Jahre jünger als sie selbst ist. Solch ein Verhalten ist auch eher ein Armutszeugnis für die Lästermäuler als für die Liebenden. Und dennoch können die Jahrzehnte auch abseits von Klatsch und Tratsch ein großes Liebeshindernis sein.
Ein Flirt zwischen zwei Welten
Auch wenn böse Zungen gerne anderes behaupten. Wenn junge Menschen sich einen älteren Partner suchen, spielt in den seltensten Fällen blanke Geldgier oder ein krankhaft verkorkstes Verhältnis zu Mutter- oder Vaterfiguren eine Rolle. Die realen Gründe sind viel nachvollziehbarer. So kann ein reifer Mensch oft mit Lebenserfahrung und Selbstsicherheit und mit einer entsprechenden Ausstrahlung punkten. Ja, er hat sogar etwas Geheimnisvolles an sich. Und eine weit entwickelte und ausgebaute Gefühls- und Gedankenwelt, in die man gerne eintauchen möchte. Außerdem verspricht ein reifer Mensch Halt und Geborgenheit und er kann auch ein Rückhalt in schwierigen Zeiten sein. Gerade bei Themen, mit denen man als jüngerer Mensch noch keine oder wenig Erfahrung sammeln konnte. Anderen sind gleichaltrige Partner auch ganz einfach zu unreif, wenn sie geistig selber schon sehr weit sind oder für ihr Alter ungewöhnlich viel erlebt haben. Und sicher gibt es dann noch jene, die stolz darauf sind, einen so reifen und – entsprechend anspruchsvolleren – Menschen für sich gewonnen zu haben.
Wer sich hingegen einen jüngeren Mann oder eine jüngere Frau fürs Leben holt, ist oft von Eigenschaften wie Jugend, Tatendrang, Energie oder sexueller Potenz und Experimentierfreudigkeit fasziniert. Auch die äußerliche Schönheit spielt mitunter eine Rolle. Und es ist auch ein schönes Gefühl, von einem jüngeren Menschen bewundert zu werden und seine Aufmerksamkeit, ja sogar seine ganze Liebe zu erfahren. Wen das nicht beflügeln würde, der müsste einen Stein in seiner Brust haben. Hinzu kommt die Chance, aus seinem eigenen „Alterskosmos“ zu fliehen und wieder die Möglichkeiten und das Lebensgefühl der Jugend zu fühlen. Das kann weitaus besser sein als die Beziehung mit einem gleichaltrigen Menschen, der vielleicht nicht mehr besonders aktiv oder gar langweilig oder unflexibel ist. Gerade wer selber geistig und seelisch jung geblieben ist, möchte natürlich auch gerne einen entsprechenden Partner.
Doch nicht immer kann man eine solche Verbindung – wie jede andere Ehe auch – mit rationalen Argumenten begründen. Manchmal ist es eben einfach Liebe. Und die schert sich nicht unbedingt darum, wie alt man selbst oder der Partner gerade ist.
Warum es eigentlich nicht gut gehen kann...
So groß die Liebe aber auch sein mag. Ganz ohne Schwierigkeiten ist eine Beziehung mit großem Altersunterschied nicht. Wenn die erste Welle an Schmetterlingen im Bauch Ruhe gibt und der anfängliche Reiz abklingt, fangen meist die Probleme an. Spätestens aber nach fünf bis zehn Jahren kommen die meisten dieser Ehen in eine kritische Phase. Nur wer sich wirklich gut versteht und viel Fingerspitzengefühl beweist, wird dann seine Ehe retten können. Denn Herausforderungen gibt es viele.
Gerade wenn der Altersunterschied deutlich mehr als zehn Jahre beträgt, befinden sich die Partner oft in völlig unterschiedlichen Entwicklungsphasen. Student und Berufstätiger. Berufstätiger und aktiver Rentner, aktiver Rentner und Pflegefall. Gerade wenn viele Jahre zwischen zwei Eheleuten liegen, werden sie nur wenige Lebensphasen gemeinsam durchleben. Und jede Lebensphase bringt ganz andere Anforderungen, Erlebnisse, Geisteshaltungen und vor allem auch unterschiedlich viel Freizeit mit sich. So kann es schnell passieren, dass ein Partner sich vernachlässigt fühlt. Und auch die Wünsche in der Freizeitgestaltung können weit auseinanderdriften. Wo der junge Mensch in die Disco gehen, Konzerte besuchen, mit Freunden um die Häuser ziehen oder vielleicht mit seiner Rockband durchstarten möchte, hat der ältere – vor allem nach einem langen und harten Arbeitstag – vielleicht ganz andere Interessen und nicht so viel Bedarf nach Action. Das muss natürlich auch nicht so sein. Es gibt Menschen in jeder Altersklasse, die die Disco besuchen, Freunde treffen oder am Nachtleben teilnehmen. Aber so mancher hat in dieser Hinsicht in seiner Jugend schon genügend erlebt und setzt nun andere Prioritäten.
In jedem Fall stammt man aus unterschiedlichen Generationen und hatte völlig verschiedene Erlebnisse in der Kindheit, womöglich gänzlich andere Moralvorstellungen, Werte und Ansichten und hat eine unterschiedliche geistige, körperliche und emotionale Entwicklung hinter sich. Auch in puncto Musikgeschmack ist es unwahrscheinlicher, dass man auf einen gemeinsamen Nenner kommen wird.
Darüber hinaus ist es schwer, das Gleichgewicht zwischen den Partnern zu halten. Oft ist einer von beiden in der schwächeren Position. Eine Gefahr ist, dass der Ältere versucht, den Jüngeren zu „erziehen“ und ihn mit seinen Erfahrungen zu leiten und ihn dabei nicht wie eine erwachsene und eigenständige Person behandelt. Im anderen Extrem ordnete sich der Ältere bewusst unter, weil er den Jüngeren nicht verlieren will. In beiden Fällen entsteht eine ungesunde Abhängigkeit.
Auch das Thema Familienplanung kann konfliktreich sein. Vielleicht möchte der jüngere Mann nun Vater werden und seine ältere Partnerin möchte oder kann nicht mehr schwanger werden. Wer dann seinen Kinderwunsch nur aus Liebe unterdrückt, tut sich damit keinen Gefallen. Bekommt man dennoch Kinder, kann sich der ältere Elternteil von dem damit einhergehenden Stress überfordert fühlen. Oder aber es werden Kinder aus einer früheren Beziehung in die Ehe gebracht, die ebenfalls in die neue Familie integriert werden wollen und die sich vielleicht über ihren jungen Papa oder ihre junge Mutter wundern, die oftmals nicht viel älter sind als sie selbst.
Und auch die körperlichen Faktoren müssen bedacht werden. Zwar leben wir heute alle länger und oft auch gesünder als früher. Aber irgendwann macht sich das Alter bemerkbar, und wenn dann ein Partner noch fit und der andere krank und schwach ist, findet sich der jüngere Ehepartner schnell in der Rolle des Pflegers wieder. Eine Rolle, von der nur wenige träumen und die viele überfordert. Ein anderes Problem ist die viel größere Wahrscheinlichkeit, sein Leben noch jahrelang als Witwer oder Witwe zu verbringen. Und auch schon weit vorher können nachlassende Attraktivität und drohende Impotenz zum Thema werden. Mit der Folge, dass der jüngere Mensch frustriert ist und dass den Älteren massive Verlassensängste plagen.
Außerdem kann auch das Umfeld wenig begeistert reagieren. Freunde ziehen sich vielleicht zurück, weil sie Probleme mit dem älteren (oder auch viel jüngeren) Partner haben und die Familie reagiert kopfschüttelnd. Natürlich sollte man sein Lebensglück nicht von Lästereien und Intoleranz abhängig machen, aber man sollte auf solche Reaktionen vorbereitet sein.
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Video:
Wenn die Ehe ins Straucheln gerät
...und warum es vielleicht doch gut geht
Soviel zur Vernunft und zu den mahnenden Stimmen. Aber letztlich ist ja nichts im Leben ohne Risiken und wer sich wirklich für seine Liebe einsetzt, der kann auch die Jahre überwinden.
Immerhin wird der Altersunterschied nicht mehr als so extrem empfunden, wenn beide älter sind. Zwischen einem 38- und 58-Jährigen ist kein so großer Unterschied wie zwischen einem 24- und 44-Jährigen.
Damit aber eine solche Ehe glücken kann, braucht es viel Akzeptanz und Realismus. Man muss täglich daran arbeiten, die Gleichberechtigung in der Ehe aufrechtzuerhalten. Und es werden viele Kompromisse nötig sein. Man muss sich über die Risiken der Zukunft im Klaren sein, ohne sich davon die Gegenwart versauen zu lassen.
Wenn man aber viele Interessen teilt, den anderen nimmt, wie er ist, die Liebe groß ist und man sich auch sexuell bestens versteht, kann man durchaus eine sehr glückliche Beziehung oder Ehe miteinander führen und sogar von der Erfahrung beziehungsweise den neuen Impulsen des Liebsten profitieren. Ein junger Mann oder eine junge Frau ist ein fantastischer Ansporn, sich geistig und körperlich fit und jung zu halten.
Und natürlich hilft es, wenn Freunde und Familie zu einem stehen. Wer dieses Glück aber nicht hat und sich seiner Liebe sicher ist, sollte einfach weiter küssen und die schiefen Blicke ignorieren. Vielleicht ist es ja auch nur Neid.
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