Wie empfinden Kinder Zeit?

Verstehen, wie ein Kind Besuche und Umgang zeitlich einordnet

Familie Verabschiedung iurFRIEND® AG

Samstag, 01.06.2024 , geschrieben von iurFRIEND-Redaktion

Ein Kind hat ein eigenes Zeitempfinden, auch wenn es vielleicht noch nicht versteht, wann und warum etwas geschieht. Entwickelt ein Kind aber ein Bedürfnis, dass etwas geschieht, entwickelt es eine Vorstellung davon, was Zeit ist. Geht es darum, wie oft und in welchen Abständen ein Kind Umgang mit dem Elternteil haben sollte, gibt es zwar keine klar definierten Empfehlungen. Um den Umgang für alle Beteiligten zufriedenstellend zu gestalten, ist es dennoch ist wichtig zu wissen, wie ein Kind Zeit wahrnimmt und wie Sie als Elternteile den Umgang konstruktiv gestalten. Sollten Sie sich noch in der Trennungsphase befinden, hilft Ihnen im Allgemeinen übrigens unser Gratis-InfoPaket Scheidung weiter. Dieses können Sie hier anfordern, ohne dass viel Zeit vergeht – nur ein paar Sekunden!

Ab wann haben Kinder ein Zeitgefühl?

Dass Zeit vergänglich ist, verstehen mehr oder weniger bewusst auch Kinder. 

  • Bevor das Kind schlafen ging, war „gestern“ 
  • „heute“ ist, was jetzt ist 
  • und „morgen“ ist, wenn das Kind nach dem Schlaf wieder erwacht. 

Trotzdem dürfte es für ein Kind schwierig sein, einzuschätzen, wann genau gestern war, was und warum heute ist und was morgen sein wird. Zeit ist ein abstraktes und theoretisches Konstrukt. Zeit entsteht auch aus dem Bedürfnis heraus, ein Ereignis in seinem Verlauf einzuordnen, und das eigene Verhalten danach auszurichten. Hat ein Kind Hunger, wird es aus diesem Bedürfnis heraus eine Vorstellung haben, dass die letzte Mahlzeit vergangen ist und es jetzt wieder gefüttert werden möchte. Das Kind wird aber erst ab einem gewissen Alter in der Lage sein, dieses Bedürfnis als Zeit zu definieren.

 

Ein klar definiertes Zeitgefühl hat ein Kind wohl frühestens dann, wenn es eine Orientierung besitzt darüber, was es getan hat, gerade tut oder tun möchte. Insoweit dürfte anzunehmen sein, dass ein Kind eine Art innere Uhr hat, auf der es ablesen kann, was war und was ist. Ein erstes Bewusstsein für das, was Zeit ist, bekommen Kinder etwa ab dem fünften Lebensjahr. Sie lernen Zeit zudem besser zu verstehen und bewusst zu erfassen, wenn sie die Uhr lernen. Mit der Uhr lässt sich Zeit messen und optisch ablesen.

 

Genauso lässt sich annehmen, dass ein Kind Zeit empfindet, wenn es darauf wartet, dass der Umgang mit dem Elternteil wieder stattfindet. Zeit ergibt sich aus der Erinnerung. Je länger der letzte Umgang zurückliegt, desto stärker wird das am Umgang mit dem Elternteil interessierte Kind den Wunsch verspüren, den Elternteil zu sehen und an dessen Leben teilzuhaben. Je stärker der Wunsch wird, desto stärker wird die Sehnsucht, dass der Umgang stattfindet. 

 

Umgekehrt könnte es genauso sein. Empfindet das Kind den Umgang als unangenehm, könnte es vom Zeitgefühl den Eindruck haben, der letzte Umgang habe gerade erst stattgefunden und es bestehe kein Bedürfnis, jetzt schon wieder zum Umgang bereit sein zu müssen. Die Sehnsucht nach oder gegen den Umgang könnte insoweit als Zeitmesser verstanden werden.

GUT ZU WISSEN

Wie hat man angefangen, Zeit zu definieren?

Wird Zeit physikalisch definiert, beschreibt Zeit die Abfolge von Ereignissen und hat eine eindeutige Richtung nach vorne. Aus philosophischer Perspektive beschreibt die Zeit das Fortschreiten der Gegenwart, von der Vergangenheit kommend und zur Zukunft hinführend. Um die Zeit zu messen, werden Zeiträume (deren Nullpunkt durch ein spezielles Ereignis festgelegt ist) und Zeitpunkte (in Bezug zu einem willkürlich festgelegten Nullpunkt, z.B. „Geburt Christi“ oder „Mitternacht“) verwendet.

Warum vergeht die Zeit als Kind langsamer?

Die Frage beruht auf der Annahme, dass ein Kind Zeit empfindet. Wenn dem so ist, dürfte jedoch kaum ein Kind eine Vorstellung davon haben, wie endlich das menschliche Leben ist. Ein Kind lebt im Hier und Jetzt. Es hat sein gesamtes Leben noch vor sich und wird sich nicht vorstellen können, was es bedeutet, älter und alt zu werden. Ist das Kind am Umgang interessiert, könnte es den Eindruck haben, dass die Zeit langsam vergeht, eben weil der ersehnte Umgang auf sich warten lässt. Das Empfinden, auf etwas warten zu müssen, könnte wiederum ein Gradmesser für die Zeit sein.

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In welchem Abstand sollte der Umgang stattfinden, und wovon hängt dies ab?

Es ist den Eltern überlassen, wie sie den Umgang mit dem Kind regeln. Natürlich hängen Häufigkeit und Zeitdauer des Umgangs davon ab, welches Interesse Kind und Elternteil am Umgang haben. Früher hieß es „alle 14 Tage sind viel zu wenig“ und umgekehrt „das Kind wird zwischen Eltern hin und her gerissen“. 

 

In Deutschland hatte sich teils die Regelung „alle 14 Tage das Wochenende“ als üblich und angemessen durchgesetzt, was wiederum von Kinderpsychologen als zu starr beanstandet wird. Maßstab sei vielmehr das Kindeswohl. Danach hängen die Häufigkeit und die Zeitdauer des Kontakts vom Grad der Bindung des Kindes an den Elternteil und vom Alter des Kindes ab. Je jünger ein Kind ist, desto kürzer sollten die Zeitabstände der einzelnen Kontakte sein. Dafür bedarf es bei jüngeren Kindern wiederum keiner so langen Zeitdauer wie bei älteren Kindern, die im Rahmen des Kontaktes selbstbestimmte, vom Elternteil unabhängige Freizeittätigkeiten ausüben.

 

Allgemein wird gesagt, dass jüngere Kinder eher eine regelmäßige und periodische Umgangsregelung benötigen, während sich im höheren Alter selbstständig vereinbarte flexible Besuchskontakte empfehlen (so OLG Oldenburg, FamRZ 2001, 1164).

Welche Faustregeln gibt es für den Umgang?

Teils verweisen Psychologen auf Faustregeln: 

  • Kleinkinder (Säuglingsalter bis Vorschulalter): Einmal pro Woche für etwa 4 - 5 Stunden.
  • Kindergartenkinder: Entweder einmal pro Woche ganztags oder alle 2 Wochen für 2 Tage.
  • Schulpflichtige Kinder: Jedes zweite Wochenende (von Freitag bis Sonntag).

Eine andere Faustregel besagt, dass der Abstand in Tagen dem Alter des Kindes entsprechen sollte. Ist das Kind beispielsweise fünf Jahre alt, sollte alle fünf Tage der Umgang erfolgen. Aber auch dies hängt davon ab, welche Möglichkeiten die Eltern überhaupt haben, den Umgang zu gewährleisten.

 

Maßstab ist jedenfalls, dass der Umgang inzwischen einem Kind und seinem Elternteil von großer Bedeutung für die emotionale Bindung, das Vertrauen und die Entwicklung des Kindes sein dürfte. Es kann jedoch keine festen Regeln geben, da die individuellen Umstände, die Beziehung der Eltern und die Bedürfnisse des Kindes berücksichtigt werden müssen. Dabei sollten folgende Aspekte eine Rolle spielen:

Kontinuität

Ein regelmäßiger Umgang ist wichtig, um eine stabile Beziehung aufzubauen und beizubehalten. Ein zu langer Abstand zwischen den Treffen kann diese Bindung beeinträchtigen.

Alter des Kindes

Der Umgang sollte altersgerecht sein. Bei jüngeren Kindern sind häufigere, kürzere Treffen möglicherweise besser, während ältere Kinder längere Zeiträume zwischen den Besuchen tolerieren können.

Qualität über Quantität

Es ist wichtiger, dass die Zeit, die Eltern und Kind zusammen verbringen, qualitativ hochwertig ist. Aktivitäten wie Spielen, Gespräche und gemeinsame Interessen stärken die Bindung.

Individuelle Umstände

Berufliche Verpflichtungen, Entfernungen zwischen Wohnort des Kindes und dem Elternteil und andere Faktoren beeinflussen den Umgang. Flexibilität ist wichtig.

Gerichtliche Anordnungen

In Fällen von Trennung oder Scheidung können gerichtliche Anordnungen den Umgang regeln. Diese sollten von beiden Elternteilen respektiert werden.

Kommunikation

Die offene Kommunikation zwischen Eltern und Kindern über ihre Bedürfnisse und Wünsche ist entscheidend dafür, wie sich der Umgang unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten vernünftig gestalten lässt. Manchen hilft ein Pendelheft.

EXPERTENTIPP

Umgangsrecht auch Umgangspflicht

Als betreuender Elternteil sollten Sie das Umgangsrecht unbedingt ernst nehmen. Sie sollten sich nicht dazu verleiten lassen, den Umgang zu verzögern oder aus organisatorischen Gründen nicht gewähren zu wollen. Ist das Kind am Umgang interessiert, wird es schnell das Gefühl haben, dass es zunehmend warten und Geduld haben muss und gefühlt zu viel Zeit vergeht. Oder sind Sie umgekehrt umgangsberechtigt, sollten Sie Ihr Umgangsrecht zugleich als Umgangspflicht verstehen. Vertrösten Sie das Kind, wird das am Umgang interessierte Kind gleichfalls die Einschätzung haben, dass seine Geduld strapaziert wird und es diese Zeitspanne als Zeit empfindet.

Alles in allem

Kinder haben ihre eigenen Sehnsüchte. Je länger ein als positiv empfundenes Ereignis zurückliegt, desto größer dürfte die Sehnsucht sein, dass das Ereignis wieder stattfindet. Genauso gut könnte es umgekehrt sein. Wird ein Ereignis als negativ empfunden, könnte der Wunsch, das Ereignis hinauszuschieben, gleichfalls eine Empfindung von Zeit verursachen. Auf jeden Fall sollte es so sein, dass die Empfindungen des Kindes im Vordergrund stehen und Gradmesser dafür sein sollten, wie der Umgang gestaltet wird. Um das Umgangsrecht festzulegen, empfiehlt sich, eine Umgangsregelung schriftlich zu vereinbaren. Ihr Anwalt kann Sie im Rahmen Ihrer Scheidungsbeantragung sowie auch noch danach unterstützen, eine solche Umgangsregelung zu formulieren.

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