Lassen sich die Eltern eines Kindes scheiden, besteht das gemeinsame Sorgerecht beider Elternteile auch nach der Trennung und Scheidung unverändert fort. Die Eltern müssen untereinander klären, wer das Kind fortan in seine Obhut nimmt und betreut. Nicht immer sind Eltern hierzu in der Lage. Die Erziehungsfähigkeit und der Erziehungswille scheitern oft daran, dass Elternteile aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur nicht in der Lage sind, sich um das eigene Kind zu kümmern oder die Lebensumstände (z.B. Krankheit, Depressivität, Gewaltbereitschaft, Desinteresse) einer angemessenen Betreuung und Erziehung entgegenstehen. Dann ist der Staat gefordert, im Interesse des Kindes tätig zu werden.
Es gibt Eltern, die nach der Trennung ihre Kinder aufgrund ihrer Lebensumstände oder der eigenen Persönlichkeitsstruktur als Last empfinden. Dann kommt es darauf an, Lösungen zu finden, die es dem Kind ermöglichen, in einer geeigneten Umgebung aufzuwachsen. Das Gesetz hält hierfür ein umfangreiches Instrumentarium bereit. Die Details dieser Regelungen offenbaren, wie schwierig es ist, im Interesse des Kindes eine praktikable Regelung zu finden. Fühlen Sie sich als Elternteil betroffen, sollten Sie es dennoch als Ihre Aufgabe verstehen, im Interesse des Kindes nach Wegen zu suchen, mit der Sie Ihrer Verantwortung für das Kind vielleicht doch gerecht werden.
Sorgerecht besteht trotz Trennung und Scheidung fort
Schaubild
Können Eltern auf Ihr Sorgerecht verzichten?
Eltern können nicht auf die Ausübung ihres Sorgerechts verzichten. Das Sorgerecht ist nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht. Die Eltern stehen gegenüber ihrem Kind in der Verantwortung und können diese Verantwortung nicht ohne Weiteres auf Dritte oder den Staat übertragen.
Sind Sie als Elternteil betroffen, gestatten Sie ein persönliches Wort:
Auch wenn wir in einer Gesellschaft leben, in der die staatliche Fürsorge immer mehr zum Maßstab persönlicher Entscheidungen gemacht werden wird, sind Elternteile gehalten, nach Kräften ihrer Verantwortung für ein Kind gerecht zu werden. Das Kind kann nichts dafür, dass es geboren wurde. Sicherlich ist es zugegebenermaßen oft schwierig, ein Kind in den eigenen Lebensalltag zu integrieren und die nötigen finanziellen und persönlichen Voraussetzungen zu schaffen, für das Kind Sorge zu tragen. Die Herausforderungen sind oft enorm und geben allzu oft Eltern das Gefühl, dass sie ihrer Verantwortung nicht gerecht werden können.
Trotzdem kann es keine Rechtfertigung dafür geben, ein Kind sich selbst zu überlassen und die Verantwortung für das Kind zu ignorieren. Bevor Sie als Elternteil die Verantwortung für Ihr Kind verweigern, sollten Sie die Kraft und den Mut aufbringen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der Staat kennt Ihr Problem. Das Gesetz bietet eine Reihe von Hilfemöglichkeiten. Nutzen Sie diese Hilfsangebote. Sie stehen nicht allein. Dies gilt auch, wenn die Problematik vielleicht in der Person des Kindes selbst begründet ist und dazu führt, dass Sie als Elternteil glauben, Ihrer Verantwortung für das Kind nicht gerecht werden zu können.
Schieben Sie Ihre Verantwortung nicht auf den anderen Elternteil ab. Sie sind genauso verantwortlich für Ihr gemeinsames Kind. Auch wenn der andere Elternteil jegliche Verantwortung ablehnt, stehen Sie immer noch selbst in der Verantwortung. Kein Elternteil kann sich dieser Verantwortung entledigen. Selbst wenn Sie in einer schwierigen Lebenssituation stehen, sollten Sie ein Interesse daran haben, dass das Kind zumindest eine grundlegende Chance erhält, in angemessener Art und Weise aufzuwachsen und nicht das Gefühl hat, es sei nur das Produkt eines „Unfalls“.
Es bestehen immer gute Chancen, mit der einen oder anderen Hilfe eine Lösung für sich selbst und das Kind zu finden. Berücksichtigen Sie immer das Risiko, dass Sie Ihre Entscheidung früher oder später vielleicht bereuen. Oft ist es dann zu spät, weil die Beziehung zum Kind beeinträchtigt ist und sich eine Entwicklung meist nicht mehr rückgängig machen lässt. Insoweit ist es entscheidend wichtig, dass Sie ungefähr wissen, welche Hilfsangebote es gibt und wie die Wege sind, wenn kein Elternteil nach der Scheidung das Kind will.
Was, wenn keiner die Kinder will?
Sind Eltern nicht dazu bereit, nach der Scheidung für ihr Kind zu sorgen, ist das Kindeswohl gefährdet. Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bekannt, hat es das Gefährdungsrisiko abzuschätzen (§ 8a SGB VIII). Dann ist es Aufgabe der Jugendämter, im Rahmen der Jugendhilfe Maßnahmen vorzuschlagen und den Eltern geeignete Hilfen anzubieten, die Gefährdung abzuwenden.
Hält es das Jugendamt für erforderlich, das Familiengericht einzubeziehen, ist das Familiengericht anzurufen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, bei der Abschätzung des Gefährdungsrisiko mitzuwirken. Besteht eine dringende Gefahr und kann die Entscheidung des Gerichts nicht abgewartet werden, ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind in Obhut zu nehmen. Notfalls ist die Polizei einzubeziehen.
CHECKLISTE
Wie können wir die Trennung & Scheidung für unsere Kinder gestalten?
Die Scheidung ist insbesondere für die Kinder belastend. Wie können Sie als Eltern Ihre Kinder entlasten?
Checkliste
Trennung und Scheidung mit Kind
Auf diese Aspekte sollten Sie bei einer Trennung und Scheidung mit Kind achten.
Wann ist das Kindeswohl gefährdet?
Die Kindeswohlgefährdung ist ein zentraler Begriff, wenn es um die elterliche Sorge geht. Eine solche Gefährdung ist anzunehmen, wenn eine „gegenwärtige erhebliche Gefahr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer erheblichen Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes führen würde.“ Je schwerer der drohende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit. Eine bloß abstrakte Gefährdung genügt allerdings nicht (BGH FamRZ 2019, 598).
Wird eine Gefährdungslage angenommen, ist zu prüfen, ob die Eltern tatsächlich zur Gefahrenabwehr nicht gewillt oder nicht in der Lage sind. Ist dies der Fall, trifft das Gericht Maßnahmen zur Abwehr der Gefahr. Der Entzug der elterlichen Sorge kommt nur als letztes Mittel in Betracht. Vorrangig sind den Eltern Hilfen zur Gefahrenabwehr anzubieten und konkrete Vorschläge zu machen (BVerfG 2017, 1055). Das Gericht muss die Eltern nicht nur auf diese Hilfsmöglichkeiten hinweisen, sondern diese konkret anregen. Nur in letzter Konsequenz kommt die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge in Betracht.
Welche alternativen Maßnahmen gibt es?
Vor der Entziehung des Sorgerechts ist eine Reihe von Erziehungshilfen zu prüfen. Der sorgeberechtigte Elternteil hat bei der Erziehung des Kindes Anspruch auf „Hilfe zur Erziehung“. Möglicherweise liegen die Probleme auch in der Person des Kindes begründet, so dass dieser Umstand der Grund dafür sein könnte, dass Sie die Betreuung des Kindes ablehnen. Auch dafür gibt es Hilfen.
In Betracht kommen nach §§ 27 ff SGB VIII eine Reihe von Erziehungshilfen. Auch wenn deren Bezeichnung in der Definition bürokratisch erscheint, ist der Inhalt wichtig. Sind Sie betroffen, sollten Sie sich beim Jugendamt oder einer Erziehungsberatung informieren, welchen Inhalt die jeweilige Hilfe hat und wie Sie diese Hilfe für sich selbst und Ihr Kind nutzen können. Diese Hilfen bieten wesentlich mehr Optionen, als die bloße Definition vermuten lässt.
- Erziehungsberatung, bei der Eltern und Kinder bei der Klärung und Bewältigung individueller und familienbezogener Probleme, insbesondere bei Trennung und Scheidung, unterstützt werden.
- Die Teilnahme an sozialer Gruppenarbeit soll älteren Kindern und Jugendlichen bei der Überwindung von Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensproblemen helfen.
- Ein Erziehungsbeistand oder Betreuungshelfer soll das Kind oder den Jugendlichen bei der Bewältigung von Entwicklungsproblemen unter Einbeziehung des sozialen Umfelds unterstützen und unter Erhaltung des Lebensbezugs zur Familie seine Verselbstständigung fördern.
- Die sozialpädagogische Familienhilfe soll durch intensive Betreuung und Begleitung Familien in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie in Kontakt mit Ämtern unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe anbieten.
- Die Erziehung in einer Tagesgruppe soll die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen durch soziales Lernen in der Gruppe, Begleitung der schulischen Förderung und Elternarbeit unterstützen und dadurch den Verbleib des Kindes in seiner Familie oder einem Elternteil sichern.
- Die Vollzeitpflege kommt in Betracht, wenn die Betreuung durch die Eltern ausgeschlossen ist.
- Sind die Eltern zur Betreuung des Kindes nicht in der Lage oder gewillt, kommt die Unterbringung in einem Heim oder einer betreuten Wohnform in Betracht, die die Entwicklung des Kindes und des Jugendlichen durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten fördern soll.
Kinder sind anzuhören
Da das Kind unmittelbar betroffen ist, ist es im gerichtlichen Verfahren anzuhören. Die Anhörung ist die Regel, wenn das Kind das 14. Lebensjahr vollendet hat. Aber auch jüngere Kinder ab dem dritten Lebensjahr sind anzuhören, wenn die Neigungen, Bindungen und der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind oder eine persönliche Anhörung aus sonstigen Gründen angezeigt erscheint. Sind Sie als Elternteil betroffen, müssen Sie bei der Anhörung damit rechnen, dass das Kind sich zu Ihrer Person bekennt und ausdrücklich den Wunsch äußert, in Ihrer Obhut zu leben. Sie werden auch mit dieser Situation umgehen müssen.
Zur Interessenwahrnehmung kann das Gericht dem Kind einen Verfahrensbeistand bestellen (§ 158 Abs. II FamFG). Dies gilt insbesondere dann, wenn die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge der Eltern in Betracht kommt.
Unterbringung in einer Pflegefamilie
Kann das Kind nicht bei den Eltern aufwachsen und laufen Hilfen zur Erziehung ins Leere, kommt die anderweitige Unterbringung in Betracht. Hierzu kann die Initiative von den Eltern selbst ausgehen, wenn diese meinen, ihre Aufgabe nicht wahrnehmen zu können. Sie können von sich aus das Kind bei Verwandten, in einer Pflegefamilie, bei einer Pflegeperson, im Kinderheim oder Internat unterbringen. In eine geschlossene Anstalt dürfen Eltern ihr Kind nur mit familiengerichtlicher Genehmigung geben. Die Eltern sind insoweit aufgrund ihres Aufenthaltsbestimmungsrechts grundsätzlich berechtigt, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen (§ 1631 BGB).
Sind die Eltern nicht in der Lage, aus eigener Initiative den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen und erweisen sich als ungeeignet, die Betreuung und Erziehung selbst wahrzunehmen, muss und kann das Kind aufgrund einer familiengerichtlichen Anordnung anderweitig untergebracht werden. Zur Wahl stehen dann nur Heim oder Pflegefamilie.
Geben die Eltern das Kind für längere Zeit in eine Familienpflege, kann das Familiengericht Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf die Pflegeperson übertragen. Dadurch erhält die Pflegeperson formell die Rechte und Pflichten eines Pflegers und entlastet die Eltern insoweit von ihrer Verantwortung (§ 1630 Abs. III BGB).
Konflikte entstehen oft, wenn die leiblichen Eltern wünschen, dass das Kind wieder in die eigene Obhut zurückkehren soll. Leibliche Elternteile, den das Aufenthaltsbestimmungsrecht weiterhin zusteht, können jederzeit von ihrem Recht auf Herausgabe des Kindes Gebrauch machen (§ 1632 BGB). Lebte das Kind seit längerer Zeit in der Pflegefamilie, kann das Familiengericht aber von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson eine Verbleibensanordnung erlassen, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde (§ 1632 Abs. IV BGB).
Ausschlaggebend für den Erlass einer Verbleibensanordnung ist, dass durch die bevorstehende Herausnahme aus der Pflegefamilie das Kindeswohl gefährdet würde. Da das Recht der sorgeberechtigten Eltern vorrangig ist, genügt für die Rückkehr die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass das Kind keinem Gefährdungsrisiko ausgesetzt ist. Dabei muss die Dauer der Pflege berücksichtigt werden, das Alter des Kindes, die persönlichen Defizite der leiblichen Eltern sowie das Verhältnis zur Pflegeperson.
Hat das Kind eine persönliche Beziehung zu seinen Pflegeeltern aufgebaut, kommt die Adoptionspflege in Betracht. Die Adoption soll erst ausgesprochen werden, wenn der Annehmende das Kind eine angemessene Zeit in Pflege gehabt hat (§ 1744 BGB). Das familiengerichtliche Adoptionsverfahren wird dann durch einen entsprechenden notariell beurkundeten Antrag des Annehmenden in Gang gesetzt. Das Adoptionsrecht ist im BGB sehr detailliert geregelt. Maßstab ist das Kindeswohl.
Alles in allem
Steht das Schicksal eines Kindes nach der Trennung und Scheidung seiner Eltern zur Debatte, ist es mithin staatliche Aufgabe, im Interesse des Kindes tätig zu werden. Da es hierbei keine ultimative Lösung geben kann, vollzieht sich die Entscheidung über das Schicksal des Kindes in vielen Einzelschritten. Maßstab ist immer das Wohl des Kindes.