Zum wiederholten Male kursiert ein Fake-Profil der eigenen Person im Internet. Täglich landen beleidigende Nachrichten unbekannter Absender im Emailfach. Und kein Bestelldienst in der Stadt bringt Ihnen mehr Ware, da unter Ihrem Namen schon so häufig falsche Bestellungen vorgenommen wurden. Klassische Fälle des Cyber Stalkings, das jeden treffen kann, insbesondere aus verschmähter Liebe oder Rache, nach Trennung oder Scheidung. Was kann man gegen Psychoterror des Ex-Partners auf Onlineebene tun?
Welche Umstände machen es Cyber Stalkern leicht?
Beim Online Stalking, oder auch Cyber Stalking, handelt es sich um eine regelrechte Distanzwaffe, die Täter gegen Betroffene einsetzen. Während sich ein Stalker vor 30 Jahren noch zwingend seiner Zielperson räumlich nähern musste, kann er oder sie sich heutzutage in der weitläufigen Anonymität des Internets verbergen und beträchtlichen Schaden anzurichten. Es gibt dabei zwei Tätergruppen, die unterschiedliche Mittel anwenden:
- Online Stalkern, die Sie als Betroffene persönlich nicht kennen, kommt die immer größer werdende, verfügbare Datenmenge des Internets zupass. Begegnungen mit ihnen entspringen unglücklichen Zufällen, sensible Informationen über Sie entnehmen sie häufig öffentlich einsehbaren Social-Media-Profilen.
Demgegenüber stehen Personen, die Sie zuerst im wirklichen Leben getroffen haben und die per se Informationen über Sie sammeln konnten. Leider handelt es sich dabei oft um ehemalige Beziehungspartner, die nach einer Trennung oder Scheidung nicht loslassen können und zu Online Stalkern werden.
Im ersten Fall nutzen Täter also die modernen, sich rasend schnell entwickelnden Medien (und ihre Schwachstellen) aus, im anderen Fall die realen Informationen aus erster Hand. Um sich der Teilhabe am Leben nicht vollends zu verschließen, kann man beide Szenarien nicht komplett verhindern. Insbesondere zu Corona-Zeiten kommunizieren wir vorrangig über Onlineplattformen, und Beziehungen gehen wir seit jeher stetig neue ein.
Was können Polizei und Gesetz gegen Online Stalking unternehmen?
Wird man Opfer von Identitätsdiebstahl, Verleumdung oder permanenter Nachstellung (der tägliche unbekannte Profilbesucher auf LinkedIn), gerät man fast immer in die Verteidigungsposition. Man kann immer erst auf eine neue Aktion reagieren und sieht sie nicht kommen.
Gewöhnlich melden sich Betroffene, was auch anzuraten ist, bei ihrem Anwalt oder der Polizei. Seit 2017 ist eine Verschärfung des § 238 StGB in Kraft, die die Verfolgung und Bestrafung von Tätern schon dann ermöglicht, wenn eine Beeinträchtigung der Lebensgestaltung der bedrohten Person durch Cyber Stalking nicht nur erfolgt, sondern bereits lediglich möglich scheint.
Die Aufklärungsraten in Fällen, in denen sich Online Stalker und Betroffene vorher kannten, ist außerordentlich hoch. Allerdings handelt es sich dabei freilich nur um die zur Anzeige gebrachten Straftaten, die unaufgeklärten Fälle samt Dunkelziffer wiegen weiterhin schwer und auch die seelischen Schäden der Opfer vergrößern sich, je länger eine juristische Lösung noch dauert.
Welche Strafen drohen Cyber Stalkern?
Das genaue Strafmaß für Nachstellungen online ist abhängig vom Einzelfall, seine Höhen jedoch beträchtlich. Es kann zu Geld- und Freiheitsstrafen bis zu 3 Jahren kommen, bei gesundheitlichen Schäden bis zu 5 Jahren, bei Tod als Folge von Cyber Stalking sind die Taten mit bis zu 10 Jahren Freiheitsentzug belegt.
Wie kann ich mich selbst gegen Cyber Stalker wehren?
Wie so oft im Leben, muss man manchmal die Dinge in die eigene Hand nehmen. Je nachdem, welches Wissen auf Seiten des Angreifers vorliegt und wie viele Informationen über Sie im Netz sind, gestaltet sich dies leichter oder schwieriger.
Mögliche Dinge, die Sie unternehmen können, lassen sich untergliedern in:
- das Durchtrennen von Informationsketten,
- die (konsequente) Löschung von Daten,
- das Legen von falschen Fährten,
- sowie die Sammlung von Informationen über den Stalker selbst, in Verbindung mit 1 klaren Ansprache.
Es empfiehlt sich, den Blick zunächst auf sich selbst zu richten. Den größten Einfluss besitzt man immer dort, wo man selbst noch Zugangsmöglichkeiten hat. Was also tun gegen Online Stalking?
1. Verhalten vor und während einer Beziehung
Der Partner ist sehr häufig der wichtigste Mensch im Leben. Diese Bindung verstärkt sich mit zunehmender Beziehungsdauer und mündet im Teilen der gemeinsamen Wohnung, des Betts, des Vermögens, kurzum: Man vertraut einander.
Schlägt diese Vertrauensstellung frühzeitig um, aber es sind bereits viele Werte geteilt, wird dies zum Problem. Verfügen Ex-Partner einseitig über intime Bilder, Kontodaten, Lieblingspasswörter oder Cloud-Zugänge, hat einer den anderen stärker in der Hand. Ewig lässt sich gewiss nicht die oft zitierte Vorsicht walten – achten Sie hingegen vielmehr auf eine gerechte Verteilung sensibler Informationen untereinander.
Dies raten Experten nicht unbedingt aus dem Leitsatz heraus „Wie du mir, so ich dir“, sondern als Erkennung von Zeichen, dass der andere sich öffnet. Wenn ein Partner (oder auch nur ein Date) nur nimmt und nie gibt, sein Ich nicht öffnet – begegnen Sie dem mit gesundem Misstrauen.
Wie es nicht geht
- Sie lassen den Ex-Partner auf Ihrer Kontakteliste, sperren ihn lediglich für neue Inhalte (Facebook): aushebelbar durch Profil-URLs, die jedermann über eine ID dieselben Inhalte anzeigen
- Sie entfernen den Ex-Partner gänzlich von der Freundesliste: wenn Sie gemeinsame Kontakte besitzen, hat er oder sie über Teilbereiche Ihrer Daten nach wie vor Einblick
- Sie löschen gleich Ihr gesamtes Profil und begründen es unter einem Alias neu: teilen Sie weiterhin ähnliche Interessen, Freunde oder räumliche Nähe, wird der KI-Algorithmus Sozialer Netzwerke Ihr Profil bald doch wieder Ihrem Ex vorschlagen
Stattdessen:
Überzeugen Sie sich zum Beispiel bei Facebook über die Funktion „Profil anzeigen aus Sicht von…“ (neben dem Button „Profil bearbeiten“), ob Freunde von Freunden oder sogar nicht eingeloggte User noch Fotos oder Aufenthaltsorte von Ihnen sehen können. Entfernen Sie Ihren Tag auf allen Fotos, auf denen Sie beide markiert wurden.
Der Bereich „Privatsphäre-Check“ (unter „Konto“ – „Einstellungen und Privatsphäre“) von Facebook ermöglicht viele Einstellungen, das aktuelle Titel- und Profilbild kriegt man damit aber nur schwer unsichtbar. Lassen Sie diese nach Möglichkeit unverändert und zeigen Sie sich darauf nicht exponiert.
Inhalte von Instagram-Profilen können mit nur 1 Klick in den Privatmodus vor neugierigen Augen geschützt werden. Hier müssen Sie Acht geben ggf. telefonisch prüfen, ob hinter neuen Accounts von Bekannten, die Ihr Profil per Anfrage zu sehen wünschen, tatsächlich diese Bekannten stecken oder ein Fake-Account eines Stalkers.
Und zu allererst: Loggen Sie sich in allen Diensten auf allen Endgeräten aus (immer mehr Plattformen bieten diese Option an) und vergeben Sie ein neues, sicheres Passwort.
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3. Entfernen unliebsamer Daten aus Google & Co.
Angenommen, ein Paar geht auseinander, das sich noch nicht sehr lange gekannt hat. Einer der Partner bemerkt Anzeichen von Nachstellung. Da der belästigende Ex-Partner einige Onlineprofile des anderen eventuell noch nicht kennt, möchte sie dieser sicherheitshalber löschen. Dies können die Impressen früher genutzter Webseiten gleichermaßen sein wie Avatare, die in Bildersuchmaschinen auftauchen. Dabei können zwei Probleme auftreten:
Webseite manuell gelöscht, aber bei Google nicht
Die Entfernung von Webseiten per Hand spiegelt sich nicht synchron in Suchmaschinen wieder. Eigentlich gelöschte Profile können bei Google, Bing & Co. unter Umständen noch monatelang angezeigt werden. Um sich dennoch unsichtbar im Netz zu machen, kann die betreffende URL bei Google zum Beispiel über ein kostenloses Tool entfernt werden.
Webinhalte, die nicht selbst manuell gelöscht werden können
Kommen Sie an den Löschknopf oder an den Administrator einer fremden Webseite nicht heran, um Daten entfernen zu lassen? Eventuell gelingt der Umweg über Löschanträge bei den Suchmaschinen. Dies hilft auch im Besonderen dann, wenn ein Angreifer selbst Ihre Daten ins Internet gestellt hat. Eine Chance auf Beseitigung ist gegeben, wenn die betreffenden Inhalte Folgendes beauskunften:
a) Bankkontonummer
b) Ausweispapiere
c) Krankenakten
d) Abbilder händisch verfasster Unterschriften
e) intime Bildnisse
f) sonstige ähnliche Daten
- Linktree für diese Formulare: https://support.google.com/websearch/troubleshooter/3111061
4. Auskunftssperre bei Einwohnermeldeamt erwirken
Ein Tipp, der eher zur Abwehr realer Stalker dient und zudem nicht neu ist? Gewiss, doch wehrt er eine perfide Masche des Online Stalkings ab.
Zieht ein Partner nach streitiger Scheidung in eine andere Stadt, könnte der andere womöglich auf die Idee kommen, Missbrauch mit der neuen Wohnadresse zu betreiben. Häufig konfrontieren Online Stalker ihre Opfer mit dem Abschluss falscher Verträge, Abonnements oder wie erwähnt von Essensbestellungen.
Eine Auskunftssperre zu Ihrer neuen Adresse beim zuständigen Einwohnermeldeamt schreckt Nachsteller ab, zu einer dann zwingenden Anhörung kommen zu müssen, damit sie die Adresse erführen. Sensibilisieren Sie jedoch auch jene Freunde, die von ihrer neuen Adresse wissen, sie Ihrem Ex-Partner oder ominösen Accounts im Netz nicht zu verraten.
5. Informationen über den Angreifer sammeln und klare Ansprache
Auch, wenn es das Gesetz gar nicht einfordert, damit Cyber Stalker ihr Tun beenden, übt ein klares Wort an den Täter in vielen Fällen Druck aus. Hat man vorher gar noch Beweise und Indizien gesammelt, die auf die Identität des Online Stalkers schließen lassen und die dabei mit erwähnt werden, stellen viele Täter ihre Aktivitäten ein. Halten Sie alle Belästigungen in jedem Fall in einem Tagebuch fest.
Selbst, wenn Sie das, was online gegen Sie geschieht, nicht zu fassen kriegen, stellt ein Tagebuch über sämtliche Vorkommnisse später vor Gericht ein starkes Beweisstück dar.
Welche Informationen können Sie sammeln?
Nutzung von Emailprovidern mit guten Analysefunktionen
Bekommen Sie Emails von Ihrem Stalker mit Beleidigungen, Drohungen, Diffamierungen? Schlecht für den Stalker, wenn Sie sie an eine Gmail-Adresse bekommen. Diese weist im Header einige Informationen über den Sendeweg ankommender Emails aus, unter anderem die für Strafverfolgungsbehörden so wichtige IP-Adresse des Absenders. Legen Sie diese unbedingt zeitnah bei den Behörden vor, da Provider die IP nur 10 Wochen speichern dürfen.
- Link um den Header zu analysieren: https://toolbox.googleapps.com/apps/messageheader/
Dateien nicht ausdrucken, sondern digital vorlegen
Sendet Ihnen jemand intime Fotomontagen, hetzerische Flugblätter oder andere Erzeugnisse im PDF-Format? Gewagtes Spiel. In den Meta-Informationen von PDFs wird standardmäßig allerhand über ihren Besitzer gespeichert. In Anwendungen des MS-Office-Pakets erst recht, jedoch versenden Kriminelle kaum mehr noch ihre Schriften in diesem Format. Eine Chance besteht darüber hinaus noch bei Bildern, über EXIF-Daten und Geo-Tags etwas über den Absender oder den Fotografen zu erfahren.
Legen Sie also Beweise wie diese stets auch digital bei der Polizei vor.
Wer steckt hinter einer Schmäh-Webseite?
Seit dem 25. Mai 2018, dem Inkrafttreten der DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung), ist der Recherche nach Verantwortlichkeiten im Netz ein kleiner Riegel vorgeschoben worden. Abfragen bei der DENIC, die Registrierungsstelle für .de-Domains, wer eine Webseite betreibt, können nur noch von der Polizei vorgenommen werden.
Speichern von Webseitenversionen zu einem bestimmten Zeitpunkt
Screenshots sind gut und schön, nur können diese sich nicht davon freisprechen, mit einem Grafikprogramm zu Ungunsten des Online Stalkers manipuliert worden zu sein. Manch einer vermag auch an seinem Endgerät gar keine vollständige Bildschirmaufnahme zu machen.
Eine bessere und bequeme, jedoch auch nicht zwingend gerichtsfeste Lösung ist die Way Back Machine. Dort kann die Fassung einer Webseiten-URL, wie sie zum Zeitpunkt X aussah, gespeichert und zentral immer wieder abgerufen werden. Diese Versionen untermauern in jedem Fall Ihre Schilderungen.
- Link: https://archive.org/
Speichern von Webseitenversionen zu einem bestimmten Zeitpunkt
Screenshots sind gut und schön, nur können diese sich nicht davon freisprechen, mit einem Grafikprogramm zu Ungunsten des Online Stalkers manipuliert worden zu sein. Manch einer vermag auch an seinem Endgerät gar keine vollständige Bildschirmaufnahme zu machen.
Eine bessere und bequeme, jedoch auch nicht zwingend gerichtsfeste Lösung ist die Way Back Machine. Dort kann die Fassung einer Webseiten-URL, wie sie zum Zeitpunkt X aussah, gespeichert und zentral immer wieder abgerufen werden. Diese Versionen untermauern in jedem Fall Ihre Schilderungen.
- Link: https://archive.org/
Bilderrückwärtssuche und Google Alert
Möchte man herausfinden, an welchen Stellen im Internet die eigenen Bilder kursieren, kann man bei Google (Yandex ist eine Alternative hierzu) mithilfe der Originaldatei danach suchen. Dies empfiehlt sich immer dann, wenn man bereits von einem Bildermissbrauch weiß. Für neu erscheinende Textinhalte, z.B. zum eigenen Namen, eignet sich der Service Google Alert.
Alles in allem
Haben Sie genügend Informationen zusammengetragen, lohnt sich eine klare Täteransprache und/oder der Weg zur Polizei für Sie. Hat der Cyber Stalker bereits zu viel Vorsprung, das heißt, er verfügt über zu viele irreversible Informationen (Fotos, Adressen), muss er erst recht aus der Anonymität gelockt werden, damit er sich verrät.
Eine gesunde Portion Misstrauen gegenüber neuen Kontakten kann einen vor vielem bewahren, allerdings nicht vor zufälligen Begegnungen mit grenzenüberschreitenden Tätern. Haben Sie das Gefühl, mit so einer Situation nicht fertig zu werden, wenden Sie sich neben der Polizei auch an Opferhilfeverbände wie dem Weißen Ring e.V.. Gewalt im Internet ist auch Gewalt und kennzeichnet sich dadurch, dass man die feigen Schläge gegen sich nicht einmal physisch parieren kann.
Suchen Sie sich jedoch genauso Verbündete, wie es Betroffene des räumlichen Stalkings tun: Statt des Beschützers, der vor der Tür schläft, sensibilisieren Sie sämtliche Freunde und Bekannte, keine Daten von Ihnen herauszugeben und Gerüchten nicht zu glauben. Auf je weniger Boden die Verleumdungen und Fake News des Angreifers fallen, desto eher sieht er sein sinnloses Unterfangen hoffentlich ein.