Ist vorehelicher Sex erlaubt? Die Frage scheint aus heutiger Sicht antiquiert, da in Deutschland wohl kaum noch jemand heiratet, ohne vorher nicht schon miteinander geschlafen zu haben. Blickt man jedoch zurück, wird schnell deutlich, wie sich das Verständnis von Sex und Ehe in Religion und Kultur entwickelt und die Einstellung zu vorehelichem Sex geprägt hat.
Vor- außerehelicher Geschlechtsverkehr in verschiedenen Religionen
Das Thema vorehelicher Sex lässt sich nur einordnen, wenn man sehr weit in die Zeit zurückgeht und insbesondere die religiöse Bedeutung der Ehe einbezieht, die die Gesellschaft und Rechtsordnung maßgeblich geprägt hat. Meist ist Sex lediglich Ehepartnern vorbehalten und auch die Gründung einer Kinder hat einen hohen Stellenwert. Sexuelle Beziehungen vor und außerhalb der Ehe waren lange verpönt und wurden als Unzucht gesehen. Die heutigen Ansichten variieren je nach Region, Verständnis und kultureller sowie individueller Einstellung.
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Was sagt die Bibel zum außerehelichen Verkehr?
Die Bibel greift das Thema indirekt auf. In der Zeit Jesu erschien es als selbstverständlich, dass ein Paar vor der Ehe nicht zusammenlebte, also auch nicht vor der Ehe beieinander übernachtet hat.
Sex ist sicherlich vergnüglich, sei biologisch aber auch mit dem Ziel der Fortpflanzung verbunden. Das eine bedingt also das andere. Soweit Gott vermeintlich vorehelichen Geschlechtsverkehr untersage, wolle er den Menschen nicht des Vergnügens berauben, sondern eher vor ungeplanten außerehelichen Schwangerschaften bewahren. Kinder sollen in der Ehe in ihre Familie hineingeboren werden.
Traditionellerweise sollten voreheliche sexuelle Beziehungen also unterbleiben und erst dann stattfinden, wenn sich ein Paar vollumfänglich zueinander bekennt. Dazu gehöre, dass man sich exklusiv füreinander entschieden habe (so auch § 1353 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Die Ehegatten tragen füreinander Verantwortung), Liebe und Lust empfinde, sich vollkommene Treue verspreche (so auch § 1353 BGB: Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen) und bereit sei, auch Kindern das Leben zu schenken. Der Beischlaf sei daher nicht nur ein lustvoller Ausdruck zärtlicher Zuwendung, sondern auch Verantwortung.
Geistliche im Zölibat leben übrigens gänzlich enthaltsam: Sie heiraten nicht und widmen ihr Leben ganz dem Gottesdienst.
GUT ZU WISSEN
Verschiedene Meinungen im Christentum heute
Die Zeugen Jehovas und die Neuapostolische Kirche lehnen vorehelichen Geschlechtsverkehr bis heute rigoros ab. In den USA ist teils die christliche Keuschheitsbewegung verbreitet („Wahre Liebe wartet“).
Sex vor und außerhalb der Ehe im Judentum
Vor allem im orthodoxen Judentum soll Geschlechtsverkehr ausschließlich in der Ehe erfolgen, sodass Sex vor der Hochzeit nicht erlaubt ist. Auch Verlobte, bei denen die Hochzeit ansteht, sollen warten. Die Gründe für diese Regelungen stimmen in den drei monotheistischen Religionen im Kern überein.
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Kein Zölibat im Judentum und Islam
Weder im Judentum noch im Islam gibt es ein vorgeschriebenes Zölibat. Es wird abgelehnt, vollends auf Geschlechtsverkehr verzichten zu müssen. Dieser wird, zumindest unter Ehepaaren, sogar als Gottesdienst gewertet, da auch darin ein Segen Gottes zu sehen ist. Dennoch gibt es im Islam bestimmte Bewegungen, bei denen Menschen sich bewusst dafür entscheiden, zölibatär zu leben.
Vor- und außerehelicher Sex im Islam
Auch der Islam verbietet den Geschlechtsverkehr außerhalb und somit ebenfalls vor der Ehe. Auch unverheiratete Paare, die vorhaben einander zu heiraten, sollen warten, bis sie wirklich verheiratet sind. Dies gilt – wie auch in den anderen Weltreligionen - für Frauen und Männer. Teils wird kulturell bedingt bei Frauen ein strengerer Maßstab angelegt, wofür es aber keine religiöse Grundlage gibt.
Mancherorts wird die sogenannte Zeitehe praktiziert. Diese ist eine befristete Ehe auf Zeit, die von wenigen Stunden bis zu vielen Jahren andauern kann. Das in einigen islamischen Ländern rechtlich anerkannte, jedoch nicht unumstrittene, Instrument hat den Zweck, das Zusammenkommen und die eventuell notwendige Auflösung der Beziehung rechtlich und religiös zu legitimieren, die rechtlichen Verpflichtungen, die aus einer regulären Scheidung entstehenden würden, aber möglichst gering zu halten.
Vorehelicher Verkehr im Buddhismus
Im Buddhismus ist vorehelicher Sex nicht verboten. Die menschliche Sexualität ist als eine persönliche Begegnung auf physischer Ebene zu verstehen. Die Körperlichkeit ist ein wichtiger Bestandteil, der jedem Menschen innewohnt. Nur Mönche leben im Zölibat, da Sexualität die eigene Befreiung zurückhält und zur Bindung an andere Wesen führt.
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Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten
In früheren Jahrhunderten war noch die sexuell übertragbare Krankheit Syphilis weit verbreitet. Es gab bis ins 20. Jahrhundert kein Gegenmittel. Das Risiko von Spätfolgen war hoch. Außerehelicher Geschlechtsverkehr war daher immer mit dem Risiko der Geschlechtskrankheit verbunden. Relativ geschützt waren nur Menschen, die füreinander jeweils der erste Sexualpartner waren. Die menschliche Sexualität war im Übrigen gesellschaftlich weitgehend ein Tabu. Erst die Erfindung des Kondoms führte zu einem Wandel der Einstellungen. 1912 erfand der Gummifabrikant Julius Fromm erstmals eine Methode, um nahtlose Kondome herzustellen. Allerdings war der Verkauf von Kondomen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts meist verboten.
Einfluss der Aufklärung
Förderlich war wahrscheinlich auch die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten 1776 und die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte durch die Französische Nationalversammlung 1789. Dort wurde die Freiheit eines jeden Menschen bestimmt, alles tun zu dürfen, was anderen nicht schadet. Indirekt lässt sich daraus auch das Recht ableiten, außerehelichen Verkehr zu rechtfertigen.
Wandel im 20. Jahrhundert
Erst im 20. Jahrhundert erfuhr die Sexualmoral einen Wandel. Im Jahr 1900 wurde in das neu in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch der sogenannte und später wieder aufgehobene Kranzgeld-Paragraf (§ 1300 BGB) eingefügt:
„Hat eine unbescholtene Verlobte ihrem Verlobten die Beiwohnung gestattet, so kann sie, wenn der Verlobte ohne nachvollziehbare Gründe von der Verlobung zurücktritt, auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen.“
Diese Schadensersatzpflicht hatte ihren Grund darin, dass die ledige Frau wegen des Verlustes ihrer Jungfräulichkeit geringere Chancen hatte, standesgemäß einen anderen Mann zu heiraten.
Nationalsozialismus
In der Zeit des Nationalsozialismus der Lebensborn e.V. in Erscheinung, ein von der SS getragener Verein, mit dem Ziel, im Hinblick auf die nationalsozialistische Rassenhygiene die Geburtsrate „arischer“ Kinder zu erhöhen und insoweit auch außereheliche Beziehungen zu akzeptieren. Dieses Ziel sollte durch anonyme Entbindungen und die Vermittlung der Kinder zur Adoption erreicht werden. Das 1934 gegründete Hilfswerk „Mutter und Kind“ sollte Anreize für mehr Geburten bieten. Das „Deutsche Institut für Jugendhilfe“ war mit der Betreuung unehelicher Kinder beauftragt, deren Väter Unterhaltszahlungen verweigerten.
Freie Liebe der 68er
Entscheidenden Anteil an der Entwicklung der Sozialmoral dürfte die Generation der 1968er Jahrgänge gehabt haben, die das Bewusstsein dessen, was Menschen „frei und glücklich“ macht, entscheidend liberalisiert hat. Die Antibabypille, die ungewollte Schwangerschaften verhindert, trug zu dieser Entwicklung sicherlich erheblich bei.
Persönliche Entscheidung
Insoweit hat sich der voreheliche Geschlechtsverkehr in der heutigen Zeit in Deutschland zu einer Selbstverständlichkeit entwickelt. Hinzu kommt, dass teilweise sogar ein gewisser Druck aus dem sozialen Umfeld kommen könnte, wonach sexuelle Erfahrungen „dazugehören“ oder sich Menschen mit frühen sexuellen Erfahrungen „schmücken“.
Welche möglichen Vor- und Nachteile vorehelicher Sex haben könnte, muss und sollte jeder für sich selbst abwägen. Diese Entscheidung muss jeder Mensch individuell treffen und jedes Paar unter sich klären. Für manche Menschen gehört es dazu, sich in absolut jeder Hinsicht vor der Ehe kennenzulernen, andere haben den Wunsch oder den Anspruch an sich, zu warten. Und natürlich ist es auch möglich, ohne Heirat in einer Beziehung zu leben oder rein sexuelle Beziehungen zu führen.