Die Ehe als Soldatenschmiede - Ehe & Scheidung zu NS-Zeiten

Ringe Auf Tisch iurFRIEND® AG

Freitag, 16.11.2012 , geschrieben von iurFRIEND-Redaktion

Wir haben in unserer Reihe viele dunkle Zeiten und Orte besucht. Wir haben von verstoßenen Frauen, Selbstjustiz von betrogenen Ehemännern und Vergewaltigungen in der Ehe gelesen. Nun aber betreten wir ein Kapitel der Geschichte, in dem die Ehe weder der Liebe, noch dem Wohlstand oder dem Zusammenhalt der Familie galt, sondern allein der Produktion von Soldaten: Der Zeit des Nationalsozialismus. Und dieser schaffte es nicht nur, die Ehe, sondern sogar noch Scheidung für seine finsteren Zwecke zu instrumentalisieren.

Frauen (zurück) an den Herd

In den Jahren nach Hitlers Machtergreifung gab es eine vollkommene Kehrtwende im Bereich der Frauenrechte. Hatten die goldenen Zwanziger wieder ein starkes weibliches Selbstbewusstsein geschaffen, drängten die Propaganda und die Gesetzgebung die Frauen jetzt wieder mit Macht aus dem öffentlichen Leben. Selbstbestimmte und berufstätige Frauen, wie sie die Weimarer Republik hervorgebracht hatte, wurden als „widernatürlich“ angesehen. Demzufolge wurde so ziemlich alles getan, um Frauen vom Berufsleben fernzuhalten. So wurde die Zulassung von Mädchen zum Abitur begrenzt und auch die Zahl weiblicher Studienanfängerinnen auf maximal 10% eingeschränkt. Frauen, die bereits berufstätig waren, wurden zur Aufgabe ihres Arbeitsplatzes genötigt – zugunsten ihrer „natürlichen“ Rolle als Hausfrau und Mutter.

 

In den Augen der Nationalsozialisten war es für Frauen eine Pflicht, zu heiraten. Ledig zu bleiben, galt als verwerflich. Um dieser Rolle gerecht zu werden, wurden Mädchen schon früh zu „guten“ Ehefrauen erzogen. Hauswirtschaft, Handarbeiten und Säuglingspflege wurden neben Rassenbiologie verbindliche Schulfächer für Mädchen. Zudem wurde ein hauswirtschaftliches Pflichtjahr vor der Berufsausbildung für Frauen eingeführt. Trotzdem ließen sich anscheinend nicht alle Frauen in die verordnete Rolle des Hausmütterchens drängen. In Deutschland und Österreich waren am Ende trotz aller Zwangsmaßnahmen mehr Frauen berufstätig als vor 1933.

Kinderlosigkeit als Vergehen

Eine noch wichtigere Rolle für Frauen, als die „Ehe“, nahm die Mutterschaft ein. Wer kinderlos blieb, machte sich in den Augen der Nationalsozialisten eines schweren Vergehens schuldig: Er enthielt seinem eigenen Volk gesunde Kinder vor. Noch schlimmer war in diesem Zusammenhang das „Verbrechen“ der Abtreibung. Sie galt als Sabotageakt an der „arischen Rasse“ und konnte sowohl für die Mutter als auch für den praktizierenden Arzt zu schweren Strafen und manchmal sogar zum Tod führen.

 

Wer mit seinem „Gebärverhalten“ hingegen ins Idealbild der NS-Ideologie passte, wurde belohnt. Für „herausragende Gebärleistungen“ wurde das sogenannte Mutterkreuz verliehen. Außerdem hatten kinderreiche Familien Steuervorteile. Auch uneheliche Kinder wurden gefördert. Ihre werdenden Mütter wurden in „Lebensborn“-Heime gelockt, in denen sie gebären und die Kinder dann zur Adoption freigeben konnten. Ziel war es dabei nicht, das Leid der der Mütter oder der Kinder zu mindern, sondern auf diesem Wege mehr Soldaten zu bekommen. Wer hingegen das Pech einer Erbkrankheit oder sonstiger Gebrechen hatte, musste mit einer Zwangssterilisation rechnen. Paradoxerweise gelang es dem NS-Regime auch hier nicht, seine Pläne in die Tat umzusetzen. Die Geburtenraten blieben konstant hinter denen der Weimarer Republik zurück.

Heiraten fürs Vaterland

Auch wenn die Ehe selbst zwischen 1933 und 1945 größtenteils eine Privatangelegenheit blieb, ließ es sich der NS-Staat nicht nehmen, auch hier seinen Einfluss geltend zu machen. Und man hatte hier ganz eigene Ansichten. Das Ideal von der Ehe als einem Ort persönlicher Liebe und Zuneigung galt den Nationalsozialisten wenig. Es ging ihnen bei Eheschließungen nicht um das persönliche Glück, sondern um das vermeintliche Wohl der Nation. Den Platz der Liebe zu einem anderen Menschen sollte die Liebe zum Volk einnehmen.

 

Zumindest für Frauen wurde die Jungfräulichkeit als Ideal für die Ehe hochgehalten, aber gerade einmal fünf Prozent von ihnen hielten sich in der Realität daran. Darüber hinaus wurde verlangt, dass sie sich mit anderen Deutschen oder zumindest Europäern vermählten. Und sie wurden in die Pflicht genommen, sich die Verwandten und Vorfahren ihres potenziellen Gatten nach ähnlichen Kriterien genauestens anzusehen. Vor allem aber sollten sie – wie bereits erwähnt – möglichst viele Kinder bekommen.

Erwünschte und unerwünschte Ehen

Der NS-Staat trennte strikt zwischen erwünschten und unerwünschten Ehen. Erstere wurden gefördert, Letzteren wurden so viele Steine wie möglich in den Weg gelegt. Für einige Personengruppen wurde die Eheschließung verboten, andere wurden nach dem "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom 14.07.1933 zwangssterilisiert und wieder andere brauchten eine Heiratserlaubnis vom Staat. Letzteres traf vor allem auf Soldaten der Wehrmacht zu, denen darüber hinaus auch die Heirat mit einer Ausländerin verboten war.

 

Das schwerste Los hatten aber jüdische Eheleute. Ein besonders schwerer Schlag war hier das so genannte „Blutschutzgesetz“ vom 15. September 1935, welches Eheschließungen zwischen „Deutschblütigen“ und Juden unter Strafe stellte. Lediglich bestehende Ehen blieben zumindest bis zur Endphase der NS-Herrschaft größtenteils unangetastet. Wer als Jude in einer solchen Mischehe lebte, musste zwar viel Schikane, berufliche Nachteile, Hass und Diskriminierung erdulden, hatte aber zumindest einen gewissen Schutz vor der Willkür der Nationalsozialisten. Eine Garantie auf Sicherheit hatten sie aber nicht. Ihr zerbrechlicher Schutz barst spätestens in dem Moment, in dem ihr deutscher Partner starb und sie keine Kinder mehr zu versorgen hatten.

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Geburtenförderung trotz allem nicht erfolgreich

Wer gesund und „arisch“ war, die „richtige“ politische Einstellung besaß und somit eine erwünschte Ehe führte, kam hingegen in den Genuss vieler Vorteile. So gab es seit Juni 1933 für Hochzeitspaare ein großzügiges Ehestandsdarlehen, dessen zurückzuzahlender Betrag sich mit jedem Kind verringerte. Wer vier Kinder zur Welt brachte musste gar nichts mehr zurückzahlen. Auch hier hatten die Nationalsozialisten wenig Erfolg. So blieb ein Drittel aller Paare, die 1933 geheiratet hatten auch nach fünf Jahren noch kinderlos und ein Viertel dieser Paare bekam lediglich ein Kind.

Trotz aller offiziellen Förderungsmaßnahmen, waren viele Nationalsozialisten der Ehe gegenüber weniger positiv eingestellt und bezeichneten sie gar als „satanisches Werk der Kirche“ und „Feind der Fruchtbarkeit“ oder als „naturwidrig“.

Scheidungsfreiheit aus niederen Motiven

Auch wenn viele Parteigänger der NSDAP besonders im Zuge der Nürnberger Rassegesetze von 1935 die Zwangsscheidung von Mischehen zwischen Deutschen und Juden forderten, blieb ihnen dieser Wunsch glücklicherweise verwehrt. Dennoch kam es während der Herrschaft der Nationalsozialisten zu einer tief greifenden Veränderung in der deutschen Scheidungsgesetzgebung. Mit dem "Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung und der Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet" vom 6. Juli 1938 bekamen Ehepartner die Möglichkeit, ihre Ehe "infolge einer tief greifenden unheilbaren Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses" zu scheiden. Voraussetzung hierfür waren drei vollendete Trennungsjahre.

 

Natürlich ging es bei dem Gesetz nicht um eine plötzliche Wertschätzung persönlicher Freiheiten und modernerer Ansichten – wie sehr man diese verachtete, hatte man bereits deutlich bewiesen – sondern erneut einzig und allein um schnelle Vermehrung. Zeugungsfähige Männer sollten sich leichter von ihren alternden Frauen trennen und neue, gebärfreudige Frauen finden, deren Ehepartner zeugungsunfähig waren.

 

Trotz dieser niederen Beweggründe blieb der wesentliche Kern des Gesetzes auch im Nachkriegsdeutschland bestehen und passierte die Kontrolle der Besatzungsmächte. Die Möglichkeit der einvernehmlichen Scheidung galt den Alliierten als eine legitime Neuerung – in der Weimarer Republik hatte es sie noch nicht gegeben – und nicht als Gedankengut der Nationalsozialisten.

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