Raus aus dem Muff und rein in die Revolution. So kann man diese beiden Jahrzehnte (nicht nur) in Hinblick auf die gesellschaftlichen und rechtlichen Entwicklungen beim Thema Ehe zusammenfassen. In jedem Fall tat sich sehr viel in dieser Zeit, auch wenn diese Entwicklungen erstmal sehr langsam und schüchtern begannen. Lesen Sie, wie inmitten von Studentenbewegung, Flower Power und sexueller Revolution geliebt, geschieden und geheiratet wurde.
Von Tradition zu Revolution
Die 60er Jahre begannen im Grunde so, wie die 50er Jahre endeten. Im Alltag deutscher Frauen herrschte weiterhin die althergebrachte Rollenverteilung und Arbeitsteilung vor. Und anscheinend schienen die meisten Frauen das noch stillschweigend zu akzeptieren. Noch im Jahre 1963 waren 60% der Frauen der Ansicht, dass es für Angehörige ihres Geschlechts nicht normal sei, einer Arbeit nachzugehen. Jene die es taten, waren ohnehin zumeist stark unterbezahlt. Und selbst als die 68er-Bewegung Deutschland Ende der 60er Jahre in Aufbruchsstimmung versetzte, wurden die Frauen dabei gerne vergessen.
Trotzdem gab es auch eine Menge Fortschritte. Ein besonders revolutionärer davon war wohl die Entwicklung der Anti-Baby-Pille. Sie wurde 1961 in den USA auf den Markt gebracht und kam ein Jahr später nach Deutschland – mit durchschlagendem Erfolg. Bereits in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts begannen immer mehr Frauen mit der Pille zu verhüten und gewannen dadurch eine sexuelle Unabhängigkeit, die sicherlich den Boden für die sexuelle Revolution bereitete. Sex (auch in der Ehe) war nun in noch stärkerem Maße von der reinen Fortpflanzung entbunden, da auch für Frauen eine einfache und zuverlässige Schwangerschaftsverhütung zur Verfügung stand. Die neue Verhütungsmethode setzte sich durch, obwohl ihr nicht wenige Steine in den Weg gelegt wurden. So sprach Papst Paul VI. ausgerechnet 1968 ein Verbot der Pille aus, da diese den ehelichen Akt unfruchtbar mache. Unter so feindlichen Voraussetzungen war die Pille anfangs nur unter der Ladentheke und meist auch ausschließlich für verheiratete Frauen mit Kindern zu beziehen. Doch auch manch unverheiratete Frau fand Mittel und Wege sie zu beziehen.
Zugang zum Arbeitsmarkt, Kindergärten und mehr
Diese Revolution blieb nicht die Einzige. Mehr und mehr frühere Tabus wurden gebrochen und das Rollenverständnis der Frauen änderte sich. Sie waren ihren Männern nicht mehr untertan und gewannen langsam ein neues Selbstbewusstsein. Bereits Anfang der 60er Jahre formierte sich eine neue Frauenbewegung, die gegen Ende des Jahrzehnts bereits sehr stark geworden war. Im Zuge dessen erkämpften sich die Frauen – ob verheiratet oder nicht – den Zugang zum Arbeitsmarkt. Aus reinen Hausfrauen wurden immer öfter auch Karrierefrauen. Auch die Verbindung von Berufstätigkeit und Mutterschaft wurde durch Kindergärten und – im Zuge der 68er Revolution – durch Kinderbetreuung in der Wohngemeinschaft oder durch spontan entstehende „Kinderläden“ (privat organisierte Kindergärten) möglich. Auch durch verschiedene neue Gesetze wurde die Gleichstellung der Frauen vorangetrieben. Unter anderem wurden 1974 Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
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Ehe: Das Ende der Alleinherrschaft
Auch im Bereich der Ehe brachten die beiden Jahrzehnte viele Veränderungen mit sich. Noch bis weit in die 1960er Jahre hinein ging das so genannte „Golden Age of Marriage“ (Goldenes Zeitalter der Ehe). Die Ehe stand in dieser Zeit hoch im Kurs. Kein Wunder, denn sie war für junge Paare so etwas wie der Schlüssel zu ihrem gemeinsamen Leben. Nicht nur, dass sie die „Lizenz zum Geschlechtsverkehr“ verkörperte, sie war auch eine wichtige Voraussetzung, um gemeinsam eine Wohnung beziehen zu können. Unverheiratete Paare hatten da schlechte Chancen. Das war nicht allein böser Wille, denn Vermieter konnten vom Kuppelei Paragrafen 201 StGB getroffen werden, der es damals noch unter Strafe stellte, wenn man einem unverheirateten Paar die Möglichkeit zum Beischlaf bot. Die Lebensform einer Ehe mit Kindern dominierte eindeutig und wer ledig war, war dies höchstens aus religiösen Gründen oder weil er keinen Partner fand.
Um 1968 wendete sich das Blatt. Nun begann sich langsam eine neue Eheunwilligkeit breitzumachen. Nach und nach wurden immer weniger Ehen geschlossen. Wer heiratete, tat das auch nicht mehr zwingend in einem sehr jungen Alter. Manche Menschen begannen damit, die späte Heirat für sich zu entdeckten. Andere suchten nach ganz anderen Alternativen. Von den Experimentierfreudigeren werden Freie Liebe und Wohngemeinschaften oder Kommunen praktiziert.
Etwas ganz neues: Die...Beziehung (ohne Ehe)!
Etwas bodenständigere Leute wagen sich zumindest an ein anderes neues Phänomen: Die Beziehung. Man lebt unverbindlich (wenn auch wohlmöglich trotzdem monogam) ohne Trauschein zusammen und genießt seine Freiheit, bevor man sich fest bindet. Falls man das überhaupt tut. Die Ehe beginnt nämlich langsam ihre lange Alleinherrschaft als führende Organisationsform der Liebe einzubüßen. Unverheiratet zusammenzuleben ist bald kein Tabu mehr und auch vor- oder unehelicher Sex ist in den meisten Augen kein Skandal mehr. Das spiegelt auch die Gesetzgebung wieder. So wurden 1970 mit dem „Gesetz zur Neuregelung der nichtehelichen Geburten“, eheliche und uneheliche Kinder in ihren Rechten gleichgestellt.
1974 fiel dann auch der Kuppeleiparagraf und machte es unverheirateten Paaren weitaus einfacher, eine gemeinsame Wohnung zu mieten. Doch auch für homosexuelle Paare entspannte sich die Lage. Bereits im Jahre 1968 wurde der Paragraf 175, welcher Homosexualität als „Widernatürliche Unzucht“ unter Strafe stellte, aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. 1969 wurde auch Ehebruch – der bisher gemäß § 172 a.F. StGB strafbar war – straffrei gestellt. Zu guter Letzt trug die Gesetzgebung auch ihren Teil zu mehr Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt – und folglich auch innerhalb der Ehe – bei.
1976 kam es zu einer Reform des Ehe- und Familienrechts, die dem Mann alle Einspruchsmöglichkeiten gegen die Berufstätigkeit seiner Ehefrau nahm. Haushalt und Beruf wurden von nun an im „gegenseitigen Einverständnis“ geführt. Bis sich dieses gleichberechtigtere Modell aber auch in der Gegenwart spürbar niederschlug, sollte es noch bis zum Ende des Jahrzehnts dauern.
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Scheidung: Einführung des Zerrüttungsprinzips
War Scheidung zu Anfang des Jahrzehnts noch ein Tabuthema, nahm bereits im Laufe der 1960er Jahren nicht nur das Interesse an der Ehe – aufgrund anderer Alternativen – ab, sondern auch bestehende Ehen wurden häufiger geschieden. Vor allem ab Anfang der 1970er Jahre stiegen die Scheidungsraten merklich an. Nicht unwesentlichen Anteil daran dürfte die Scheidungsreform von 1976 gehabt haben. Darin wurde erstmals das Zerrüttungsprinzip (beide Partner sind schuld am Ende einer Ehe) an die Stelle des Verschuldungsprinzips (Ein Partner muss die Schuld tragen) gesetzt. Dadurch wurde Rosenkriegen zumindest etwas vorgebeugt und eine Scheidung bedurfte geringerer Überwindung.