Ägypten: Beinahe Gleichberechtigung

Scheidung und Ehe in der Antike VI

EliteXPERT Porträt: Michael W. Staffel

Freitag, 07.09.2012 , geschrieben von iurFRIEND-Redaktion

Ob Griechenland und Israel oder das alte Rom – in vielen antiken Hochkulturen mussten Frauen teils heftige Benachteiligungen erdulden und waren auch in Sachen Ehe und Scheidung meist alles andere als gleichberechtigt. Für den Abschluss des antiken Kapitels unserer historischen Reihe haben wir uns deswegen – wenn auch chronologisch nicht ganz korrekt – ein vergleichsweise leuchtendes Beispiel an Gleichberechtigung herausgesucht: Ägypten.

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Warum es einfach ist, in der Ehe glücklich zu sein?

Keimzelle der Frauenrechte

Auch das altertümliche Ägypten war sicher weit davon entfernt ein Matriarchat zu sein, aber Frauen waren hier zumindest rechtlich größtenteils gleichgestellt. Sie konnten – anders als beispielsweise im Römischen Reich - vor Gericht für sich selbst sprechen und auch wenn die Kindererziehung und Haushaltsführung die vorrangige Aufgabe der Frau war, so hatten sie durchaus das Recht außerhalb des Hauses zu arbeiten. Nicht wenige Frauen betätigten sich als Bäckerinnen, Weberinnen, Musikantinnen, Tänzerinnen oder Gärtnerinnen. Auch der priesterliche Dienst im Tempel stand der weiblichen Bevölkerung Ägyptens offen.

 

Hier muss allerdings eingeräumt werden, dass nicht jede Frau eine Verdienstmöglichkeit fand und nicht jeder Beruf ausgeübt werden konnte. Auch waren die Bildungsmöglichkeiten eher bescheiden, wodurch viele Frauen faktisch dennoch von ihrem Mann finanziell abhängig und auf ihre „eigentliche Aufgabe“ als Hausfrau und Mutter zurückgeworfen waren. Zumindest die Hausarbeit wurde Frauen der Oberschicht aber durch ihre – wiederum weibliche – Dienerschaft abgenommen. Die Kindererziehung aber blieb die beinah heilige Aufgabe und Pflicht der Frau, für deren Erfüllung sie immerhin sehr hohes Ansehen genoss.

 

Auch wenn – dem berühmten Beispiel von Kleopatra zum Trotz – nur selten Frauen in die Verwaltung oder in hohe Machtpositionen fanden, so hatten sie zumindest gesetzlich die Möglichkeit dazu und im Laufe der Geschichte Ägyptens, regierten immerhin vier von ihnen ihr Land als Königinnen. Auch an der Seite von männlichen Herrschern waren Frauen oft an den Regierungsgeschäften beteiligt.

 

Wenn ein Mann die Gunst einer Frau gewinnen wollte, so ließ er sich im alten Ägypten durchaus etwas einfallen. Männer umwarben ihre Angebetete üblicherweise mit poetischen – wenn auch nicht immer ganz jugendfreien – Liebesliedern.

 

Mit der Eroberung und Besatzung Ägyptens durch die Griechen und später die Römer änderte sich die Situation für die ägyptischen Frauen allerdings drastisch. Sie verloren in der darauf folgenden Zeit viele ihrer ursprünglichen Rechte und Freiheiten.

Status der Ehe: Hoch, aber nicht heilig

Mädchen heirateten in der Regel im zarten Alter von 12 – 15 Jahren und waren damit oft ein wenig jünger als die Männer, welche die Ehe in einem Alter von 15 Jahren oder älter eingingen. Meist bat der junge Mann die Mutter oder den Vater seiner Zukünftigen um ein Gespräch, woraufhin – vor allem bei Wohlhabenden – ein Heiratsvertrag aufgesetzt wurde. Heiratsgrund war meist die Liebe, die aber immer auch zur Gründung einer Familie führen sollte. Neben der Liebesheirat gab es auch arrangierte Ehen, Männer und Frauen konnten aber hier prinzipiell ihr Veto einlegen.

 

Ehen wurden meist zwischen gleichen sozialen Schichten geschlossen, aber es gab schon Ausnahmen, wobei dann auch nicht immer die Frau aus der niedrigeren Schicht kam.

 

Die Heirat selbst war an nur wenige Bedingungen geknüpft. Es gab kaum zeremonielle Förmlichkeiten und die Ehe bedurfte keinerlei religiöser Legitimation. Auch Jungfräulichkeit war keine Bedingung. Neben dem Willen der Eheleute – und gegebenenfalls ihrer Familien – die Ehe einzugehen, gab es nur zwei Bedingungen, die der Verbindung Gültigkeit verliehen: Eine gemeinsame Wohnung und die vollzogene Hochzeitsnacht. Das entspannte Verhältnis zu Hochzeitsriten zeigt sich auch daran, dass es in Ägypten zu dieser Zeit nicht mal ein eigenes Wort für „Hochzeit“ gab. Eine Zeremonie war aber trotzdem bekannt: Die frischgebackene Braut wurde dabei durch die Straßen der Stadt zu ihrer neuen Wohnung geführt, wo dann eine große Feier stattfand. In der Regel zog dann die Frau ins Haus des Mannes oder dessen Familie (patrilokale Ehe) ein oder aber der Mann zog zur Frau (matrilokale Ehe), was eher die Ausnahme war.

 

Über das alte Ägypten existieren auch Geschichten von Ehen zwischen Geschwistern. Diese sind aber nur teilweise wahr. Zwar gab es durchaus solche Ehen, Geschwisterehen waren aber selten und kamen erst in der Spätzeit vor. Und auch dann meist nur zwischen Halbgeschwistern.

 

In der Ehe oblagen dem Mann das Sorgerecht und der Schutz der Familie, während sich die Frau in erster Linie um die Kindererziehung und die Hausarbeit kümmerte. Dennoch hatte sie innerhalb der Ehe weitgehende Rechte. Sie konnte über ihren Besitz frei verfügen und im Todesfall des Mannes das gemeinsame Vermögen erben. Vor allem im Fall von Grausamkeit in der Ehe konnte sie die Scheidung verlangen und ihren Mann auch vor Gericht bringen. Außerdem war die Einehe die Regel, die nicht allein aus finanziellen Erwägungen, sondern aus Wertschätzung der Frau gegenüber vorherrschte. Sexualität wurde innerhalb der Ehe offen und tolerant gehandhabt, von beiden Partnern wurde aber strikte eheliche Treue erwartet. Eine Ausnahme bildeten die Pharaonen, die meistens einen Harem besaßen. Aber auch sie hatten immer nur eine „Große königliche Gemahlin“.

Scheidung: banal. Untreue: fatal.

Die Scheidung konnte von Mann oder Frau eingereicht werden. Als Gründe dafür galten Unfruchtbarkeit und Ehebruch, aber auch schlichte „Ehemüdigkeit“. Nach einer Scheidung konnte jeder der Partner problemlos erneut heiraten. Die Frau bekam nach einer Trennung ihren in die Ehe eingebrachten Besitz zurück. Wenn der Mann allerdings Ehebruch begangen hatte, so bekam sie sogar eine Entschädigung gezahlt. Wurde die Frau untreu, so bekam sie hingegen weniger oder gar nichts von ihrem Eigentum zurück. Für Ehebruch gab es darüber hinaus auch weitere Strafen wie Brandmarkung, Verstümmelungen oder sogar den Tod. Diese galten für beide Partner, aber laut manchen Quellen hatten Frauen die schlimmeren Strafen zu befürchten.

 

Nächstes Mal wagen wir den Aufbruch ins Mittelalter. Eine Zeit, in der sich nicht nur für Eheleute vieles änderte.

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