Vermögensübertragung an Kinder zu Lebzeiten – was beachten?
Sonntag, 13.08.2023 , geschrieben von iurFRIEND-Redaktion
„Schenken mit warmer Hand“ ist meist besser als „Vererben mit kalter Hand“. Bei der Vermögensübertragung an Kinder zu Lebzeiten eines Elternteils geht es darum, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge eventuell anfallende Erbschaftssteuern zu vermeiden, ein Kind finanziell in seiner Existenzgründungsphase zu unterstützen oder den Nachlass bereits vorab so zu regeln, dass im Erbfall Streitigkeiten in der Familie vermieden werden. Die Optionen zur Vermögensübertragung sind vielfältig. Im Detail kommt es darauf an, welche Art von Vermögenswerten (z.B. Geld, Immobilien, Aktien, Unternehmen) übertragen werden. Zudem bedarf die vorweggenommene Vermögensübertragung im Regelfall der begleitenden Abstimmung durch Testament oder Erbvertrag.
Erbrecht des Ehegatten bei der Scheidung
Schaubild
Der Ehegatte ist gesetzlich erbberechtigt. Er oder sie erbt neben den Kindern. Haben Sie sich von Ihrem Ehepartner getrennt, besteht das gesetzliche Erbrecht dennoch fort. Es endet erst, wenn Sie
den Scheidungsantrag beim Familiengericht einreichen,
der Antrag dem Ehegatten durch das Familiengericht zugestellt wird
oder wenn Sie dem Scheidungsantrag Ihres Ehepartners zustimmen.
Solange das gesetzliche Erbrecht des Partners besteht, ist bei der Vermögensübertragung an Kinder zu berücksichtigen, dass das Erbrecht noch besteht und bei der Vermögensübertragung eventuell einzubeziehen ist. Um die Vermögensübertragung ohne Berücksichtigung des Ehegatten problemlos zu vollziehen, kann sich empfehlen, die Scheidung einzureichen oder dem Scheidungsantrag des Partners zuzustimmen.
Welche Ziele werden mit der Vermögensübertragung zu Lebzeiten verbunden?
Die vorweggenommene Erbfolge, also die Vermögensübertragung zu Lebzeiten des Erblassers, verfolgt meist folgende Ziele:
Vermeidung von Schenkungs- und Erbschaftssteuern
Mit einer vorweggenommenen Erbfolge lassen sich Schenkungs- und Erbschaftssteuern vermeiden. Gerade bei größeren Vermögen sollte durch eine frühzeitige Übertragung von Teilen des Vermögens unter Lebenden der Vorteil einer langfristig orientierten Vermögensübertragung auf die folgende Generation genutzt werden. Die Freibeträge von Ehegatten und Kindern lassen sich alle zehn Jahre erneut in vollem Umfang ausschöpfen.
Erhaltung des Familienvermögens
Wirtschaftliche Einheiten wie Grundbesitz, Unternehmen oder Kunstsammlungen werden im Erbfall schnell zerschlagen, weil sich die Miterben nicht einig sind. Soll eine Zersplitterung von Vermögenswerten und Familienrechtstreitigkeiten verhindert werden, empfiehlt sich die rechtzeitige, gut strukturierte Übertragung zu Lebzeiten.
Versorgung des Schenkers und seiner Familie
Häufiges Motiv für die Übertragung von Vermögen ist, dass der Schenker als Gegenleistung von den Kindern für sich und seinen Ehepartner die Versorgung im Krankheits- oder Pflegefall einfordert und versorgt sein möchte. Aber auch schwächere Familienmitglieder, wie minderjährige oder behinderte Kinder, können im Wege der vorweggenommenen Erbfolge abgesichert werden.
Minderung des Pflichtteils
Mit der vorweggenommenen Erbfolge kann ein Kind bereits zu Lebzeiten des Erblassers bedacht werden. Der Vermögenswert, der dazu übertragen wird, ist auf den Pflichtteil anzurechnen. Der Erbe, der den Pflichtteil bedienen muss, wird entlastet.
Vermögensübertragung durch Schenkung
Im einfachsten Fall wird ein Vermögensgegenstand verschenkt (z.B. Bargeld). Als Schenker sollten Sie berücksichtigen, dass Sie nur schenken sollten, auf was Sie selbst verzichten können. Fehlt später Liquidität, werden Sie mindestens Schwierigkeiten haben, verschenktes Bargeld wieder zurückzufordern.
Schenkung ist anfechtbar
Außerdem besteht das Risiko, dass Sie im Alter pflegebedürftig werden. Reicht Ihre Rente und sonstiges Vermögen nicht aus, um die Pflegekosten zu decken und Sie müssen öffentliche Leistungen beziehen, kann der Sozialleistungsträger innerhalb von zehn Jahren die Schenkung anfechten und die Schenkung zurückfordern.
Schenkung und Steuern
Liegt der Wert des Vermögensgegenstands über dem steuerlichen Freibetrag, sind Sie als Schenker zugleich Steuerschuldner gegenüber dem Fiskus, falls das beschenkte Kind die Schenkungsteuer nicht zahlt oder zahlen kann. Der Schenkungssteuerfreibetrag eines Kindes beträgt 400.000 EUR. Liegt der Wert des geschenkten Gegenstands über dem Freibetrag, fällt eine Schenkungsteuer an. Es empfiehlt sich, in einer Schenkungsvereinbarung genau festzulegen, welchen Wert ein Vermögensgegenstand hat und warum dieser Wert in einer bestimmten Höhe beziffert wird. Wird im Gegenzug für die Schenkung ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht vereinbart, mindert sich dadurch der Wert der Schenkung nicht.
Notarielle Beurkundung
Wesentlich ist immer, dass die Schenkung notariell beurkundet werden sollte. Dies gilt für reine Schenkungen, für gemischte Schenkungen, bei denen eine Gegenleistung vereinbart wird und Schenkungen unter Auflage. Ohne die notarielle Beurkundung ist die Schenkung nichtig, es sei denn, der Vermögensgegenstand wird dem Beschenkten direkt übergeben (Handschenkung).
Werden Vermögenswerte, wie beispielsweise Immobilien oder GmbH-Anteile übertragen, ist ohnehin die notarielle Beurkundung verpflichtend.
Rücktritt und Rückabwicklung
Eine Schenkung lässt sich nur ausnahmsweise rückabwickeln, wenn eine Auflage nicht vollzogen wurde, der Schenker völlig verarmt oder der Beschenkte sich grob undankbar erweist. Im Einzelfall kann sich die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts empfehlen, für den Fall, dass der Beschenkte in Insolvenz gerät, eine Berufsausbildung nicht abschließt oder vor dem Elternteil verstirbt. Wird eine Immobilie übertragen, sollten neben dem Rücktrittsvorbehalt eine Rückauflassungsvormerkung vereinbart und im Grundbuch eingetragen werden.
Übertragung einer Immobilie an Kinder
Geht es um eine Immobilie, lassen sich Haus oder eine Wohnung nicht immer einfach auf mehrere Angehörige aufteilen. Ohne Regelung entsteht im Erbfall eine Erbengemeinschaft. Dann müssten die Miterben gemeinsam überlegen, wie sie mit der Immobilie verfahren wollen. Eskalieren die Konflikte, droht im schlimmsten Fall die Zwangsversteigerung unter Wert. Um beides zu vermeiden, empfiehlt sich entweder eine kluge Testamentsgestaltung oder die Vermögensübertragung zu Lebzeiten bevor der Erbfall eintritt.
Dabei ist die Entscheidung, wer die Immobilie übernehmen soll, nicht leicht zu treffen. Eine spätere Korrektur ist nicht mehr möglich. Am leichtesten fällt die Entscheidung, wenn nur ein Kind als Nachfolger infrage kommt oder sich nur ein Kind für die Immobilie interessiert. Dann stehen Sie vor der Aufgabe, die anderen Kinder abzufinden, damit alle gleichermaßen bedacht werden.
Alternativ kommt die Übertragung an alle Kinder in Betracht, so dass diese eine Eigentümergemeinschaft bilden. Ist das Vermögen der Kinder sehr unterschiedlich, drohen Streitigkeiten, da alle Anteilseigner für alle Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Immobilie unmittelbar mit ihrem gesamten privaten Vermögen haften. Voraussetzung ist also regelmäßig, dass die Kinder sich sehr gut verstehen und sich in der Lage sehen, die Immobilie gemeinschaftlich zu verwalten.
Ist ein Kind minderjährig, muss ein unabhängiger, vom Gericht ein Ergänzungspfleger bestellt werden und anstelle der Eltern der Schenkung zustimmen. Grund ist, dass die Schenkung einer Immobilie durch die Eltern für ein Kind nicht nur mit Vorteilen verbunden ist, sondern zugleich eine Reihe von Verpflichtungen mit sich bringt (z.B. Grundsteuer, Finanzierung von Anliegerbeiträgen, Haftungsrisiken der Immobilie).
Im Detail empfiehlt sich folgendes zu beachten:
Schenkung an Kind oder auch an Schwiegerkind?
Ist ein zu beschenkendes Kind verheiratet, ist zu überlegen, ob die Schenkung an das Kind allein oder auch an das Schwiegerkind erfolgen soll. Ein durch die Übertragung der Immobilie entstehendes finanzielles Ungleichgewicht zwischen Kind und Schwiegerkind könnte deren persönliches Verhältnis beeinträchtigen, führt aber auch dazu, dass das Schwiegerkind von der Immobilie trotz der Scheidung profitiert. Bei einer Schenkung an das Schwiegerkind ist dessen Freibetrag von lediglich 20.000 € zu berücksichtigen. Die Übertragung einer Immobilie ist immer notariell zu beurkunden.
Kettenschenkung
Eine Lösung kann in einer Kettenschenkung bestehen. Danach wird mit der Schenkung zunächst das Kind alleiniger Eigentümer und profitiert von einem Freibetrag von 400.000 EUR. In einem zweiten Schritt kann das Kind unter Nutzung des zwischen Eheleuten geltenden Freibetrages von 500.000 EUR die Hälfte des Eigentums an Immobilie auf den Ehepartner übertragen.
Nießbrauchrecht (Wohnrecht)
Möchten Sie trotz der Übertragung der Immobilie noch weiterhin im Haus wohnen bleiben, ist die Einräumung eines Wohnrechts oder Nießbrauchrechts („Schenkung unter Nießbrauchvorbehalt“) zu empfehlen. Diese Empfehlung begründet sich allein schon daraus, dass es von großer psychologischer Bedeutung sein kann, ob Sie noch als Eigentümer im Grundbuch stehen bleiben oder Ihre Rechtsposition völlig aufgeben. Zudem mindert ein Wohnrecht oder ein Nießbrauchrecht die Steuerlast. Denn deren Wert wird vom Wert der verschenkten Immobilie abgezogen.
Ein lebenslanges Wohnrecht berechtigt Sie als Schenker, lebenslang in der Immobilie wohnen zu bleiben, ohne dass das beschenkte Kind das Nutzungsverhältnis kündigen oder beenden kann. Wichtig ist, die räumliche Reichweite des Wohnrechts zu definieren (z.B. Haus, Wohnung, Räumlichkeiten, Keller, Garten).
Darüber hinaus begründet ein Nießbrauchrecht das Recht, die Nutzungen aus der Immobilie zu ziehen. Dies bedeutet, dass Sie die Immobilie nicht unbedingt selbst bewohnen müssen, sondern auch vermieten können. Diese Rechtsposition ist weder vererblich noch übertragbar. Andererseits geht der Nießbrauch mit Erhaltungs-, Versicherungs- und Lastentragungspflichten einher, so dass zu prüfen ist, ob dies wirklich gewollt ist oder inwieweit sich abweichende Vereinbarungen empfehlen.
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Soll verhindert werden, dass das Kind die geschenkte Immobilie nach Belieben verkaufen kann, müssen entsprechende Beschränkungen in den Schenkungsvertrag aufgenommen und durch eine Rückfallklausel abgesichert werden.
Anrechnung auf Pflichtteilanspruch
Da das Kind pflichtteilsberechtigt ist, sollte bestimmt werden, dass die Übertragung der Immobilie auf eventuelle Pflichtteilsansprüche anzurechnen ist. Zugleich ist klarzustellen, ob die betreffende Schenkung gegenüber den Geschwistern auszugleichen ist oder nicht.
Vereinbarung einer Geldrente
Benötigen Sie Geld, um Ihren Lebensunterhalt abzusichern, lässt sich mit dem Kind als künftigen Eigentümer eine Rente vereinbaren. Die Höhe und Laufzeit der monatlichen Zahlungen kann frei vereinbart werden.
Schenkung und Pflege
Übernimmt das Kind Pflegeverpflichtungen, sollte der Umfang und Inhalt der Pflegeleistung genau definiert werden. Dies ist wichtig, weil ein pflegendes Kind erbrechtlich gegenüber seinen Geschwistern bevorteilt wird.
Übertragung von Unternehmen
Sind Sie Inhaber eines Unternehmens, können die Geschäftsanteile an die Kinder übertragen werden. Bei Kapitalgesellschaften ist die Satzung einzubeziehen, in der regelmäßig vorsorgende Regelungen vereinbart werden, die bei der Übertragung des Unternehmens oder von Geschäftsanteilen zu berücksichtigen sind. Die Übertragung eines Unternehmens erfordert jedoch so gut wie immer eine sorgfältige Planung und Beratung durch kompetente Berater, um steuerliche, erbrechtliche und sonstige rechtliche Aspekte zuverlässig zu berücksichtigen. Wird blind übertragen, lassen sich daraus entstehende Nachteile oft nicht mehr angemessen bewältigen.
Errichtung einer Stiftung
Möchten Sie vermeiden, dass dem Kind der „Reichtum über den Kopf wächst“, kann sich die Errichtung einer Stiftung empfehlen. Sie übertragen Ihre Vermögenswerte einer von Ihnen zu gründenden Stiftung. Sie bestimmen den Stiftungszweck. In der Satzung lässt sich regeln, dass die Kinder an den Erträgen der Stiftung beteiligt sind oder in der Stiftung auch Verantwortung übernehmen können. Die Stiftung verwaltet unter Berücksichtigung des Stiftungszwecks das Vermögen.
Alles in allem
Sind Sie vermögend, wecken Sie mit der Übertragung von Vermögensgegenständen möglicherweise Begierden, Neid und Missgunst. Sie riskieren, dass Fehler Vermögenswerte vernichten und der Familienfrieden ruiniert wird. Weil unterschiedliche Rechtsgebiete ineinandergreifen und harmonisieren müssen, empfiehlt sich, professionellen Rat von Anwälten und Steuerberatern einzuholen, um die in Ihrer Situation beste Option zu ermitteln. Dies auch vor dem Hintergrund, dass Ihr aktueller Ehepartner auf den Gedanken kommen könnte, dass Ihre Schenkung zu Leb- und Ehezeiten den Zugewinn des Ehepartners bei einer Scheidung schmälern soll.