Anspruch auf Elternunterhalt
Voraussetzung des Verwandtenunterhalts ist allgemein, dass nur derjenige unterhaltsberechtigt ist, der außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und derjenige, der unterhaltspflichtig ist, in der Lage ist, ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts seinem Verwandten Unterhalt (hier speziell Elternunterhalt) zu gewähren.
Wurden Sie adoptiert, stehen Sie einem leiblichen Kind gleich und haften für Elternunterhalt. Gegenüber Ihren leiblichen Eltern sind Sie hingegen nicht mehr unterhaltspflichtig. Mit Adoption ist nämlich Ihr Verwandtschaftsverhältnis zu Ihren leiblichen Eltern erloschen.
Schwiegerkinder müssen keinen Elternunterhalt zahlen
Schwiegertöchter und Schwiegersöhne sind nicht zum Elternunterhalt verpflichtet. Als solche sind Sie nicht mit dem Elternteil Ihres Ehepartners verwandt. Allerdings müssen Sie damit rechnen, dass Ihr Einkommen bei der Beurteilung der Einkommenssituation Ihres Ehepartners berücksichtigt wird und Sie dadurch indirekt dennoch als Schwiegerkind für den Schwiegerelternteil haften.
Sind die Eltern auf Unterstützung angewiesen?
Bedürftigkeit bedeutet, das Unvermögen sich selbst zu unterhalten. Damit ist Voraussetzung, dass der betroffene Elternteil weder aus zumutbarer Arbeit noch aus Vermögenseinkünften, noch aus der zumutbaren Verwertung seines Vermögensstammes, noch aus sonstigen Einkünften seinen Lebensbedarf hinreichend bestreiten kann.
Bevor Sie Elternunterhalt zahlen müssen, muss Ihr Elternteil sämtliche Einkünfte und sein Vermögen verwerten. Insbesondere muss er nicht nur die Vermögenserträge (Mieteinnahmen, Zinseinnahmen) für den eigenen Lebensunterhalt einsetzen, sondern auch den Vermögensstamm selbst aufbrauchen. Vermögensstamm bedeutet, dass beispielsweise ein Mehrfamilienhaus oder ein Aktienpaket verkauft werden müssen. Allenfalls einen Schonbetrag darf der Elternteil als Vermögensreserve behalten. Der Schonbetrag beträgt: 10.000 EUR.
Verwirkung von Elternunterhalt
Sie können sich nur in absoluten Ausnahmefällen damit zur Wehr setzen, dass es grob ungerecht wäre, Sie auf Elternunterhalt in Anspruch zu nehmen, weil Ihr Elternteil seine eigene Unterhaltspflicht Ihnen gegenüber vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung schuldig gemacht habe (Fälle der „Verwirkung“ nach § 1611 BGB). Solche Fälle sind absolute Ausnahmefälle. Selbst in einem Fall, in dem seit 40 Jahren kein Kontakt zwischen Vater und Kind bestanden hatte und der Vater sein Kind durch Testament enterbt und auf den gesetzlichen Pflichtteil gesetzt hatte, musste das Kind Elternunterhalt leisten.
Andererseits stellt § 1618a BGB klar, dass Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schulden. Hat ein Elternteil den Kontakt mit dem Kind verweigert, kommt durchaus ein Verstoß gegen das Beistands- und Rücksichtsgebot in Betracht. Voraussetzung ist, dass die Eltern oder der Elternteil schutzwürdige Belange des Kindes tiefgreifend beeinträchtigt haben. Daran fehlt es zumindest dann, wenn die Eltern bis zur Volljährigkeit des Kindes ihre elterlichen Pflichten erfüllt und erst danach die Kontakte abgebrochen haben.
Hat der Elternteil Anspruch auf Grundsicherung im Alter oder wegen Erwerbsminderung, muss er die Grundsicherung beantragen. Die Grundsicherung hat nämlich Vorrang vor Ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Elternunterhalt. Erhält Ihr Elternteil dann Grundsicherung, sind Sie nicht verpflichtet, den Betrag an den Sozialleistungsträger zu erstatten.
Muss Ihr Elternteil in einer Pflegeeinrichtung untergebracht werden, wird die Grundsicherung durch die Hilfe zur Pflege ergänzt. Erst wenn beide Hilfen nicht ausreichen, die Unterbringungskosten abzudecken, übernimmt der Sozialhilfeträger den Rest und nimmt die Kinder im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit in Anspruch.
Wie viel verdienen die Kinder?
Leistungsfähigkeit bedeutet, dass Sie ohne Ihren eigenen angemessenen Unterhalt zu gefährden, in der Lage sein müssen, Ihrem Elternteil Elternunterhalt zu bezahlen. Seit der Reform gilt eine Einkommensgrenze von 100.000 EUR.
Ihren Vermögensstamm brauchen Sie nur anzugreifen, soweit es Ihnen möglich bleibt, Ihren eigenen angemessenen Unterhalt aus dem verbleibenden Vermögen dauerhaft zu befriedigen. Dabei ist auch Ihr Interesse an einer angemessen eigenen Altersvorsorge zu berücksichtigen. Insbesondere können Sie einen persönlichen Selbstbehalt geltend machen und brauchen nur die Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens für den Elternunterhalt einzusetzen.
Verdienen Sie als unterhaltspflichtiges Kind mehr als 100.000 EUR im Jahr, entfällt der Anspruch Ihres Elternteils auf Grundsicherung. Das Gesetz vermutet zunächst zu Ihren Gunsten, dass Ihr Einkommen diese Grenze nicht überschreitet. Allerdings kann der zuständige Träger der Sozialhilfe Auskunft über Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Ihnen verlangen. Sie sind dann verpflichtet, entsprechende Unterlagen vorzulegen. Unter Umständen kann es insoweit günstiger sein, auf eine Gehaltserhöhung zu verzichten, als mehr zu verdienen und den Mehrverdienst in den Elternunterhalt investieren zu müssen. Statt einer Gehaltserhöhung wäre über Sachleistungen des Arbeitgebers nachzudenken.
Elternunterhalt für Großeltern?
Auch Großeltern können Anspruch auf Elternunterhalt haben. Es gelten die gleichen Grundsätze wie im Verhältnis Eltern zu Kindern. Der Anspruch richtet sich zunächst vorrangig gegen die eigenen Kinder. Sind die eigenen Kinder nicht leistungsfähig, können die Großeltern auch die Enkelkinder auf Elternunterhalt beanspruchen. Hilft der Sozialleistungsträger aus, werden die Enkelkinder jedoch nicht zum Regress herangezogen.
Elternunterhalt berechnen
Der Elternunterhalt berechnet sich nach Ihrem „bereinigten“ Nettoeinkommen. Ihr bereinigtes Nettoeinkommen setzt sich zusammen aus Ihren Einkünften abzüglich Ihrer Ausgaben.
Schritt 1: Bruttoeinkommen ermitteln
Zunächst werden Ihre sämtlichen verfügbaren Einkommen zusammengerechnet. Im Detail:
- Sind Sie Arbeitnehmer, errechnet sich Ihr Einkommen nach dem Durchschnitt der letzten 12 Monate. Erfasst werden auch Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und Bonuszahlungen.
- Sind Sie Selbstständiger, errechnet sich Ihr Einkommen nach Ihren durchschnittlichen Einkünften der zurückliegenden 3 bis 5 Jahre.
- Haben Sie nur in einigen Monaten Einkommen erzielt, ist dieses Einkommen in ein fiktives Jahreseinkommen hochzurechnen.
- Mieteinnahmen
- Kapitaleinkünfte
- Wohnwert einer eigenen Immobilie als „fiktive Mietersparnis“
Vermögen im Ausland
Wenig empfehlenswert ist es, wenn Sie Ihre Einkommen verschleiern oder Vermögenswerte im Ausland verstecken. Sie sind gegenüber dem Sozialleistungsträger zur Auskunft verpflichtet. Mit falschen Angaben riskieren Sie, dass Sie strafrechtlich verfolgt werden. Anders stehen die Dinge, wenn Sie Ihren Wohnsitz tatsächlich im Ausland haben. In diesem Fall müsste die Behörde den Elternunterhalt gegen Ihre Person im Ausland einklagen. Wegen der damit verbundenen Bürokratie ist der Aufwand (je nachdem, auch wo Sie leben) enorm und wenig erfolgversprechend.
Schritt 2: Nettoeinkommen ermitteln
Steht Ihr Einkommen fest, dürfen Sie bestimmte Abzüge vornehmen. Ihr Bruttoeinkommen wird demnach „bereinigt“. Im Detail bedeutet das, dass Sie folgende Posten berücksichtigen dürfen:
- Lohnsteuer, Kirchensteuer
- Sozialversicherungsabgaben
- Werbungskosten als berufsbedingte Aufwendungen (z.B. Fahrtkosten)
- Kosten Ihrer Krankenversicherung sowie eventuelle krankheitsbedingte Aufwendungen
- Ihre private Altersversorgung wird mit bis zu 5 % Ihres Bruttoeinkommens angerechnet, bzw. Beträge bis ca. 100.000 EUR je nach Bundesland.
- Zins- und Tilgungszahlungen aus Darlehensverbindlichkeiten (vor allem für Ihre eigene selbstgenutzte Immobilie)
- Aufwendungen (Fahrtkosten, Übernachtungskosten) für regelmäßige Besuche Ihres Elternteils
- Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Ihren eigenen Kindern und gegenüber Ihrem Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner. Diese Unterhaltsverpflichtungen haben gegenüber dem Elternunterhalt Vorrang und vermindern deshalb Ihr Bruttoeinkommen.
- Kinderbetreuungskosten
Nicht berücksichtigungsfähig sind im Gegenzug
- Ihre Miete und Mietnebenkosten bis zu 480 EUR. Zahlen Sie mehr, müssen Sie die Mehraufwendungen nachweisen und können den überschüssigen Betrag dann ebenfalls abziehen. Sie brauchen also nicht damit zu rechnen, dass Sie Ihre Wohnung aufgeben müssen, nur weil Sie eine besonders teure Wohnung bewohnen.
Schritt 3: Ihr Selbstbehalt sichert Ihre eigene Existenz
Steht Ihr bereinigtes Nettoeinkommen fest, können Sie zusätzlich einen Selbstbehalt abziehen. Zurzeit beträgt dieser 2.000 EUR. Sind Sie verheiratet oder verpartnert, ergibt sich ein Familienselbstbehalt von insgesamt 3.600 EUR monatlich. Hinzu kommen die Unterhaltsfreibeträge für Ihre eigenen Kinder gemäß Düsseldorfer Tabelle.
Leben Sie ohne Trauschein mit einem Partner zusammen und sind Sie nicht verheiratet und leben nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, können Sie den Familienselbstbehalt nicht beanspruchen.
Schritt 4: Hälfte des verbleibenden Einkommens als Elternunterhalt
Die Hälfte dessen, was nun noch übrig bleibt, ist als Elternunterhalt, also Kostenerstattung an das Sozialamt, zu zahlen.
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Unterhaltshöhe berechnen
Auch Geschwister müssen Elternunterhalt zahlen
Haben Sie Geschwister, haften alle Geschwister im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit anteilig für den Elternunterhalt. Zahlen Sie zunächst den Elternunterhalt allein, obwohl auch ein Geschwisterteil leistungsfähig wäre, können Sie einen anteiligen finanziellen Ausgleich fordern. Geschwister sind einander auskunftspflichtig.
Elternunterhalt ist eine steuerlich außergewöhnliche Belastung
Unterhaltszahlungen sind, soweit Ihr Elternteil in Ihrem Haushalt lebt, bis zu einem Höchstbetrag von 2.000 EUR absetzbar und vermindern Ihr Einkommensteuerlast. Eigenes Einkommen Ihres Elternteils ist auf den Unterhaltshöchstbetrag anzurechnen, soweit es 3.600 EUR übersteigt. Außerdem müsste der Elternteil das eigene Vermögen verwerten, sofern es nicht geringfügig ist. Dabei bleibt ein Einfamilienhaus oder eine Eigentumswohnung, die der Elternteil selbst bewohnt, als Vermögen außer Betracht.
Alternative zum Elternunterhalt: Pflege im eigenen Haushalt
Die Eltern müssen jedoch nicht in einem Pflegeheim untergebracht werden. Pflegen Sie Ihr Elternteil in Ihrem eigenen Haushalt, können Sie Pflegehilfe erhalten. Die Pflege kann unter Umständen günstiger und für den Elternteil vorteilhafter sein, als dass Sie regelmäßig Elternunterhalt zahlen müssen. Bislang richtet sich die Einstufung in eine der 5 Pflegestufen, welche vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) vorgenommen wird.
Pflegegrad | Pflegegeld |
1 | 0 EUR |
2 | 332 EUR |
3 | 573 EUR |
4 | 765 EUR |
5 | 947 EUR |
Beispielrechnung für Elternunterhalt
- Sie sind verheiratet und verdienen 120.000 EUR brutto.
- Ihr bereinigtes Nettoeinkommen beträgt monatlich 5.000 EUR.
- Abzug Selbstbehalt in Höhe von 3.600 EUR
- Einkommen #VAR1 EUR
- Hälfte * ½
- Elternunterhalt = #VAR1 * 0,5 EUR
Was tun, wenn Sie einen Bescheid bekommen?
Kündigt der Sozialleistungsträger den Regress an oder liegt der Bescheid bereits in Ihrem Briefkasten, müssen Sie sich auf eine schwierige Auseinandersetzung einstellen, insbesondere dann, wenn Sie der Meinung sind, dass Sie finanziell gar nicht in der Lage sind, Elternunterhalt in der geforderten Höhe zu zahlen.
> Zusätzliche Kosten des Unterhaltsschuldners
Nicht verunsichern lassen
Richtschnur muss sein, dass Ihr eigener Lebensunterhalt gewährleistet bleiben muss und Sie in der Lage sein müssen, Ihre eigene Familie zuverlässig zu versorgen. Dazu müssen Sie wissen, dass eine Regressforderung als solche zunächst nicht zwangsweise gegen Ihre Person vollstreckt werden kann. Vielmehr ist der Sozialleistungsträger darauf angewiesen, die Unterhaltsforderung vor Gericht gegen Sie einzuklagen. Erst ein entsprechendes Urteil, in dem Sie zur Zahlung von Elternunterhalt verurteilt werden, wäre zwangsweise vollstreckbar. Bis es dazu kommt, ist es aber regelmäßig ein weiter Weg.
Lassen Sie sich also keineswegs einschüchtern, wenn Sie Post vom Sozialamt erhalten und aufgefordert werden, Ihre Einkommensverhältnisse offenzulegen oder gar Zahlungen zu leisten. Umgekehrt können Sie sich unnötige Auseinandersetzungen ersparen, wenn Sie die Situation einschätzen können und feststellen, dass Sie – ungeachtet Ihrer vielleicht moralischen Verbundenheit zu Ihrem Elternteil - um den Elternunterhalt nicht herumkommen.