Wenn man so richtig abserviert oder aufs Abstellgleis geschoben wird, kann sich das auf verschiedene Weisen anfühlen: schmerzhaft, erniedrigend, frustrierend. Genau so, wie es sich eben anfühlt, nach langer Ehe einfach sitzen gelassen zu werden, vielleicht sogar zusammen mit den Kindern, während der Partner sich von heute auf morgen mit einer neuen Liebschaft aus dem Staub gemacht hat. Jetzt wieder aufzustehen, ist so wahnsinnig schwierig…aber es muss ja sein. Wie man nach der Kaltstellung noch halbwegs durch die nächsten Tage und Wochen kommt, lesen Sie hier. Fürs erste hilft Ihnen darüber hinaus ganz gewiss auch unser Gratis-InfoPaket Scheidung, worin Sie sich in die wichtigsten Basics zu dem, was kommt, kostenlos einlesen können.
Warum fühlen Sie sich abserviert?
Sie waren vielleicht viele Jahre verheiratet und durften sich glücklich schätzen, dass aus Ihrer langen Ehe Kinder hervorgegangen sind. Auch wenn es, wie in jeder Ehe Schwierigkeiten gegeben hat, haben Sie immer darauf vertraut, dass Sie gemeinsam mit dem Partner oder der Partnerin alt werden. Schließlich haben Sie sich bei der Eheschließung versprochen, dass Sie Ihr Leben gemeinsam führen, bis der Tod Sie scheidet. Auch das Gesetz spricht davon, dass die Ehe auf Lebenszeit geschlossen wird.
Und dann plötzlich, möglicherweise völlig aus dem Nichts, eröffnet der Partner oder die Partnerin, dass an der ehelichen Lebensgemeinschaft kein Interesse mehr besteht. Der damit verbundene Schock dürfte wahrscheinlich umso größer sein, als der Partner oder die Partnerin die Trennung wegen eines neuen Lebensgefährten vollziehen möchte. Sie haben das Gefühl – und daher stammt die Redewendung – jetzt wie gebrauchtes Geschirr vom Kellner des Lebens aufs Tablett gehievt und in die Küche „abserviert“ zu werden.
GUT ZU WISSEN
Es kann viele ereilen
Im Jahr 2022 waren 2.582 der geschiedenen Ehepartner 25 Jahre und 21.713 länger als 25 Jahre miteinander verheiratet. Die durchschnittliche Ehedauer bei der Scheidung betrug 15,2 Jahre (Quelle Statistisches Bundesamt).
Was sollten Sie vorrangig tun und unterlassen?
Hat Ihre häusliche Lebensgemeinschaft ein Ende gefunden, ist nichts mehr, wie es vorher war. Sie können jetzt den Kopf den Sand stecken und darauf warten, bis sich irgendwas zu Ihren Gunsten von selbst entwickelt. Die Entwicklung kann aber genauso gut in die andere Richtung verlaufen. Sich passiv zu verhalten, sollte jedenfalls keine Option sein.
Besser ist, wenn Sie trotz all der mit der Trennung verbundenen Enttäuschungen, dem Ärger und dem Frust versuchen, eine zumindest im Ansatz irgendwie optimistische Haltung einnehmen. Glauben Sie fest daran, dass es am Ende eines Tunnels immer Licht gibt.
Suchen Sie Unterstützung bei „F&F“
Wegen der Trennung fühlen Sie sich möglicherweise allein. Um nicht im Tal der Trauer zu versinken, kann sich empfehlen, Freunde oder Familienmitglieder (F&F) einzubeziehen oder sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen und sich mit anderen gleichfalls Betroffenen auszutauschen. Ein Unterstützungsnetzwerk ist immer hilfreich. Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, können besonders einfühlsame Zuhörer sein.
Fokussieren Sie sich auf die Kinder
Haben Sie Kinder, sind Sie hoffentlich nicht wirklich allein. Auch die Kinder werden Ihre Trennung möglicherweise kritisch betrachten. Dennoch ist wichtig, dass Sie Ihre Enttäuschung nicht auf die Kinder übertragen und erwarten, dass die Kinder Sie im Tal der Tränen begleiten. Trotzdem können Kinder eine Stütze sein und Trost spenden.
Sie werden die Trennung vor den Kindern auch nicht verheimlichen können. Besser ist, die Kinder frühzeitig einzubeziehen. Entsprechend ihrem Alter und ihrer Fähigkeit, die Gegebenheiten zu verstehen, wäre die Trennung offen und ehrlich zu kommunizieren. Da Kinder bei der Trennung der Eltern besonders verwundbar sind, ist es wichtig, dass Sie auch im Hinblick auf die Kinder die für das seelische Gleichgewicht der Kinder notwendige Sicherheit und Stabilität schaffen.
Können die Kinder mit der Trennung umgehen, profitieren Sie selbst. Sie brauchen sich nicht ständig damit zu belasten, den Kindern erklären zu wollen, was passiert ist. Sind die Kinder noch auf Ihre Betreuung angewiesen, finden Sie vielleicht auch darin Trost, dass Sie als Elternteil für die Kinder da sind und insoweit nicht „abserviert“ sind.
Kümmern Sie sich um sich selbst
Es ist wie bei jedem anderen Problem auch. Lamentieren hilft nicht. Werden Sie aktiv und betreiben Sie die sogenannte Selbstfürsorge. Achten Sie auf Ihre körperliche und geistige Gesundheit. Regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf können helfen, mit dem Stress umzugehen. Nutzen Sie Aktivitäten, die Ihnen Freude und Entspannung bringen.
Erkunden Sie neue Interessen
Die Trennung könnte Ansatz sein, dass Sie Ihrem Leben neuen Schwung geben. Waren Sie lange verheiratet, könnte in Ihrem Leben durch die lange Beziehung Langeweile, Gleichgültigkeit und Gewohnheit Einzug gehalten haben. Natürlich kann es eine Herausforderung sein, sich an das Alleinsein zu gewöhnen. Es kann jedoch auch eine Gelegenheit sein, neue Interessen zu entdecken oder alte Hobbys wieder aufzugreifen. Vielleicht verstehen Sie die Trennung insoweit als Chance, die Sie jetzt endlich „ohne die Last einer Beziehung“ packen können.
Prüfen Sie Ihre Ansprüche auf Unterhalt
Alle Empfehlungen, mit denen Sie Ihre Psyche stärken sollten, lassen sich besser umsetzen, wenn sich auch nach der Trennung und Scheidung Ihr Lebensbedarf gewährleisten lässt.
- Für Ihre gemeinsamen minderjährigen und privilegiert volljährigen Kinder haben Sie Anspruch auf Kindesunterhalt.
- Sie selbst haben, wenn Sie finanziell bedürftig und der Ex-Gatte finanziell leistungsfähig ist, im Zeitraum der Trennung Anspruch auf Trennungsunterhalt
- und nach der Scheidung Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt.
CHECKLISTE
Was ist der 'Ehegattenunterhalt'?
Ehepartner sind einander auch nach der Trennung und Scheidung zu einer gewissen Solidarität verpflichtet. Welche Unterhaltsansprüche haben Sie?
Checkliste
Ehegattenunterhalt
Der Ehegattenunterhalt umfasst den Trennungsunterhalt sowie nachehelichen Unterhalt - hier erfahren Sie das Wichtigste dazu.
Unterhalt bei ehebedingten Nachteilen
Nach der Scheidung haben Sie Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, wenn Sie infolge Ihrer Eheschließung ehebedingte Nachteile haben hinnehmen müssen. In Betracht kommt neben der Kinderbetreuung, dass Sie zum Zeitpunkt Ihrer Scheidung krank, gebrechlich oder im fortgeschrittenen Lebensalter sind oder aufgrund Ihrer Lebensumstände keinen angemessenen Arbeitsplatz mehr finden.
Unterhalt vor allem auch bei langer Ehe
Nach der Unterhaltsrechtsreform im Jahr 2008 war es zunächst so, dass nachehelicher Unterhalt nur solange gezahlt werden sollte, bis der bedürftige Ehepartner sich beruflich neu orientiert hatte und es ihm/ihr zuzumuten war, den Unterhalt alleine zu erwirtschaften. Wer im fortgeschrittenen Lebensalter war oder wegen der langen Ehedauer aus dem Beruf ausgeschieden war, hatte damit seine Schwierigkeiten.
Vor allem für Frauen, die in einer klassischen Ehe mit einer traditionellen Rollenverteilung lebten und vorwiegend für die Haushaltsführung und die Kindererziehung verantwortlich waren, war diese Reform unvorhersehbar, überraschend und radikal. Teils standen Frauen vor dem finanziellen Nichts und mussten sich wegen teils fehlender oder veralteter Berufsausbildung mit Minijobs begnügen.
Um diese Ungerechtigkeiten aufzugreifen wurde § 1578b BGB in das Gesetz eingefügt. Jetzt spielt auch die lange Ehedauer eine wichtige Rolle. Das Gesetz enthält keine Aussage darüber, wann eine Ehe lange gewährt hat und wann sie weniger lang gewährt hat. Der Gesetzgeber hat das Kriterium der Ehedauer beim Unterhalt nach langer Ehe ausdrücklich als Billigkeitsmaßstab für die Unterhaltsbegrenzung festgelegt.
Zusätzliches Kriterium: Nacheheliche Solidarität?
Der Bundesgerichtshof hat bestimmt, dass über die lange Ehedauer hinaus eine wirtschaftliche Verflechtung der Ehegatten notwendig ist, aus der sich eine nacheheliche Solidarität ergibt (BGH, Urteil vom 20.3.2013, Az. XII ZR 72/11). Wirtschaftliche Verflechtung bedeutet, dass ein Ehepartner seine Lebenssituation so sehr auf die Ehe ausgerichtet hat, dass er/sie nicht unbedingt mit einer Scheidung rechnen musste. Selbst wenn er mit einer Scheidung rechnen musste, wäre es ungerecht, sie/ihn nach der Scheidung darauf zu verweisen, ausschließlich selbst für sich verantwortlich zu sein. Hierbei kommt das Kriterium der „nachehelichen Solidarität“ ins Spiel.
Die nacheheliche Solidarität ist ein wichtiges Kriterium für die Abwägung, ob ein Unterhaltsanspruch herabgesetzt oder zeitlich befristet werden kann. Eine exakte Definition gibt es nicht. Er bedeutet im Kern, dass Ehepartner auch nach der Scheidung darauf Rücksicht nehmen müssen, dass der Partner sich auf die Ehe eingestellt und faktisch sein gesamtes Leben danach ausgerichtet hat.
Dabei kommt insbesondere die Ehe von langer Dauer in Spiel, durch die die nacheheliche Solidarität verstärkt wird und damit wesentlich zur Begründung von lebenslangen, nicht begrenzten Unterhaltsansprüchen nach langer Ehe erheblich beitragen kann. Damit steht die lange Ehedauer auf einer Stufe mit ehebedingten Nachteilen. Im günstigsten Fall erhalten Sie lebenslang Unterhalt. In der Mehrzahl der von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen sind offensichtlich vorwiegend Frauen betroffen. In der Bewertung kommt es stets auf die Umstände im Einzelfall an. Pauschale Wertungen sind nicht möglich.
Praxisbeispiel
Unterhalt nach 33, aber auch schon nach 18 Jahren Ehe
Hat ein Ehegatte eigene berufliche Ambitionen aus Anlass der Eheschließung aufgegeben und sich der Erziehung der Kinder und Haushaltsführung gewidmet, während der Partner das Geld verdient hat, wäre es ungerecht, den Ehegatten/die Ehegattin angesichts des vielleicht fortgeschrittenen Alters oder einer langjährigen Ehe eine Erwerbstätigkeit zuzumuten. So soll nach 32-jähriger Hausfrauenehe weder eine Herabsetzung noch eine zeitliche Befristung erfolgen (OLG Dresden, Urteil vom 25.9.2009, Az. 24 UF 717/08). Gleiches gilt nach 33 Ehejahren, wenn die Ehefrau nur die ersten beiden Jahre im erlernten Beruf gearbeitet hat (OLG Hamm, Beschluss vom 16.5.2011, Az. 8 UF 246/10). Aber auch bereits nach 18 Ehejahren kann die Dauer der Ehe dafür mitentscheidend sein, dass keine Begrenzung des Unterhalts erfolgt, wenn die Ehefrau zu Beginn der Ehe das Studium des Ehemanns finanziert hatte und sich danach um Kind und Haushalt kümmerte (OLG Hamm, Beschluss vom 13.8.2013, Az. 4 UF 9/13). In all diesen Fällen erzielten die Unterhaltsberechtigten allerdings auch eigene Einkünfte, so dass es dem Grunde nach um eine Begrenzung der Aufstockung von Unterhalt nach langer Ehe ging.
Praxisbeispiel
Gute Stelle aufgegeben einst
In einem Fall des BGH (Az. XII ZR 650/11) hatte eine geschiedene Frau für die Erziehung ihrer zwei Kinder einen lukrativen Arbeitsplatz aufgegeben und eine schlechter bezahlte Stelle angenommen. Die Richter sprachen der Frau nach ihrer Scheidung unbefristeten Unterhalt ohne Einschränkung oder Befristung zu. Der Mann müsse die dauerhaften, finanziellen Einbußen seiner Ex-Frau ausgleichen. Das Paar war 25 Jahre verheiratet. Der BGH betonte die Bedeutung der Ehedauer und der sich daraus ergebenden nachehelichen Solidarität.
Alles in allem
Auch wenn Sie nach Ihrer Trennung vermeintlich vor dem Nichts stehen, gibt es eine Reihe von Ansätzen, an denen Sie sich hoffentlich wieder aufrichten können. Selbst wenn nicht jede Idee nutzbar ist oder zum Erfolg führt, sollten Sie nichts unversucht lassen, nach der Trennung wieder „aufzustehen“. Vor allem, wenn es um unterhaltsrechtliche Aspekte geht, haben Sie auch nach einer langen Ehe möglicherweise finanzielle Ansprüche, die den Neuanfang erleichtern. Gerne nutzen Sie dazu unser Angebot einer professionellen Unterhaltsberechnung auf unterhalt.com.