Kind will nach Umgang nicht zurück

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Dienstag, 10.05.2022 , geschrieben von iurFRIEND-Redaktion

Kindern fällt es oftmals schwer, sich von engen Bindungspersonen zu trennen. Das zeigt sich bereits bei der Eingewöhnung in den Kindergarten oder auch später wenn auf Klassenfahrten Heimweh droht. Leben die Eltern getrennt und will das Kind z.B. nach einem Umgangswochenende nicht wieder zurück, ist auf jeden Fall Fingerspitzengefühl gefragt und Sie müssen Rechtliches mit Emotionalem in Einklang bringen. Welche Gründe kann es für den Wunsch des Kindes geben? Wie können Sie als Elternteile mit der Situation umgehen? Die genaue Vorgehensweise hängt dabei mitunter auch vom Alter des Kindes und seinen individuellen Bedürfnissen ab.

Trennungsschmerz nach Papa/Mama-Wochenende

Oft wird es so sein, dass sich das Kind dem umgangsberechtigten Elternteil so sehr verbunden fühlt, dass es nicht zum betreuenden Elternteil zurück oder den Aufenthalt verlängern möchte. Diese menschlich und emotional absolut verständliche Situation rechtfertigt es aber nicht, dass der umgangsberechtigte Elternteil das Kind nicht zurückbringt.

 

Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Will das Kind nach einem Wochenendbesuch also nicht zurückkehren, muss der umgangsberechtigte Elternteil – rechtlich betrachtet und ob das Kind will oder nicht - das Kind zurückbringen.

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Dauer: 3:58

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Internationale Online-Scheidung

Kind will nicht zurück zu einem Elternteil

Wenn es darum geht, den Wunsch des Kindes in die Entscheidung einzubeziehen, kommt es auf die Gründe an, warum das Kind die Rückkehr verweigert:

 

  • Besonders junge Kinder verstehen womöglich noch gar nicht so richtig, dass ihre Eltern sich die Betreuung teilen und es geregelte Zeiten gibt. Bemühen Sie sich, die Übergabe für das Kind so behutsam wie möglich zu gestalten und üben den Umgang so aus, dass er sich in die Routine des Kindes einfügt. Sprechen Sie mit Ihrem Kind über die geplanten Abläufe und versichern ihm, dass es Mama oder Papa bald wiedersieht.
  • Ältere Kinder verstehen es meist schon besser, für sie kann es emotional dennoch eine große Herausforderung sein. Begleiten Sie Ihr Kind dabei und gehen auf seine Bedürfnisse ein. Bei manchen Kindern treten Probleme vielleicht auch erst nach einem Streit mit einem Elternteil auf oder wenn andere große Veränderungen stattfinden, wie ein Schulwechsel oder die Pubertät.

Anpassungsschwierigkeiten nach frischer Trennung

Gibt es anfänglich oder phasenweise (Anpassungs)schwierigkeiten, brauchen Sie sicherlich Geduld und Kraft, gemeinsam mit dem Kind den Umgang wahrzunehmen. Anpassungsschwierigkeiten allein sollten aber kein Grund sein, eine vereinbarte Umgangsregelung aufzugeben oder der Befindlichkeit des Kindes den Vorrang einzuräumen.

 

Letztlich geht es immer darum, wie Ihrem Kind am besten gedient ist. Zugleich muss klar sein, dass allein der Wille des Kindes nicht das ausschließlich entscheidende Kriterium sein kann, nach dem Sie den Umgang ausgestalten. Klar ist aber auch, dass der Wille des Kindes umso gewichtiger einzuschätzen ist, je älter es wird und die Situation sachlicher beurteilen kann.

 

Als Elternteile sind Sie selbstverständlich nicht gehindert, den Wunsch des Kindes aufzugreifen und Ihre Entscheidung wegen des Umgangs danach auszurichten. Beharrt jedoch jeder Elternteil auf seinem Recht, bleibt nur, die Situation rechtlich zu betrachten.

Umgang nach Trennung und Scheidung

Idealerweise haben Sie das Umgangsrecht in einer Trennungs- oder Scheidungsfolgenvereinbarung, in einem gerichtlichen Vergleich aus Anlass Ihres Scheidungstermins oder im Wege einer gerichtlichen Entscheidung rechtsverbindlich geregelt. In einer solchen Regelung finden Sie regelmäßig auch die Absprache, dass sich die Elternteile gegenseitig verpflichten, den Umgang mit dem Kind zu ermöglichen.

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GUT ZU WISSEN

Welche Bedeutung hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht?

Ein weiterer Ansatz besteht darin, dass der betreuende Elternteil im Regelfall im Rahmen seines Sorgerechts auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht ausübt. Auch wenn beide Elternteile gemeinsam sorgeberechtigt sind, obliegt das Recht, den Aufenthalt des Kindes nach der Ausübung des Umgangsrechts zu bestimmen, dem betreuenden Elternteil. Rechtlich betrachtet, spielt auch insoweit der Wille des Kindes keine Rolle. Will das Kind nach dem Umgang nicht zurück, entscheidet der betreuende Elternteil ungeachtet des Willens des Kindes trotzdem über die Rückkehr.

Zum Ratgeber: Aufenthaltsbestimmungsrecht

Der betreuende Elternteil verpflichtet sich, das Kind vereinbarungsgemäß zu übergeben, während der umgangsberechtigte Elternteil zusichert, das Kind zurückzubringen oder zu übergeben. Gibt es eine solche Vereinbarung, betrifft sie auch das Kind. Will das Kind nach dem Umgang nicht zurück, wäre ausschließlich diese Regelung maßgebend. Das Kind bleibt zumindest rechtlich verpflichtet, bis zur Vollendung seines 18. Lebensjahres diese Umgangsregelung zu beachten.

EXPERTENTIPP

Zwangsvollstreckung vermeiden

Umgangsregelungen sind notfalls auch zwangsweise vollstreckbar. Voraussetzung ist, dass die Umgangsregelung inhaltlich so konkret ausgestaltet ist, dass diese einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Auf Antrag wird im Regelfall vom Familiengericht ein Ordnungsgeld verhängt, das den jeweiligen Elternteil anhalten soll, eine vereinbarte Umgangsregelung zu respektieren. Gegebenenfalls kommt sogar in Betracht, das Kind mithilfe von Polizei und Gerichtsvollzieher aus der Obhut des umgangsberechtigten Elternteils zurückzuholen. Wenn aber das Kind selbst nicht zurück will, dürfte es keine zweckmäßige psychologisch strategische Handlungsweise sein, das Kind mit einer solchen Maßnahme zu konfrontieren. Hier ist eher Empathie gefragt und Sie sollten nachforschen, wieso das Kind nicht zurück möchte und gemeinsam eine Lösung finden.

Inwieweit kann das Kind mitentscheiden?

Entscheidet im Streitfall das Familiengericht, wird das Gericht das Kind persönlich anhören. Die Anhörung des Kindes soll zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen. Dabei ist der Wille des Kindes zu berücksichtigen, soweit es seinem Wohl dient. Das Gesetz schreibt grundsätzlich die persönliche mündliche Anhörung vor, weil ein Kind sich schriftlich nicht ausreichend verständlich machen kann. Auch gilt es, das Risiko einer Beeinflussung durch die Elternteile zu reduzieren. Das Gericht soll sich einen persönlichen Eindruck von der Situation des Kindes verschaffen. Im Regelfall wird das Familiengericht das Jugendamt und einen psychologischen Sachverständigen einbeziehen, um die familiäre Situation aufzubereiten.

 

Kinder ab 14 Jahren sind immer persönlich anzuhören. Kinder unter 14 Jahren sind anzuhören, wenn ihre Neigungen, Bindungen oder ihr Wille von Bedeutung sind. Im Einzelfall kommt bereits die Anhörung ab dem dritten Lebensjahr in Betracht, wenn das Gericht die Chance sieht, Wünsche und Vorlieben festzustellen und in seiner Entscheidung einfließen zu lassen.

Kind gemeinsam im Wechselmodell betreuen

Fühlt sich das Kind beiden Elternteilen verbunden, könnten Sie das Problem auch mit der Vereinbarung eines Wechselmodells lösen. Dabei betreuen beide Elternteile das Kind zeitlich abwechselnd. Voraussetzung ist natürlich, dass Sie so miteinander umgehen können, dass eine Verständigung möglich ist und beide Elternteile in der Lage sind, das Kind in diesem zeitlichen und organisatorischen Umfang zu betreuen. Für das Kind könnte das Wechselmodell die ideale Lösung sein. Es ist dann beispielsweise zwei Wochen im Monat bei Papa und zwei Wochen bei Mama bzw. bei den jeweiligen Elternteilen. Ob das Wechselmodell wirklich die ideale Lösung ist, sollten Sie im Hinblick auf Ihre Gegebenheiten sorgfältig abwägen.

Was, wenn Kinder im Ausland bleiben wollen?

Findet der Umgang des Kindes mit dem umgangsberechtigten Elternteil im Ausland statt oder nutzt der Elternteil das Umgangsrecht dazu aus, das Kind an einen vom betreuenden Elternteil nicht genehmigen Ort zu verbringen („legal Kidnapping“) steht schnell der Verdacht der Kindesentführung im Raum. Will das Kind an seinem Aufenthaltsort im Ausland verbleiben und wird vom umgangsberechtigten Elternteil vielleicht auch noch dazu ermutigt, besteht die Möglichkeit, nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen die Rückkehr des Kindes zu veranlassen.

 

In einem Fall vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Beschluss vom 27.11.2012 (Az: II-11 UF 250/12)), reiste eine Mutter mit den beiden Kindern, für die sie sich mit ihrem Ex-Mann das Sorgerecht teilte, ins Ausland und beschloss, dort zu bleiben:

 

  • Die deutsche Mutter und der slowakische Vater beiden Mädchen im Alter von 12 und 9 Jahren hatten im Juni 1997 geheiratet. Zum Zeitpunkt der Verhandlung befanden sie sich in einem Scheidungsverfahren.
  • Beide Eltern teilen sich das Sorgerecht. Die gemeinsamen Kinder lebten in Deutschland im Haushalt der Mutter, wobei sie ihren Vater aber regelmäßig in der Slowakei besuchten.
  • Die Mutter hatte eine Stelle als Lehrerin in Deutschland angeboten bekommen. Daraufhin fuhr sie mit ihren Kindern im September 2012 nach Deutschland. Dort wohnten Sie bei ihrer Mutter. Ihrem Ex-Mann teilte sie per E-Mail mit, dass sie mit den Kindern nach Deutschland gereist sei und nun auch dort bleiben wolle. Genau dagegen hatte sich der Vater der Kinder aber schon mehrfach ausgesprochen.
  • Vor dem Amtsgericht war zuvor ein Vergleich geschlossen wurden, auf dessen Grundlage die Kinder in den Herbstferien zu ihrem Vater in die Slowakei gefahren waren. Eines der Kinder wurde von seiner Mutter selbst abgeholt, das andere wurde vom Vater entsprechend der Vereinbarung des Vergleichs nach Deutschland zurückgebracht.
  • Das Gericht verpflichtete sie zur Rückführung ihrer Töchter. Sie habe sie gegen den Willen des ebenfalls sorgeberechtigten Vaters nach Deutschland gebracht. Allein weil der Vater das Kind gemäß der Absprache des Vergleichs nach Deutschland gebracht hatte, sei nicht darauf zu schließen, dass er mit dem dauerhaften Aufenthalt der Kinder in Deutschland einverstanden sei.

 

Nur ungewöhnlich schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohls könnten deshalb einer Rückführung entgegenstehen. Der gewohnheitsmäßige Aufenthaltsort der Kinder liege aber in der Slowakei, wo sie geboren wurden, aufwuchsen und auch die Sprache beherrschten. Auch habe der Vater zugesichert, sich auch tagsüber um die Kinder kümmern zu können. Deswegen lägen solche Beeinträchtigungen nicht vor. Die Kinder sprachen sich zwar in diesem Verfahren gegen eine Rückkehr in die Slowakei aus, das Gericht vermutete aber, dass sie von der Mutter unter Druck gesetzt worden waren.

Kind vor Gewalt schützen

Liegt ein Extremfall vor und ist zu vermuten, dass das Kind in der Obhut des betreuenden Elternteils Gewalttätigkeiten ausgesetzt ist oder sich der Elternteil offensichtlich als erziehungsunfähig erweist oder sonstige schwerwiegende Gründe gegen eine Rückkehr des Kindes sprechen, werden Sie ohne staatliche Unterstützung keine brauchbare Regelung realisieren können. Ansprechpartner kann das Jugendamt sein. Mitarbeitende des Jugendamtes können eine Art Bestandsaufnahme machen und recherchieren, wie die Dinge liegen.

 

Die Schwierigkeiten werden dann darin liegen, dass der betreuende Elternteil eventuelle Vorwürfe bestreitet. In letzter Konsequenz läuft eine derartige Auseinandersetzung darauf hinaus, dass eine richterliche Entscheidung herbeigeführt werden muss. In begründeten Fällen kommt auch eine gerichtliche einstweilige Anordnung in Betracht, mit der der zunächst umgangsberechtigte Elternteil erreichen könnte, dass das Kind vorläufig in seiner Obhut bleibt.

Alles in allem

Ist die vermeintlich heile Welt des Kindes durch Ihre Scheidung zerbrochen, sollten Sie als Elternteile alles daransetzen, die emotional geprägte Welt Ihres Kindes nicht noch weiter zu beeinträchtigen. Treffen Sie eine möglichst angemessene Umgangsregelung, bei der Sie das Interesse des Kindes, insbesondere die Verbundenheit zu einem Elternteil, soweit als möglich berücksichtigen. Eine vereinbarte Umgangsregelung sollte von beiden Elternteilen als verbindlich betrachtet werden und auch auf die Person des Kindes bezogen bleiben.

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