„Ich geh mal eben meinen Ehemann besuchen.“ Diese Aussage klingt in den meisten Ohren ein wenig absurd. Für Menschen, die in einer LAT-Beziehung leben, ist das allerdings nichts Ungewöhnliches. LAT ist die englische Abkürzung für „Living apart together“, was auf Deutsch so viel heißt wie: „Getrennt zusammen leben“. Die meisten Paare, die in einer solchen Beziehungsform leben, sind nicht verheiratet. Aber auch für Eheleute sind getrennte Klingelschilder eine Alternative.
Man kann dabei viele Kilometer auseinander und in unterschiedlichen Bundesländern wohnen, oder auch in zwei benachbarten Wohnungen im selben Haus. Das Prinzip ist dasselbe. Man regelt seinen Alltag auf eigene Faust und trifft sich mit dem Partner für gemeinsame Hobbys, Aktivitäten und Reisen oder einfach dann, wenn man seine Nähe braucht. Meistens am Wochenende und – wenn die Entfernung nicht zu groß ist – auch gelegentlich abends an Wochentagen.
1+1 statt 2: Die Vorteile einer LAT-Beziehung
Der größte Vorteil einer LAT-Ehe ist sicher die Wahrung der Unabhängigkeit. Beide Partner können sich ein Stück weit ihr Junggesellenleben bewahren und in ihrem kleinen Reich schalten und walten, wie sie wollen. Dadurch, dass jeder selbst für seinen Haushalt verantwortlich ist, fällt schon mal eine ganze Menge von Streitpunkten weg. Selbst bei einem Ordnungsfanatiker und einem eher schlampigen Zeitgenossen können ein paar schmutzige Teller nicht mehr zum verbalen Kriegsgrund werden. Auch über die Wohnungseinrichtung muss nicht mehr gestritten werden. Ob die Wand nun weiß oder grün wird, die Möbel klassisch oder modern, die Deko spärlich oder extrem – diese Entscheidung kann jeder Partner für sich selbst treffen. Und auch bei anderen Themen ist mehr Entspannung angesagt. Denn wenn man mal gerade eine wirkliche miese Laune hat, kann man sich einfach ins eigene Heim begeben und da bleiben, bis man sich selbst dem Partner wieder zumuten will.
Langeweile ist bei LAT-Beziehungen auch viel unwahrscheinlicher. Da man sich nicht so oft sieht, häufiger eigene Freunde trifft und unterschiedliche Dinge erlebt, gehen einem die Gesprächsthemen nicht aus. Und auch romantische Überraschungen lassen sich viel leichter vorzubereiten, als wenn einem der Partner andauernd über die Schulter schauen könnte. Hinzu kommt, dass sich in den einsamen Nächten und allgemein in den Zeiten, in denen man einmal solo unterwegs ist, Sehnsucht und Vorfreude entwickeln können, die die gemeinsamen Momente dann um so kostbarer und intensiver machen.
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Zutaten für eine glückliche Ehe
Der Preis der Freiheit: Die Nachteile einer LAT-Beziehung
Doch zwei getrennte Wohnungen haben auch Nachteile. Wenn der Partner nicht gerade nebenan wohnt, oder man gar eine Fernbeziehung führt, ist er nicht direkt da, wenn man ihn dringend braucht; zum Beispiel bei einer emotionalen Krise oder gar bei einem medizinischen Notfall. Im Zweifelsfall bleibt dann – wenn überhaupt möglich – nur der Griff zum Telefon. Auch im Alltag muss man auf eine helfende Hand verzichten. In vielen Dingen steht man erst einmal alleine da, obwohl man ja eigentlich in einer Beziehung lebt oder sogar verheiratet ist. So lernt man auch nicht gemeinsam seinen Alltag zu managen und lernt das Verhalten des anderen nie so intensiv kennen – und akzeptieren – wie es bei einem gemeinsamen Wohnsitz der Fall wäre.
Auch fehlt es an gemeinsamen Symbolen. Da man keine gemeinsame Wohnung, keine gemeinsame Einrichtung und kein gemeinsames Geschirr besitzt, bleibt es beim „mein“ und „dein“ kommt aber nie zum „unser“. Das mag zwar manchmal praktisch sein, stiehlt der Ehe aber auch ein ganzes Stück Wir-Gefühl. Darüber hinaus kostet das Pendeln zwischen den verschiedenen Wohnsitzen viel Kraft und nicht zuletzt auch Zeit, die man andernfalls auch gut zusammen verbringen könnte. Und wenn erst einmal Kinder im Spiel sind, wird es noch viel schwerer, eine LAT-Ehe oder Beziehung zu managen. Denn was man seinen Freunden vielleicht noch mit seinem Freiheitsdrang erklären kann, wird der Sohn oder die Tochter wohl nicht so gut verstehen können.
Hinzu kommen diverse rechtliche Probleme. Gerade wenn ein Partner vor der Ehe ausländischer Staatsbürger war, kann eine solche Lebensform den Verdacht einer Scheinehe erhärten.
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Ein Konzept. Zwei Wohnungen. Viele Gründe.
Während unter jüngeren Menschen meist noch eher das traditionelle Beziehungsmodell mit gemeinsamer Wohnung populär ist, erfreuen sich LAT-Partnerschaften vor allem bei etwas älteren Menschen wachsender Beliebtheit.
Die Motive, eine solche Beziehung zu leben, sind sehr unterschiedlich. Für die einen ist es ein bewusst gewähltes Lebensmodell, das ihrem Autonomiestreben zugutekommt. Vor allem wer schon negative Erfahrungen in Sachen Zusammenwohnen gemacht hat, ist hier offener. Für die anderen ist es nur ein Übergangszustand vor dem Zusammenziehen. Auch der Wunsch, in einer bestimmten Stadt zu leben oder Freunden bzw. Familienmitgliedern näher zu sein, die an einem anderen Ort wohnen als der Partner, kann ein Anlass für getrennte Wohnungen sein. Aber nicht immer wohnen Paare freiwillig in verschiedenen Wohnungen. Oft sind sie auch durch Ihre Arbeitsstellen oder Ihr Studium dazu gezwungen.
Wer eher auf Nähe und Geborgenheit als auf Unabhängigkeit setzt, für den ist dagegen eine traditionelle Ehe mit gemeinsamer Wohnung die bessere Wahl.
Trotzdem ist LAT längst kein Lebensmodell mehr, das allein für spleenige Außenseiter geeignet ist. Für jeden Menschen, der trotz Freiheitsdrang kein Single sein möchte, ist diese Lebensform eine Option. Aber es gilt, die Vor- und Nachteile abzuwägen und den eigenen Charakter und den des Partners einzuschätzen.
Ein Versuch kann zumindest nicht schaden. Zusammenziehen kann man ja immer noch!