Sorgerecht für Oma und Opa - bis zu welchem Alter?

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Donnerstag, 03.12.2020 , geschrieben von iurFRIEND-Redaktion

„…wuchs bei den Großeltern auf.“ Dieser Satz leitet so manch prominente, in jedem Fall wechselhaft verlaufende Biografie ein. Die des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama, die des Musikers Eric Clapton und die des Kinderbuchautoren Janosch beginnen so. Vielen Enkeln hat es nach eigenen Angaben nicht geschadet, von Oma und Opa aufgezogen zu werden. Doch so schön diese Vorstellung für Kinder, die ihre Eltern verlieren, auch ist: Großeltern bekommen im Falle des Falles nicht automatisch das Sorgerecht für die Enkel. Wieso nicht – gibt es etwa eine Altersgrenze dafür?

Warum Großeltern so wichtig in der Erziehung sind

Großeltern zu haben ist für Kinder ein Segen. Nicht nur aus Sicht der normalen Entwicklungsförderung, sondern auch als helfende Hand. Heutzutage nehmen immer mehr Mütter nach der Geburt frühzeitig wieder ihre vorherige Arbeit auf, und da erweist sich die Betreuung der Kleinkinder durch Oma und Opa als Gold wert.

 

Diese fühlen sich umgekehrt an ihre eigene Zeit als Eltern erinnert. Trotz nachlassender Motorik irgendwann lassen es sich Großeltern kaum nehmen, noch einmal am Aufwachsen der Enkelkinder aktiv teilzuhaben. Im Gegensatz zu einer Nanny oder einem Au-Pair kümmern sich Oma und Opa zudem auch unentgeltlich um alles.

 

Dass sich all das auch ins Gegenteil verkehren kann, der Einfluss der älteren Generation in Erziehungsfragen als „altmodisch“ oder gar Einmischung empfunden wird, kommt natürlich auch vor. Eltern und Großeltern haben ihre Kinder in unterschiedlichen Epochen großgezogen, das Wertegerüst von vor 30 Jahren ist heute vielerorts ein anderes. Und dennoch würde man doch im Falle eines Verlusts der Eltern eines kleinen Kindes sofort sagen: alles kein Problem, seien wir froh, dass die Großeltern einspringen möchten? 

Großeltern bekommen nicht automatisch das Sorgerecht

Um es vorab zu sagen, die Rechtsprechung kennt kein gesetzliches Höchstalter für die Wahrnehmung des Sorgerechts. Da wir Menschen grundverschieden altern, hat dies auch seinen guten Grund: Mancher Opa ist mit 70 Jahren noch fit wie ein Turnschuh, könnte sein Enkel noch zehn Jahre bis zum Erreichen des 18. Lebensjahres umhegen, während sich ein anderer mit Ende 50 schon zu alt dazu fühlt.

 

Die Auswahl eines neuen Vormunds ist, wie vieles in der Praxis, eine Ermessenssache. Sie erfolgt gemäß § 1779 Abs. 2 BGB anhand der persönlichen Verhältnisse, der Vermögenslage sowie weiteren Umständen. Kommen mehrere Personen in Frage, richtet sich die Auswahl auch nach

  1. dem vermuteten Willen der Eltern bzw. eine Sorgerechtsverfügung,
  2. den persönlichen Bindungen des Kindes,
  3. Verwandtschaft mit dem Mündel sowie
  4. religiösen Bekenntnissen.

In genau dieser Gewichtung bzw. Reihung versuchen Gerichte eine beste Lösung zum Wohle des Kindes zu finden. Man könnte die vier genannten Kriterien auch als Eignung zur Übernahme der Vormundschaft bezeichnen. Dazu gehören im Übrigen, bezogen auf einen neuen Sorgeberechtigten, dessen oder deren:

  • Lebensalter,
  • Kenntnisse und Vorerfahrungen,
  • wirtschaftliche Verhältnisse sowie
  • sonstige Umstände.

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Großeltern sind nicht per se zu alt fürs Sorgerecht, aber…

Gerichte und Jugendämter entscheiden demnach immer im Einzelfall, in wessen neue Obhut ein Kind kommt. Allein auf das Geburtsjahr einer Person wird dabei nicht abgestellt. Unter mehreren Personen soll die meistgeeignete ausgewählt werden.

 

Großeltern haben jedoch im Mindesten ein Anhörungsrecht. Dies stärkt auch der Art. 6 des Grundgesetzes über die innerfamiliären Bindungen. Ein reiner Verwandtschaftsgrad allein ergibt jedoch noch keine Vorentscheidung über die Eignung.

 

Das Bundesverfassungsgericht beschloss 2008 jedoch auch (1 BvR 2604/06), dass nahe Verwandte wie eben Großeltern bei ausreichender Eignung zur Vormundschaft nicht deswegen abzulehnen sind, nur weil ein außenstehender Dritter noch stärker geeignet sei.

Und ein geteiltes Sorgerecht mit Oma oder Opa?

Kommt für alleinerziehende Eltern, deren Partner verstorben ist, auch ein geteiltes Sorgerecht mit Oma oder Opa in Betracht? Es gibt immer wieder Fälle, in denen Großeltern beruflich stark eingespannten Alleinerziehenden bei der Kinderbetreuung unter die Arme greifen. Sie übernehmen dann auch Behördengänge oder Arztbesuche, die das Kind betreffen.

 

Um hier eigenmächtig wichtige Entscheidungen treffen zu können, kommt es manchmal zu Überlegungen, das Sorgerecht auf die betreuende Oma oder den Opa zu übertragen. Hier reicht jedoch eine sogenannte Sorgerechtsvollmacht aus, die vom sorgeberechtigten Elternteil an einen oder beide Großeltern ausgestellt wird.

Wie steht es um das Adoptionsrecht für Großeltern?

Die Voraussetzungen dafür, dass Großeltern ihre Enkel adoptieren, unterscheiden sich im Hinblick auf die zur Übertragung des Sorgerechts. Während die Eltern eines zu adoptierenden Kindes bei einer Adoption durch Oma und Opa schon verstorben sein müssen, können sie im Zuge von Sorgerechtsübertragungen oder Pflegschaft durchaus noch lebendig sein.

 Meist sind sie dann jedoch nicht willens oder in der Lage, sich um ihre eigenen Kinder zu kümmern, sodass es zur Adoption durch die Eltern eines der Elternteile kommt.

Und wenn Großeltern der reine Umgang mit Enkeln verwehrt bleibt?

Noch häufiger als zum Sorgerecht diskutieren Familien und Entscheidungsträger die Frage nach dem Umgang, also ganz normalen Besuchen der Großeltern bei ihren Enkeln. Die Initiative BIGE (Bundesinitiative Großeltern) setzt sich dafür ein, dass der Kontakt der Generationen innerhalb einer Familie nicht abbricht. Trennung und Scheidung sind dabei nicht die einzigen traurigen Anlässe - auch der Tod eines Elternteils mit anschließendem Kontaktabbruch des verwitweten Partners gegenüber den Schwiegereltern, oder auch Streitigkeiten um Erbanteile, gehören dazu.

 

Die BIGE wurde im Jahr 2002 gegründet,  ist in einigen Bundesländern (in NRW in Köln und Euskirchen) mit Ansprechpartnern vertreten und in anderen mit Vernetzungspartnern. Großeltern, denen der Umgang mit ihren Enkeln verwehrt bleibt, finden durch Treffen von Gleichgesinnten Halt und Zuspruch in ihrer Situation. Ansprechpartnerinnen wie Annemie Wittgen, die seit 2014 schon dabei ist, geben ihre Erfahrungen an andere Großeltern weiter.

 

„Es tut gut zu wissen, dass man nicht alleine ist“, sagt Annemie Wittgen, die auch im Vorstand der BIGE arbeitet. Über ihre Lage zu sprechen, helfe vielen Großmüttern und –vätern bereits etwas. Zu den von ihr organisierten Treffen lädt die BIGE mitunter auch schon mal Fachleute ein. So haben schon Mediatoren, Psychologen und Anwälte mit betroffenen Großeltern gesprochen.

 

Ein weiterer Ansatz der BIGE ist die Überzeugungsarbeit auf politischer Seite. Mitglieder wenden sich regelmäßig an Bundestags- und Wahlkreisabgeordnete, um den Paragraphen §1685 BGB zum Umgangsrecht klarer zu definieren.  Kommt es zum Streit zwischen Eltern und Großeltern darüber, ob der Kontakt der Großeltern „dem Kindeswohl“ diene, lasse dieser Begriff den Gerichten zu viel Spielraum für eine Ablehnung von Treffen.  „In der Gesetzgebung anderer Länder in der EU sieht es anders aus“, so Annemie Wittgen. Während in Deutschland die Großeltern belegen müssen, dass ihre Besuche dem Kindeswohl dienen, liegt in Frankreich eine Beweislastumkehr vor: Dort müssen Eltern aufzeigen, dass der Kontakt der Großeltern eben nicht dem Wohle des Kindes dient.

 

Klarstellen möchte die BIGE um Frau Wittgen jedoch auch: An höchster Stelle von allem stehen immer die Kinderrechte. Betroffene Senioren sollten ihrem Ratschlag zufolge nach Möglichkeit immer das Gespräch und die Vermittlung suchen, anstelle von gerichtlichen Auseinandersetzungen. Kindern mag es nicht gut gehen, wenn sie ihre nächsten Verwandten nicht sehen können. Wenn sich diese aber auch noch handfest streiten, leiden die Jüngsten nur noch mehr.

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