Gen Jahresende bereiten sich Scheidungsservices auf die Trennungswelle vor, die sich im Januar des Folgejahres gewöhnlich durch deutsche Partnerschaften bahnt. Auch für Dorothea Behrmann gibt es dann mehr zu tun – allerdings ziehen Betroffene ihr Angebot nicht immer gleich in Erwägung. Behrmanns Methode Conscious Uncoupling definiert die Kunst des Auseinandergehens neu, ist in Deutschland jedoch nur einer Minderzahl von Trennungswilligen bekannt. Im Interview verrät sie, welches Problem Conscious Uncoupling erforderlich gemacht hat, wer zu ihren Sitzungen kommen sollte (und wer nicht) sowie welchen Weg des Zusammenlebens wir nach der Corona-Krise einschlagen sollten.
Von der Hilfe dabei, sich an eine liebe Bemerkung erinnern zu können
Liebe Frau Behrmann, Ihre Kollegin Katherine W. Thomas hat die Methodik des Conscious Uncoupling ins Leben gerufen –offensichtlich etwas, das auf dem Markt der Mediation, der deutschen Trennungscoaches und Psychologen vorher gefehlt hat. Was ist das Besondere daran?
Conscious Uncoupling fasziniert seit einiger Zeit Fachleute und von Trennung und Scheidung Betroffene. Es ist ein modernes, maßgeschneidert auf die Trennungssituation zugeschnittenes Programm. Dabei handelt es um keine lange Therapie, deren zeitlicher Rahmen gar nicht zu überblicken ist – 1 kostenloses Telefonat, eine Einführung und fünf reguläre Sitzungen maximal reichen meistens aus, um die Voraussetzungen für eine friedliche und einvernehmliche Trennung zu schaffen. Die Mitarbeit der Klientinnen und Klienten vorausgesetzt, dauert alles in allem nur sechs Wochen.
Was ist das Ziel der Methode?
Das Ziel des Conscious Uncoupling ist ganz wichtig zu verinnerlichen, idealerweise vorab. Teilnehmer sollen ihre soeben beendete Beziehung weder verdrängen noch vergessen. Ich helfe ihnen vielmehr, zufriedener mit sich zu werden und sich wieder zu vertrauen. Das Gute aus der Beziehung mitzunehmen und sich in Erinnerung zu rufen. Nur wenn wir es schaffen, die eigene Wertschätzung wieder erlebbar zu machen, sind wir auch wieder bereit für neue Liebe von anderen. Dass Menschen dafür manchmal einen Coach benötigen, merken viele erst, wenn sie sich nach der Trennung nicht mehr, oder nur noch in „den Falschen“ verlieben.
Ihre Unterstützung kommt aber auch Kindern von Paaren zu Gute.
Wenn das ehemalige Elternpaar lernt, wie es sich mit einem Höchstmaß an Wohlwollen, Respekt und ohne Rosenkrieg zu trennen weiß, profitieren davon selbstverständlich auch seine Kinder. Wer sich selbst nicht vertrauen oder verzeihen kann, belastet auch andere, für die er oder sie Sorge trägt. Es ist für Kinder ungemein wichtig, dass sich ihre Eltern trotz einer Trennung noch in die Augen sehen können und nicht schlecht übereinander reden. Aber wie soll das funktionieren, wenn es einem schwer fällt, sich an vier bis fünf freundliche Worte des Ex-Partners zu erinnern, einem aber als erstes immer eine negative Bemerkung einfällt? Unter anderem dort setzt das Conscious Uncoupling an.
Sie sind nicht erst mit der Initiierung von Conscious Uncoupling Paartherapeutin geworden, haben den Beruf natürlich schon vorher ausgeübt. Wie haben Sie gemerkt, dass es eines neuen Ansatzes bedurfte?
Als Paartherapeutin verfüge ich über wenig Tools, die ich bei Trennungen anwenden kann. Bis zum Aufkommen der neuen Methode habe ich überwiegend daran gearbeitet, Beziehungen zu retten, anstatt ihnen eine Trennungshilfe anzubieten. Oftmals haben Paare in meiner Praxis gesessen, die zu spät bei mir erschienen. Die haben sich nichts mehr zu sagen gehabt, nicht einmal mehr gestritten. Wer streitet, schreit, der hat noch ein Anliegen an den anderen. Bei vielen hat diese Energetik jedoch komplett gefehlt, sodass ich davon gelassen habe, Paartherapie für beide in derselben Sitzung anzubieten.
Welche Vorteile ergeben sich bei Sitzungen mit nur 1 Gegenüber?
1 Trennung bedeutet 2 Geschichten. Sie können in fünf bis sechs Sitzungen unmöglich individuell auf beide Partner eingehen, da er oder sie sich in ganz anderen Verarbeitungsphasen befinden. Einer ist immer weiter als der andere. Conscious Uncoupling ist für beide Konfliktpartner geeignet und gedacht, aber unabhängig voneinander.
Wer nutzt Conscious Uncoupling? Wer nicht?
Gibt es Klientengruppen, die sich vorrangig von Ihnen beraten lassen? Leute mit bestimmten Eigenschaften oder Beziehungsmustern? Mehr Personen mit oder ohne Trauschein?
Die Zusammensetzung meiner Klienten, den bisherigen zumindest, kann man als sehr heterogen bezeichnen. Geht man alleine vom Interesse am Conscious Uncoupling aus, kontaktieren mich viele junge Leute, um die 25 Jahre. Stellvertretend für sie auch zahlreiche Influencerinnen und Blogger. Sie interessiert diese Form des Auseinandergehens, kurzweilig, online durchführbar und mit festem Ziel vor Augen. Die Altersgruppe, aus der die meisten tatsächlichen Personen stammen, ist jedoch die 40+. Dort hat man oft bereits die Beziehung geführt, von der man glaubte, dass es die fürs Leben sei. Entsprechend höhere Anforderungen gibt es an die Verarbeitung des Splits.
Nehmen mehr Damen oder mehr Herren an Ihren Sitzungen teil?
Auch das ist bunt gemischt. Manche, die bei mir die Teilnahmegebühren begleichen, wären selbst vielleicht gar nicht so verkehrt in den Sitzungen, schenken aber lieber ihren Ex-Partnerinnen oder –Partnern den Gutschein für meine Beratung Sie sind sich bewusst, dass Sie ihrer Partnerin oder Ihrem Partner weh getan haben und wollen ihnen etwas Gutes tun. Und dann ist da noch das schlechte Gewissen…(lächelt)
Wer sollte nicht zu Ihnen kommen? In welcher Trennungsphase ist es vielleicht auch zu spät, zu Ihnen zu kommen?
Da gibt es zwei Gruppierungen. Zum einen diejenigen, für die es vielmehr zu früh ist, zu mir zu kommen. Paare, für die noch nicht klar ist, ob sie nicht doch weiter zusammenleben möchten. Für die biete ich stattdessen eine Art Klärungsmodul an. Darüber hinaus kann ich niemanden beraten, der ernsthafte psychische Probleme ob seines Verlusts entwickelt. Wer den Alltag nicht mehr allein bewältigen kann, da er oder sie sich in Alkohol oder Drogen flüchtet, ist bei Ärzten besser aufgehoben.
Dem anderen zu verzeihen lernen. Gehen ohne Groll.
Leser unserer Ratgeber kennen die klassischen Phasen der Trennungsbewältigung. Conscious Uncoupling nutzt 5 Steps, um in relativ kurzer Zeit zum Erfolg zu kommen. In welche Phase sind diese Steps einzuordnen?
Im Prinzip fügen sich die 5 Schritte der Trauerbewältigung (Traumabewältigung), an die sie ja gemäß der Theorie Elisabeth Kübler-Ross‘ anlehnen, in die Phase zwei der Trennungsbewältigung ein. Allerdings sollte hier kein Schubladendenken stattfinden: Die Verarbeitung verläuft niemals linear, einzelne Schritte werden hin und wieder auch übersprungen oder fließen ineinander. In der Realität bemerken viele Teilnehmer, dass sie über eine Teilphase hinaus sind, und springen von Schritt 1 zu 3. Wichtig dabei, um es nochmal zu sagen, ist der gute Abschluss. Man lernt zu verzeihen. Den anderen gehen zu lassen, ohne Groll.Vor allem lernt man den Umgang mit den oft als überwältigend empfundenen negativen Emotionen.
Gibt es einen Fall, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist? Die Sie trotz 15 Jahren Berufserfahrung in den geschilderten Beziehungen immer noch überraschen?
Eine Klientin kam von vornherein mit dem Wunsch zu mir, dass sie meine Beratung definitiv in Anspruch nehmen wird, sich aber gar nicht trennen wolle! Sie meinte damit, dass sie sich nicht von ihrem Partner lossagen mochte, sondern von ihren eigenen, unglücklichen Beziehungsmustern. Dazu sage ich immer, dass eine Trennung auch immer eine Chance ist. So auch für ein anderes Paar, das seine Trennung wegen der Kinder eine lange Zeit hinausgezögert hatte. Ihr Auseinandergehen hat die Starre in ihrer Beziehung gelöst. So sehr, dass sie in der letzten Sitzung unisono geäußert hatten: „Vielleicht vertragen wir uns wieder.“
Corona hat uns alle im Griff und verändert Dienstleistungen. Sie bieten (in 3 Sprachen) Ihr Angebot ausschließlich über Bildtelefonie an. Welche Nachteile ergeben sich daraus im Vergleich zu einer persönlichen Beratung, was vereinfacht dies hingegen?
(denkt lange nach) Keine Nachteile. Wirklich nicht. Nach fünf Minuten habe sowohl ich als auch der oder die Teilnehmende ausgeblendet, dass uns ein Bildschirm voneinander trennt. Ich kann da wirklich nur von Vereinfachungen sprechen, was vor allem zu Gunsten der Flexibilität geht: Niemand braucht einen Babysitter, um den Weg zur Praxis anzutreten, und auch bei einer akuten, schlechten Phase kann man mich kurz anschreiben: „Du, mir geht’s gerade ganz schlecht, können wir reden?“
„Wir sollten Beziehungsmodellen gegenüber kreativer werden“
Durch den nun zweiten Lockdown der Corona-Pandemie verbringen Paare wieder mehr Zeit miteinander, wodurch es zuhause auch öfter zu Reibereien kommt. Welche Beobachtungen machen Sie dabei, was Trennungswillen und Trennungshilfe deutscher Paare angeht?
Ich sehe in den Beziehungen ein Ausharren, wie im ersten Lockdown. Da, wo ohnehin schon Beziehungsprobleme schwelen, brechen sie sich irgendwann Bahn und werden mehr als deutlich sichtbar. Das bemerken Paartherapeuten allerdings erst einige Wochen nach dem Ende der Reglementierungen, da Trennungen kostenintensiv sind und die Partner, wenn überhaupt, sich diesen Schritt des harten Cuts oder Trennungsjahres finanziell zweimal überlegen. Das intensive Zeitverbringen stärkt demgegenüber diejenigen, die Qualitäten in ihrer Partnerschaft besitzen und entwickeln. Nach den harten Zeiten der Einschnitte werden sie feststellen, wie gefestigt sie als Paar sind.
Frau Behrmann, Sie zogen jüngst vom Süden Deutschlands in die Hansestadt Hamburg. Sie kennen viele Ecken Deutschlands, dank 9 Jahren Aufenthalt auch Spanien und andere Flecken der Welt. Mit welchem Gefühl, wie sich unser Miteinander in modernen Beziehungen entwickelt, gehen Sie in die nächste Zeit?
Mit einem Empfinden, oder sagen wir einer Hoffnung: auf eine größere Offenheit der Gesellschaft gegenüber vielen Formen des Zusammenlebens von Menschen. Dies kann eine Beziehung mit Kind sein, die in mehr als 1 Haushalt stattfindet, oder auch eine Liebe, die ohne eine feste Partnerschaft lebt. Ich wünsche mir, dass die Menschen zusammenrücken, einander helfen und sich Trennende nicht verurteilen. Dies gilt für gemeinsame Freunde, die nach der Scheidung oder Trennung trotzdem noch mit beiden Ex-Partnern etwas zusammen unternehmen, wie auch für nahe Verwandte wie Großeltern und Enkel. Durch die letzten Monate dürften wir gemerkt haben, dass der Egoismus der Solidarität in allen Lebensbereichen wird weichen müssen. Vor allen Dingen vor, während und nach jeder menschlichen Beziehung.
Liebe Frau Behrmann, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Linktipp
- Interview mit Dorothea Behrmann: "Nach der Trennung wirklich Freunde bleiben" in der BRIGITTE