„Liebes, wir haben uns von uns scheiden lassen – aber nie im Leben, wirklich, nie im Leben lassen wir uns von dir scheiden!“ (Baumbach, S. 27). Genau die Worte, die Leo braucht, als er sich durch all die Veränderungen, die durch die Trennung und Scheidung seiner Eltern entstehen, verunsichert fühlt. In dem vom Martina Baumbach verfassten und von Barbara Korthues illustrierten Kinderbuch „Und Papa seh ich am Wochenende“, geht es um Leos Sicht auf die Trennung und Scheidung seiner Eltern.
Wie fühlt man sich, wenn man das Buch zuklappt?
Am Ende der Geschichte ist noch nicht alles perfekt in Leos Leben. Es entwickelt sich aber in eine gute Richtung, was dem Leser ein sehr positives und optimistischen Gefühl gibt. Am Anfang kommunizieren Leos Eltern nicht wirklich viel mit Leo und er erfährt von vielen Veränderungen in seinem Leben erst, nachdem diese bereits beschlossen sind. Dies verunsichert ihn und Leo hat Angst davor, was ihn als nächstes verlassen muss. Es ist erstaunlich, dass Leo zwar vieles nicht direkt versteht, er die Veränderungen in seiner Umgebung, insbesondere was die Haltungen seiner Eltern zueinander angeht, sehr wohl mitbekommt. In welchem Maße sich Umstellungen auf Scheidungskinder auswirken, wird oft von vielen sich trennenden Eltern unterschätzt, vor allem, wenn es noch recht junge Kinder betrifft.
Neben Gefühlen, wie Unsicherheit und Verwirrung, fühlt sich Leo für die Trennung und Scheidung seiner Eltern verantwortlich und gibt sich die Schuld dafür. Das Buch zeigt gut, wie wichtig Scheidungskindern ein klärendes Gespräch mit den Eltern ist. Besonders das Ende der Geschichte verdeutlicht es: Verständnis erleichtert die Verarbeitung. Statt seine Gedanken und Sorgen wie am Anfang für sich zu behalten, äußert Leo seine Wünsche und Bedürfnisse zum Ende hin unaufgefordert. Alle beteiligten Seiten befinden sich zwar in einer vollkommen neuen Situation, lernen jedoch im Laufe der Geschichte diese zu bewältigen. Dies ermutigt.
Interview mit Martina Baumbach
Die Kinderbuchautorin Martina Baumbach ist 1969 in München geboren. Für einige ihrer verfassten Kinderbücher erhielt sie Auszeichnungen, so 2007 den Ulmer Bilderbuchspatz für „Und Papa seh ich am Wochenende“.
In einem kurzen Interview hat uns Frau Baumbach mehr über die Hintergründe und Motivation ihrer Kreation erzählt, sowie einen abschließenden Tipp für unsere Leser hinterlassen.
Sie haben bereits über diverse Themen Kinderbücher geschrieben. "Und Papa seh ich am Wochenende" befasst sich explizit mit dem Thema Trennung und Scheidung. Woher kam Ihre Inspiration über genau dieses Thema zu schreiben?
Ich schreibe seit vielen Jahren für Kinder. Mittlerweise sind es um die vierzig Kinderbücher über Draufgänger, Träumer, weltbeste Freunde, Abenteuerkatzen, Drachen, unsichtbare Tanten und sprechende Kuscheltiere. Darin kommen in die Handlung eingebettet natürlich verschiedenste Familienkonstellationen vor, was die Lebenswirklichkeit der Kinder abbildet. Doch in Gesprächen mit Kindern bekam ich immer wieder mit, wie wichtig ein eigenes Bilderbuch wäre, das das Thema Trennung der Eltern behutsam und ehrlich behandelt.
Mein Bilderbuch thematisiert auf je einer Doppelseite die Phasen – vor, während und nach – einer Trennung. Leo, die Hauptfigur, kommt am Schluss mit der neuen Situation schon ein bisschen besser zurecht und schließt bei einem Papabesuch im Schwimmbad Freundschaft mit einem (sehr netten) Mädchen.
Schon in Ihrem Werk „Nie mehr Wolkengucken mit Opa?“ haben Sie sich mit einem ernsteren Thema befasst, als man es zunächst von einem Kinderbuch erwarten würde. Was ist Ihre Motivation dafür, dass Sie sich solch herausfordernden Inhalten stellen?
Ich hoffe natürlich, Kinder (und Eltern) mit meinem Buch in schwierigen Situationen zu unterstützen. Wenn sich die Eltern nicht mehr verstehen und trennen, ist das kaum begreifbar für das Kind und löst Gefühle von Trauer, Angst, Wut und Hilflosigkeit aus. In „Und Papa seh ich am Wochenende“ trennen sich die Eltern von Leo. Mit Leo können sich betroffene Kinder identifizieren und über seine Figur die Trennung und den Umgang damit durchleben. Gefühle werden verbalisiert und dadurch greifbarer, sie lassen sich einordnen und können durch das Erkennen verarbeitet werden.
Bei unseren Lesern handelt es sich größtenteils um Menschen, die sich vor, mittendrin oder sogar nach ihrer Scheidung befinden. Hätten Sie für die Leser, die Kinder haben, noch ein abschließendes Wort darüber, wie Sie am besten Ihre Scheidung mit Kind abwickeln können?
Im Anhang des Buches gibt es hilfreiche Tipps für Kinder, wie sie mit der Trennung der Eltern besser zurechtkommen. Vom Akzeptieren der Situation, übers Mut machen, bis hin zur Gestaltung des Besuchs beim anderen Elternteil in der neuen Wohnung. Natürlich dürfen da auch die Erwachsenen mal reinspicken. Ich finde es sehr wichtig, mit seinen Kindern im Gespräch zu bleiben, obwohl man vielleicht selbst gerade sprachlos ist. Ich hoffe, dass „Und Papa seh ich am Wochenende“ beim gemeinsamen Vorlesen und Betrachten eine schöne Handreichung dafür bietet.