Scheidung als Selbstständiger, Freiberufler oder Unternehmer
Sind Sie als Selbstständiger, Freiberufler oder Unternehmer tätig, gelten die gleichen Voraussetzungen wie für andere Berufsgruppen auch. Allerdings ergeben sich Besonderheiten beim Zugewinnausgleich und bei der Berechnung Ihres Einkommens. Der Verfahrenswert für Ihr Scheidungsverfahren berechnet sich nämlich nach Ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Bei Arbeitnehmern errechnet sich das Einkommen leicht aus der Gehaltsabrechnung. Da Sie als Selbstständiger keine Gehaltsabrechnungen vorweisen können, kann sich die Berechnung des Verfahrenswertes als schwierig erweisen.
Wann bin ich Freiberufler?
Als Freiberufler sind Sie Unternehmer. Allerdings sind Sie kein Kaufmann. Sie betreiben kein Gewerbe. Bei Freiberuflern steht die persönliche Fähigkeit zur Erbringung bestimmter Dienstleistungen im Vordergrund. Die Abgrenzung zur gewerblichen Tätigkeit hat teils historische Hintergründe und lässt sich nicht immer sachlich begründen. Wer Freiberufler ist, ergibt sich aus dem Katalog des § 18 EstG. Charakteristisch ist, dass Sie Ihre freiberufliche Tätigkeit
- selbstständig,
- wissenschaftlich,
- künstlerisch,
- schriftstellerisch,
- unterrichtend
- oder erzieherisch erbringen.
Die Grenzen sind oft fließend. So sind Sie als Betreiber eines Fitnessstudios kein Freiberufler, wohl aber als Diätassistentin, Hebamme oder Logopäde. Freiberufler „von Natur aus“ sind Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater und Architekten. Als Freiberufler profitieren Sie davon, dass Sie für Ihre Einkünfte keine Gewerbesteuer zahlen. Sie brauchen auch bei hohen Gewinnen anders als Gewerbetreibende keine Bilanzen zu erstellen. Es genügt eine Einnahmen-Ausgaben-Überschussrechnung. Sie brauchen keine Inventur zu machen. Sie unterliegen der Ist-Besteuerung, so dass die Umsatzsteuer erst fällig wird, wenn der Klient zahlt.
Welche Rolle spielt der Zugewinnausgleich?
An sich ist eine Unternehmerscheidung als Freiberufler eine Scheidung wie jede andere auch. Soweit Sie nichts anderes vereinbart haben, unterliegt auch Ihre Scheidung als Freiberufler dem Zugewinnausgleich. Und damit sind wir beim Thema. Ihre Scheidung als Freiberufler sollte unbedingt das Thema Zugewinnausgleich im Blickfeld haben. Müssen Sie nämlich Ihren Ehepartner am Wert Ihrer freiberuflichen Praxis beteiligen und einen Zugewinn zahlen, riskieren Sie möglicherweise wirtschaftliche Schwierigkeiten. Sie sollten also alles tun, um eventuelle Liquidationsprobleme, die sich infolge des Zugewinnausgleichs oder infolge von Unterhaltsleistungen ergeben, zu vermeiden. Ihre Strategie muss darin bestehen, dass Sie Ihre freiberufliche Tätigkeit so fortführen können, dass Sie eine Zukunft haben und Sie im Hinblick auf die Konsequenzen Ihrer Scheidung nicht ständig das Schreckgespenst einer Insolvenz vor Augen haben.
Sie können den Zugewinnausgleich ehevertraglich ausschließen und stattdessen Gütertrennung vereinbaren. Haben Sie keine derartige Vereinbarung notariell beurkundet, gilt für Ihre Ehe der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Im Fall Ihrer Scheidung hat Ihr Ehepartner Anspruch auf Zugewinnausgleich, vorausgesetzt, er/sie hat in der Ehe weniger Vermögenswerte erwirtschaftet als Sie selbst. Der Zugewinngemeinschaft liegt der Gedanke zugrunde, dass alles, was Sie im Laufe Ihrer Ehe erwirtschaften, als von beiden Ehepartnern gemeinsam erwirtschaftet anzusehen ist. Dies gilt insbesondere, wenn Sie arbeitsteilig gelebt haben, vornehmlich ein Partner den Haushalt führt und die Kinder erzieht und der andere zur Arbeit geht.
Im ungünstigsten Fall wären Sie verpflichtet, Ihren vielleicht vermögenslosen Partner am Zugewinn Ihres in freiberuflicher Tätigkeit geführten Unternehmens zu beteiligen. Können Sie den Zugewinnausgleichsanspruch dann nicht aus der Portokasse oder über einen Bankkredit bezahlen, sind Sie möglicherweise darauf angewiesen, Ihren Betrieb zu verkaufen. Oder bezahlen Sie den Zugewinnausgleichsbetrag aus Ihren laufenden Einnahmen, riskieren Sie den schleichenden Niedergang Ihres Betriebs. Sie haben also allen Grund, sich mit dem Thema Zugewinnausgleich auseinanderzusetzen.
Möchten Sie den Zugewinnausgleich vermeiden, hätten Sie im Idealfall bereits vor oder während Ihrer Ehe in einem EhevertragGütertrennung vereinbart oder den potentiell denkbaren Zugewinnausgleich für den Fall Ihrer Scheidung Ihren individuellen Verhältnissen angepasst. Sie können aber auch noch im Hinblick auf Ihre Scheidung Gütertrennung vereinbaren oder den Zugewinnausgleich modifizieren.
So gelingt die Einigung über die Scheidungsfolgen
Prüfen Sie anhand der Checkliste, ob Sie alles bzgl. Hausrat, Ehewohnung, Zugewinn- und Versorgungsausgleich etc. geregelt haben.
Sofern es bei der Scheidung um finanzielle Fragen geht, lohnt sich auch ein Blick auf die Scheidungskosten. Grundlage für die anfallenden Gerichts- und Anwaltskosten ist stets der so genannte Verfahrenswert. Das Familiengerichtskostengesetz (§§ 43 – 52 FamGKG) enthält weitgehend pauschale Verfahrenswerte, aber auch Wertvorschriften, die die Bestimmung des Verfahrenswertes in das Ermessen des Gerichts stellen. Insoweit kommt es stets darauf an, welches Ziel Sie mit Ihrem Antrag verbinden, ob Sie also die Scheidung beantragen, der Versorgungsausgleich durchzuführen ist oder ob Sie den Zugewinnausgleich beantragen oder sich um das Sorge- und Umgangsrecht für Ihr gemeinsames Kind streiten. In der Regel gilt: Je weniger Streitfragen es zu klären gibt, desto niedriger ist der Verfahrenswert und desto günstiger wird die Scheidung.
Wie wird der Verfahrenswert für die Scheidung bestimmt?
Geht es um den Verfahrenswert für Ihre Scheidung, ist die Vorschrift des § 43 FamGKG maßgebend. Danach bestimmt das Familiengericht in Ehesachen den Verfahrenswert „unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten nach eigenem Ermessen“. Einschränkungen ergeben sich insoweit, als der Verfahrenswert nicht unter 3.000 EUR und nicht über 1.000.000 EUR angenommen werden darf.
Ihre Einkommensverhältnisse als Selbstständiger, Freiberufler oder Unternehmer sind anders als bei Arbeitnehmern schwieriger zu bestimmen, da Ihre Einnahmen wahrscheinlich häufigen Schwankungen unterliegen. So können etwa wirtschaftliche Krisen Ihre Einnahmesituation beeinflussen. Diese Veränderungen sind entsprechend zu berücksichtigen. Um Ihre Einkommensverhältnisse zu erfassen, gilt es, repräsentative Werte zu finden, die Ihre Einkommensverhältnisse einigermaßen widerspiegeln.
Sind Sie selbstständig tätig, kommt es darauf an, ob Sie zur Bilanzierung verpflichtet sind oder nicht. Sind Sie als Unternehmer bilanzierungspflichtig, ergibt sich Ihr maßgebliches Einkommen aus den Bilanzen der vergangenen drei Geschäftsjahre sowie Ihrer Einkommensteuererklärung. Soweit Sie gegenüber Ihrer Ehepartnerin bzw. Ihrem Ehepartner auskunftspflichtig sind, müssen Sie darüber hinaus auch die zu den Bilanzen gehörenden Gewinn- und Verlustrechnungen zur Verfügung stellen. Sind Sie als Selbstständiger oder als Freiberufler nicht zur Bilanzierung verpflichtet, kommt es auf die Einnahme- Überschussrechnungen der vergangenen letzten drei Jahre sowie Ihre letzten Einkommensteuererklärungen an.
Schulden und Verbindlichkeiten
Haben Sie Schulden und Verbindlichkeiten, sollten diese im Hinblick auf Ihre Einkommensverhältnisse im Regelfall den Verfahrenswert vermindern. Allerdings können sich darauf nicht wirklich verlassen. Die Anrechnung von Verbindlichkeiten ist sehr umstritten. Häufig werden zumindest Verbindlichkeiten, die die Lebensverhältnisse der Parteien nachhaltig beeinträchtigt haben berücksichtigt, wie z.B. monatliche Kreditkarten für die Ehewohnung, während geringwertige Schulden, mit denen allgemein übliche Konsumgüter finanziert wurden, außer Betracht bleiben, wie z.B. Kfz, Einbauküche.
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Beschluss vom 2.11.2017, 4 WF 207/17) hat es jedenfalls abgelehnt, Schulden und Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. Grund ist, dass Schulden ohne Rücksicht auf ihre Höhe oder ihren Entstehungsgrund unberücksichtigt bleiben sollen, um das Wertfestsetzungsverfahren praktikabel handhaben zu können. Das Verfahren solle möglichst unkompliziert und zügig ablaufen. Es soll gerade nicht damit belastet werden, dass Verbindlichkeiten nach Art und Höhe aufgeklärt werden müssen. Aber: Soweit Ihre Verbindlichkeiten in die Bilanz oder Einnahmen-Überschussrechnung eingeflossen sind, vermindern diese bereits auf diesem Weg Ihr Einkommen. Da Ihre Bilanz oder Einnahmen-Überschussrechnung Grundlage für Ihre Einkommensteuererklärung ist, ist davon auszugehen, dass diese Verbindlichkeiten begründet sind.
Welcher Stichtag zählt für die Berechnung Ihres Einkommens?
Ihre Einkommensverhältnisse bemessen sich nach einem Stichtag. Dazu wird maßgeblich auf den Zeitpunkt abgestellt, an dem Sie Ihren Scheidungsantrag bei Gericht eingereicht haben oder Ihr Ehepartner den Scheidungsantrag eingereicht hat (§ 34 FamGKG). Ihr Antrag ist dann bei Gericht „anhängig“. Bei wechselseitigen Anträgen ist der Eingang des ersten Antrags maßgeblich. Eine Verbesserung oder Verschlechterung der Einkommens- oder Vermögensverhältnisse während des Verfahrens wirkt sich nicht aus. Es bleibt bei den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Stichtags.
Wie bestimmen Ihre Einkommensverhältnisse den Verfahrenswert?
Lassen sich Ihre Einkommensverhältnisse aus Ihren Einnahmen der letzten drei Jahre bestimmen, werden die Jahresnettobeträge der letzten drei Jahre miteinander addiert. Das letzte Jahr zählt doppelt. Daraus wird Ihr durchschnittliches Monatseinkommen ermittelt.
Beantragen Sie in 2023 Ihre Scheidung, rechnen Sie wie folgt:
- Einkommen 2022 + Einkommen 2021 + Einkommen 2020 + Einkommen 2020
- geteilt durch 4: durchschnittliches Jahreseinkommen
- geteilt durch 12: durchschnittliches Monatseinkommen
- multipliziert mit 3: durchschnittliches vierteljährliches Nettoeinkommen
Das sich ergebende vierteljährliche Nettoeinkommen ist das maßgebliche Nettoeinkommen, nach dem das Gericht den Verfahrenswert festsetzt.
Was muss ich bezahlen, wenn ich mich scheiden lasse?
Scheidungskosten setzen sich aus den Gerichts- und Anwaltskosten zusammen. Wie werden diese berechnet?
Rechenbeispiel Einkommen bei Selbstständigen
Einkommen 2023 = 50.000 EUR
Einkommen 2022 = 70.000 EUR
Einkommen 2021 = 40.000 EUR
Sie rechnen: 50.000 EUR + 70.000 EUR + 40.000 EUR + 40.000 EUR = 200.000 EUR Gesamteinnahmen
200.000 : 4 = 50.0000 EUR durchschnittliches Jahreseinkommen
50.000 : 12 = 4.167 EUR durchschnittliches Monatseinkommen
4.167 x 3 = 12.500 EUR
Zur Berechnung des Verfahrenswertes zählt auch das Nettoeinkommen Ihrer Ehepartnerin bzw. Ihres Ehepartners. Ihr durchschnittliches vierteljährliches Nettoeinkommen und das durchschnittliche vierteljährliche Nettoeinkommen Ihrer Ehepartnerin bzw. Ihres Ehepartners werden addiert. Erst daraus ergibt sich der maßgebliche Verfahrenswert. Ist der Ehepartner Arbeitnehmer, zählt das in den letzten drei Monaten erzielte Nettoeinkommen. Ist der Ehepartner ebenfalls selbstständig, freiberuflich oder unternehmerisch tätig, gelten die gleichen Berechnungsgrundsätze, nach denen auch Ihr Einkommen berechnet wird.
Freibeträge berücksichtigen
Ihre errechneten Einkommen vermindern sich um gewisse Freibeträge. Haben Sie Kinder, dürfen Sie für jedes Kind einen Freibetrag von 250 EUR berücksichtigen. Der Freibetrag vermindert in Bezug auf die Berechnung des Verfahrenswertes für Ihre Scheidung Ihr anzurechnendes Einkommen.
Wie beeinflusst Ihr Vermögen den Verfahrenswert für Ihre Scheidung?
Haben Sie Vermögenswerte, erhöht sich der Verfahrenswert für Ihre Scheidung (BVerfG FamRZ 2010, 25). Bargeld ist klar zu beziffern. Sachwerte sind nach dem Verkehrswert zu schätzen. Verbindlichkeiten dürfen Sie weitgehend berücksichtigen. Das sich ergebende Reinvermögen wird erst berücksichtigt, wenn es eine bestimmte Schwelle überschreitet. Die Gerichte gewähren je nach Gerichtsbezirk unterschiedliche hohe Freibeträge. Diese liegen im Regelfall zwischen 15.000 EUR - 30.000 EUR, (teils auch höher, z.B. 60.000 EUR OLGe Koblenz, Hamm, Brandenburg, München). Davon fließen allerdings wiederum nur 5 % (teils je nach Gerichtsbezirk, z.B. OLG Köln auch 10 %) in die Berechnung des Verfahrenswertes sein.
Ihre Scheidungsfolgesachen erhöhen den Verfahrenswert
So beeinflussen die Folgen der Scheidung den Verfahrenswert:
Verfahrenswert Versorgungsausgleich
Der Verfahrenswert, der sich für Ihre Scheidung errechnet, ist nur der erste Schritt. Muss das Familiengericht von Amts wegen auch den Versorgungsausgleich durchführen, beträgt der Verfahrenswert für jedes Anrecht 10 % des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten. Der Verfahrenswert beträgt jedoch mindestens 1.000 EUR (§ 50 FamGKG). Der Verfahrenswert für den Versorgungsausgleich erhöht den Verfahrenswert für Ihre Scheidung.
Verfahrenswerte für weitere Scheidungsfolgesachen
- Regelung der Nutzungsverhältnisse an Ihrer Ehewohnung:3.000 EUR
- [Regelung des Ehegattenunterhalts: 12 - fache Höhe der Forderung (z.B. 12 x 500 EUR = 6.000 EUR)
- Regelung des Zugewinnausgleichs: Höhe Ihrer Forderung (z.B. 10.000 EUR)
Kostenvoranschlag anfordern
Sie sollten sich möglichst einen individuellen Kostenvoranschlag erstellen lassen. Nur wenn Sie Ihre Angaben individuell bewerten lassen, wird es möglich sein, die voraussichtlichen Scheidungskosten für Ihre Scheidung einigermaßen zuverlässig zu kalkulieren. Berücksichtigen Sie aber trotzdem, dass auch Ihre Rechtsanwältin bzw. Ihr Rechtsanwalt die Scheidungskosten nur nach Maßgabe Ihrer Angaben schätzen kann und letztlich das Familiengericht die Scheidungskosten nach dem Verlauf des Verfahrens verbindlich festsetzt. Da sich im Verlauf Ihres Scheidungsverfahrens Ansätze ergeben können, die den Verfahrensablauf beeinflussen, ist immer mit Änderungen zu rechnen.
Wer muss die Scheidungskosten bezahlen?
Im Scheidungsverfahren trägt jeder Ehepartner die Kosten für seine anwaltliche Vertretung selbst. Dies gilt auch dann, wenn Sie sich einvernehmlich scheiden lassen und nur Sie selbst oder nur Ihr Ehepartner den Scheidungsantrag stellt. Berücksichtigen Sie, dass ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin im Scheidungsverfahren nie beide Eheleute gleichzeitig vertreten kann, auch dann nicht, wenn sich die Ehepartner über alles einig sind. Es ist nicht möglich, dass Sie mit Ihrem Ehepartner zusammen einen gemeinsamen Anwalt haben.
Geht es um die Gerichtskosten, muss derjenige Ehepartner, der die Scheidung einreicht, wegen der Gerichtskosten in voller Höhe in Vorlage gehen. Soweit Sie sich einvernehmlich scheiden lassen, wird das Gericht in seinem Kostenfestsetzungsbeschluss anordnen, dass Sie sich die Gerichtskosten mit Ihrem Ehepartner teilen. Lassen Sie sich streitig scheiden, kommt es auf den Inhalt der gerichtlichen Entscheidungen an.